Seit 30 Jahren: Kratochvílová hält immer noch 800-Meter-Weltrekord

Jarmila Kratochvílová (Foto: Tschechisches Fernsehen)

Am Freitagabend wird Jarmila Kratochvílová wahrscheinlich erneut durchatmen: wieder einmal gutgegangen! Keine der Athletinnen hat bei der Diamond League in London ihren Rekord geknackt. Am 26. Juli 1983 lief die Tschechin in München die schnellsten 800 Meter aller Zeiten. Die Bestzeit hat immer noch Bestand und ist mittlerweile der älteste Freiluft-Weltrekord der Leichtathletik.

Jarmila Kratochvílová  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Es war zwei Wochen vor den Weltmeisterschaften, und Jarmila Kratochvílová wollte nur ihre Form testen. Ursprünglich war die Tschechin beim Leichtathletik-Meeting in München für die 200-Meter-Sprintstrecke angemeldet. Wegen muskulärer Probleme stieg sie aber auf 800 Meter um. An dem heißen Julitag wurde dann daraus ein unglaublicher Weltrekord: 1:53,28 Min. Welche Leistung das war, das habe sie damals gar nicht erfassen können, sagt Kratochvílová heute:

„Ich dachte, in ein oder zwei Jahren, bei den nächsten Olympischen Spielen würde der Rekord sicher übertroffen. Ich war deswegen völlig unaufgeregt und habe ja auch nur 3000 Kronen bekommen. Heute würde ich bei den großen Leichtathletik-Meetings dafür 100.000 Dollar kassieren. Dass der Weltrekord 30 Jahre halten könnte, das ist mir überhaupt nicht in den Sinn gekommen.“

Marita Koch  (Foto: Wolfgang Kluge,  Bundesarchiv,  Bild 183-1984-0402-025 / CC-BY-SA)
Jarmila Kratochvílová war damals in der Form ihres Lebens. Zwei Wochen später wurde sie Doppel-Weltmeisterin. Dabei stellte sie einen weiteren Weltrekord auf, über 400 Meter. Dieser wurde jedoch zwei Jahre darauf von Marita Koch unterboten, ihrer großen Konkurrentin aus der DDR. Olympia-Gold blieb ihr indes verwehrt, denn der Ostblock boykottierte die Olympischen Spiele in Los Angeles 1984.

Heutzutage fragen viele Sportjournalisten, ob damals eigentlich alles mit rechten Dingen zuging. Das Anabolika-Doping hatte Hochkonjunktur. Kratochvílová war bereits 32 Jahre alt, trotzdem verbesserte sie ihre Leistungen auf sagenhafte Weise. Und dann noch dieser vor Muskeln strotzende Körper. Doch Dopingvorwürfe weist Jarmila Kratochvílová zurück.

„Ich sage dazu nur: Alle Journalisten, die so etwas schreiben, haben mich damals nie trainieren sehen.“

Ihr Trainer Miroslav Kváč galt als Schleifer. Vor den Olympischen Spielen 1980 ließ er seinen Schützling beispielsweise mit Gasmaske und neun Kilogramm schwerer Bleiweste durch knöcheltiefes Wasser laufen. Und Kratochvílová war von Hause aus an harte Arbeit gewöhnt: Sie wuchs auf einem Bauernhof in Ostböhmen auf, wo sie regelmäßig Kartoffelsäcke schleppte und Heu mähte.

Jarmila Kratochvílová  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Mittlerweile ist Jarmila Kratochvílová 62 Jahre alt. An das Muskelpaket von damals erinnert ihre Statur nicht mehr, sie ist eher schlank, aber sportlich. In der Stadt Čáslav, nahe ihrem Heimatort, trainiert sie im Leichtathletikverein den Nachwuchs. Das macht sie sogar unentgeltlich. Sie habe Kinder gern, sagt die Frau, die selbst nie eine Familie gegründet hat.

Ganz allgemein interessiert sie sich immer noch für das Geschehen in der Leichathletik. Kratochvílová schaut sich Live-Übertragungen an, zum Beispiel von der Diamond League. Und vor allem die Rennen der Frauen über 800 Meter:

„Solange das Rennen läuft, bin ich aufgeregt, manchmal habe ich sogar die Stoppuhr in der Hand. Und ich atme dann immer auf, wenn mein Weltrekord wieder nicht unterboten wird.“

Autor: Till Janzer
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