Schule ohne Stress, Mobbing und Leistungsdruck – Tschechischer Verein will Lehrer weiterbilden

Den Pisa-Studien der letzten Jahre zufolge gehen tschechische Kinder nicht gern in die Schule. Leistungsdruck, Stress aber auch Mobbing und Angst vor den Mitschülern sind einige Gründe dafür. Die NGO Otevřeno will das Umfeld für die tschechischen Schüler verbessern. Das Angebot richtet sich dabei an die Lehrer, denn sie können ihren Teil dazu beitragen, damit Schulen in Tschechien ein besserer Ort werden.

Dass Mobbing an Schulen ein Problem ist, davon kann auch diese 17-jährige Schülerin eines tschechischen Gymnasiums ein Lied singen. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks sagte sie:

„An die Grundschule habe ich keine schönen Erinnerungen. Von der sechsten bis zur neunten Klasse wurde ich gemobbt. Wenn ich ins Klassenzimmer kam, wurde ich beleidigt und beschimpft. Die anderen haben mich mit Schuhen beworfen und mir vergammelte Äpfel in den Ranzen gesteckt.“

Illustrationsfoto: Michaela Danelová,  Tschechischer Rundfunk

Eine Besserung für die Schülerin brachte erst die Coronapandemie…

„Die Lockdowns in der achten und neunten Klasse haben mir geholfen. Ich musste die anderen einige Monate lang nicht sehen. Als ich dann wieder in die Schule zurückgekehrt bin, war ich viel selbstbewusster – und die zahlreichen Anspielungen haben mich nicht mehr so stark getroffen.“

Die seelische Gesundheit sei besonders bei Kindern von Relevanz, meint Lenka Felcmanová von der Fachgesellschaft für inklusive Bildung (ČOSIV):

„Psychische Krankheiten entwickeln sich in der Hälfte aller Fälle bis zum 14. Lebensjahr. An den tschechischen Grund- und Mittelschulen gibt es Kinder, deren seelische Gesundheit in Gefahr ist.“

Dass die Lage an den tschechischen Schulen verbesserungswürdig ist, findet auch Tomáš Čakloš vom Verein Otevřeno.

„Wir sind überzeugt, dass sich Kinder in der Schule sicher fühlen müssen. Sie sollen keinen Stress und keine Bedrohung zu spüren bekommen, weder von der Schule noch von den Mitschülern. Die Kinder dürfen nicht das Gefühl haben, dass sich niemand um sie kümmert oder sie ständig verglichen, bewertet und gegebenenfalls vor den anderen zurechtgewiesen werden. Das ist die grundlegende Voraussetzung dafür, dass Kinder mit Freude lernen können.“

Tomáš Čakloš | Foto: YouTube

Das Programm von Otevřeno zielt Čakloš zufolge auf Lehrer ab. Die Pädagogen sind es, die sich aktiv für die Kinder interessieren sollen und beobachten müssen, ob es zu Schikanen kommt. Auch der Umgang der Lehrer mit dem Nachwuchs sei zentral:

„Es macht einen Unterschied, ob ich mich vor die Klasse stelle und jemandem vorwerfe, dass er schlechter sei als zum Beispiel die Anička, oder ob ich ein Feedback gebe, das wirklich weiterhilft. Die Lehrkräfte können ein Umfeld schaffen, in dem die Schülerinnen und Schüler nicht das Gefühl haben, ständig miteinander verglichen zu werden.“

Um die Lehrer zu richtigem Verhalten zu animieren, veröffentlicht der Verein Otevřeno in den sozialen Netzwerken Beiträge über Erfolge in der Praxis des Schulalltags. Auch Magdalena Málková hat ihre Erfahrungen geteilt. Die Lehrerin wurde für ihren Unterricht in diesem Jahr mit dem Global Teacher Prize ausgezeichnet…

„Jeden Montagmorgen bilden wir einen Stuhlkreis, in dem wir besprechen, was jeder am vergangenen Wochenende gemacht hat“, sagt Málková. „Ich denke, es ist das Wichtigste zu wissen, mit wem man zusammen in der Klasse sitzt. Danach kann man dann das Einmaleins lernen oder das schriftliche Dividieren.“

Otevřeno entstand im Jahr 2015. Um das schulische Umfeld zu verbessern, agiert der Verein auch an allen pädagogischen Fakultäten Tschechiens – denn das sind die Orte, an denen die Lehrkräfte von Morgen ausgebildet werden. Zum Portfolio der Bewegung zählen zudem verschiedene Weiterbildungsveranstaltungen.

Autoren: Ferdinand Hauser , Eva Mikulka Šelepová
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