Selbstverbrennung vor 54 Jahren: Jan Palach im tschechischen Geschichtsunterricht

Vor 54 Jahren verbrannte sich Jan Palach selbst. Durch seine Tat wollte der junge Student die Bevölkerung aus der Lethargie erwecken. Diese herrschte in der Tschechoslowakei nach der Niederschlagung des Prager Frühlings im August 1968. An Palachs Protestakt gegen das kommunistische Regime wird hierzulande regelmäßig gedacht. Aber wie lässt sich das Ereignis im Geschichtsunterricht vermitteln?

August 1968 | Foto: Archiv Post Bellum

Der Geschichtsunterricht in der Klasse von Matyáš Borovský beginnt für die Schüler anders als sonst. Der Lehrer des tschechisch-englischen Gymnasiums Amazon in Prag startet die Stunde mit der letzten erhaltenen Tonaufnahme von Jan Palach. In dem Dokument aus dem Krankenhaus sagt der Student, es sei nötig, gegen das Böse zu kämpfen. Den Unterricht von Matyáš Borovský besucht auch die 18-jährige Barbora:

„Palachs Geschichte ist wichtig. Denn durch sie wird einem klar, dass Freiheit keine Selbstverständlichkeit ist und wir sie auch heute noch zu schätzen wissen sollten.“

Jan Palach | Foto: Michaela Danelová,  Tschechischer Rundfunk

Jan Palach ging vor 54 Jahren in die Geschichte ein. Der damalige Student der Prager Karlsuniversität wollte die tschechoslowakische Gesellschafft wachrütteln. Denn nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes im August 1968 herrschte Lethargie im Land. Der Prager Frühling war vorbei, stattdessen bahnte sich die Zeit der Normalisierung an. Während dieser kam es später unter anderem zu politischen Säuberungen und einer Wiedereinführung der Zensur.

Um ein Zeichen zu setzen, wählte Palach einen drastischen Schritt: Am 16. Januar 1969 zündete er sich auf den Treppen des Nationalmuseums in Prag selbst an. Drei Tage später erlag er in einem Krankenhaus den Folgen seiner Verletzungen. Es folgten Demonstrationen, Jan Palach galt von nun an als Märtyrer für eine freie Tschechoslowakei.

Jan Palachs Mutter Libuše Palachová  (Mitte) | Foto: Archiv bezpečnostních složek

An den jungen Studenten wird alljährlich am Tag seiner Selbstverbrennung in ganz Tschechien bei verschiedenen Veranstaltungen gedacht. So legen etwa Politiker und weitere Vertreter des öffentlichen Lebens Kränze nieder. Palachs Geschichte wird aber auch im Schulunterricht vermittelt. Lehrer Matyáš Borovský setzt dabei nicht nur das genannte Video ein. Er verwendet auch Zeitungsartikel von früher sowie historische Flugblätter. Diese Methode habe sich bewährt, berichtet der Pädagoge in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

„Der Vorteil ist, dass die Schüler die Ereignisse wirklich begreifen. Das ist ganz etwas anderes, als bloß Daten zu büffeln.“

Jan Palach-Gedenkveranstaltung in Prag | Foto: Kristýna Maková,  Radio Prague International

Denn durch das in Tschechien weit verbreitete Auswendiglernen bliebe bei den Kindern und Jugendlichen am Ende nur wenig hängen. Oft verwechselten die Schüler etwa Jan Palach mit anderen wichtigen historischen Persönlichkeiten, die den gleichen Vornamen hätten, beschreibt Borovský:

„Das liegt daran, dass wir ab der Grundschule von den Kindern verlangen, sich möglichst viele Namen einzuprägen. Und das nennen wir dann Geschichtsunterricht.“

Dass man Geschichte – und besonders die Ereignisse rund um die Selbstverbrennung Jan Palachs – anders vermitteln müsse, findet auch Jaroslav Pinkas. Er lehrt Geschichtspädagogik an der Prager Karlsuniversität:

„Dieser Stoff kann wirklich nicht frontal weitergegeben werden. Palachs Tat war so komplex, dass vor allem Grundschüler oft noch nicht so weit sind, die Umstände nachzuvollziehen.“

Beerdigung von Jan Palach | Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks

Aus diesem Grund fördert seit einigen Jahren auch das tschechische Bildungsministerium Geschichtsunterricht. So wurde etwa das Programm „Geschichte plus“ (Dějepis+) ins Leben gerufen. Dieses unterstützt moderne Methoden bei der Vermittlung der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Bisher haben sich rund 400 Schulen an dem Projekt beteiligt.

16
50.07943736040695
14.430394204381997
default
50.07943736040695
14.430394204381997