Stadtgericht: Kabinett ging gesetzwidrig vor

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Das Prager Stadtgericht hat am Donnerstag vier der Corona-Sondermaßnahmen gekippt, die das Gesundheitsministerium erlassen hat. Das Urteil betrifft mit Wirkung ab kommendem Montag (27. April) jene Regelungen, die die Freizügigkeit und den Einzelhandel beschränken.

Stadtgerichtsgebäude  (Foto: GFreihalter,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0)

Štěpán Výborný  (Foto: ČT24)
Das Gericht bezeichnete diese als gesetzwidrig, da die Regierung damit eine Reihe von Grundrechten verletzt habe, ohne gemäß dem Krisengesetz zu handeln. Senatsvorsitzende, Richter Štěpán Výborný, dazu:

„Das Gericht hat es für wichtig befunden und entschieden, dass sich die Organe staatlicher Macht nicht nur im Normalfall, sondern auch im Notstand strikt an das gesetzliche Vorgehen halten. Das gilt besonders bei Einschränkungen persönlicher Rechte und Freiheiten.“

Im Kern geht es darum, dass nicht das Regierungskabinett als Ganzes die Sondermaßnahmen erlassen hat, sondern letztlich nur das Gesundheitsministerium. Da das Urteil erst ab 27. April gilt, hat die Regierung noch Zeit, erneut über die Maßnahmen zu entscheiden.

Jiří Kindl  (Foto: Archiv von Jiří Kindl)
Das Gesundheitsministerium erwägt zudem auf das Urteil zu reagieren, wie dessen Rechtsanwalt Jiří Kindl mitteilte:

„Wir sind der Meinung, dass das Gericht nicht richtig entschieden hat und das Gesundheitsministerium laut dem Gesetz über den gesundheitlichen Schutz berechtigt ist, derartige Schritte zu unternehmen. Wir warten noch auf die schriftliche Begründung des Urteils. Anschließend entscheiden wir, wie wir weiter vorgehen werden.“

Das Ministerium kann dem Stadtgericht zufolge eine Beschwerde beim Obersten Verwaltungsgericht in Brno / Brünn einreichen. Gesundheitsminister Adam Vojtěch (parteilos) erklärte, er werde nach einer Möglichkeit suchen, um dem Urteil zu folgen und dabei die Maßnahmen aufrechtzuerhalten, die seiner Meinung nach im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus wichtig sind.

Mit dem Urteil entsprach das Stadtgericht einer Klage des Juristen Ondřej Dostál. Der Experte im Bereich Gesundheitsrecht kommentierte am Donnerstag das Urteil:

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„Die heutige Gerichtsentscheidung ist zweifelsohne nicht überflüssig. Sie hat bewiesen, wer über der Regierung und über dem Gesundheitsminister steht. Zudem wurde gezeigt, auf welchem Weg eine Überprüfung durch ein Gericht erreicht werden kann. Für die Demokratie ist es äußerst wichtig, auch wenn es ein wenig kompliziert war.“

Dostál zufolge sind die vom Gesundheitsministerium erlassenen Vorschriften chaotisch und nicht entsprechend begründet worden. Das Urteil könne letztlich auch Unternehmern helfen, glaubt der Rechtsexperte:

„Die Entscheidung des Gerichts kann einen Ersatz für jene Schäden begünstigen, die durch die Maßnahmen entstanden sind. Ich denke, dass für den Zeitraum, in dem die nun aufgehobenen Regelungen galten, Möglichkeiten für einen Schadenersatz entstehen.“

Tomáš Prouza  (Foto: Jana Přinosilová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Auch der Vorsitzende des Handels- und Tourismusverbands, Tomáš Prouza, ist davon überzeugt, dass auch jene Firmen einen Schadenersatz beantragen können, die bisher keine Hilfe vom Staat bekommen haben. Prouza merkte zudem an, dass die Mehrheit der Unternehmer dem Regierungskabinett nicht mehr vertraue.

„Ein Großteil der Unternehmer versteht, wie ernst die Lage ist. Hätte die Regierung einen Vorschlag gemacht, um sich mit ihnen auf eine Lösung zu einigen, wäre dies von der Mehrheit akzeptiert worden. Da das Kabinett aber zu diesem Trick mit der Übertragung der Maßnahmen an das Gesundheitsministerium gegriffen hat, wurde das Vertrauen in die Regierung stark erschüttert.“

Premier Andrej Babiš (Partei Ano) bezeichnete das Gerichtsurteil, das bereits rechtskräftig ist, als absurd. Die Opposition fühlt sich durch das Urteil in ihren Befürchtungen bestätigt, dass die Regierungskoalition im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie gesetzwidrig vorgeht. Vertreter der Piratenpartei erklärten, sie hätten auf die Risiken von Anfang an aufmerksam gemacht. Laut der Vizevorsitzenden der Piraten, Olga Richterová, darf so etwas der Regierung nie wieder passieren:

Vít Rakušan  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Die Regierung hat die Grundprinzipien des Rechtsstaats missachtet. Sie hat aus bestimmten Gründen entschieden, die Entscheidungen an das Gesundheitsministerium zu delegieren. Und darin besteht das Problem. Wir verlangen, dass in Zukunft die Schritte des Kabinetts klar begründet werden und nicht mehr chaotisch regiert wird.“

Der Vorsitzende des Bündnisses der Bürgermeister und Unabhängigen (Stan), Vít Rakušan, bezeichnete das Verhalten des Kabinetts als gefährlich.

„Es ist unbegreiflich, dass die Regierung aus rechtlicher Sicht auf diese Weise vorgegangen ist. Wir haben von Anfang an darauf aufmerksam gemacht, dass sie gesetzwidrig handelt.“