Sprachdefizite: Viele Kinder mit Migrationshintergrund verlassen Sekundarschulen
Sie lernen gut, sie sind motiviert, aber Tschechisch ist für sie eine Fremdsprache. Aufgrund ihrer mangelnden Tschechisch-Kenntnisse haben Kinder mit Migrationshintergrund hierzulande oft Schwierigkeiten, ihre Ausbildung abzuschließen.
Tausende Kinder aus ausländischen Familien besuchen in Tschechien eine Grundschule. Manche wurden hierzulande geboren, sprechen in ihren Familien aber eine andere Sprache, und andere sind erst später ins Land gekommen. Nach dem Abschluss der Grundschule ist es für sie schwierig, die Aufnahmeprüfungen für eine weiterführende Schule zu bestehen.
„Ich lebe hier seit meiner Geburt und spreche normal Tschechisch. Aber überraschenderweise ist die Sprache für mich im Alltag, also bei der Arbeit und in der Schule, immer noch ein Problem."
Soweit der 20jährige Vietnamese Míša Bui in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks. Bei ihm zu Hause wird nur Vietnamesisch gesprochen. In der Grundschule hatte er noch mehr ausländische Klassenkameraden, und seine Lehrer konnten ihnen beim Tschechisch helfen. Am Gymnasium begannen aber die Schwierigkeiten:
„Ich musste auf einem Niveau kommunizieren, das ich bis dahin nicht kannte. Es war für mich, wie eine neue Sprache zu erlernen. Damit war ich nicht einverstanden und wechselte daher zur Fachschule.“
Doch auch an der Schule für Hotel- und Gastgewerbe, vor allem bei Praktika in der Küche, stolperte Míša über seine mangelnden Sprachkenntnisse. Heute setzt er die Ausbildung per Distanzunterricht fort.
Viele junge Zugezogene lassen sich durch sprachliche Misserfolge entmutigen. Von allen, die in Tschechien die Aufnahmeprüfung zur Sekundarschule bestehen, bricht mehr als die Hälfte ab. Das sind jedes Jahr etwa 4500.
Die gemeinnützige Organisation META setzt sich seit 2004 für den gleichberechtigten Zugang von Migranten zu Bildung und beruflicher Integration ein. Die Grundschulen sind seit September letzten Jahres verpflichtet, Tschechisch-Kurse für ausländische Schüler anzubieten. Die Unterstützung sei aber unzulänglich, sagt Kristýna Titěrová von META:
„Es besteht ein grundlegender Mangel an sprachlicher Vorbereitung in der Zeit vorher. In der Sekundarstufe fehlt dann die Unterstützung in der Fachsprache und bei Praktika.“
Laut Titěrová werden Kinder aus Zuwandererfamilien sogar oft gedrängt, ihre Schulpflicht zu unterbrechen, um Tschechisch zu lernen, und dann zurückzukommen.
„Aber sie haben oft keinen Anlaufpunkt, wo sie Tschechisch lernen können. Viele dieser Schüler landen daher außerhalb des Bildungssystems. Die Auswirkungen auf die Gesellschaft sind enorm, da das Potenzial dieser Schüler verloren geht. Es mangelt an qualifizierten Arbeitskräften, obwohl es diese durchaus gibt. Und das hat auch Auswirkungen auf die Wirtschaft.“
Nach Angaben des Forschungsinstituts PAQ Research entgehen der Staatskasse für jede Person, die nur über eine Grundausbildung verfügt, etwa 2,5 Millionen Kronen (102.000 Euro). Nach den Berechnungen von META würde eine Sprachausbildung für ausländische Kinder weniger als 29.000 Kronen (1185 Euro) pro Jahr kosten.
Die Organisation erörtert derzeit mit dem Bildungsministerium, wie man die Sprachförderung in weiterführenden Schulen verbessern und Tschechisch-Vorbereitungskurse vor den Aufnahmeprüfungen anbieten kann. Das Ministerium will Ende Januar eine Broschüre für Sekundarschulen veröffentlichen mit Informationen über die Unterstützung ausländischer Schüler und eine Analyse in Auftrag geben.