Starke Frauen, große Gefühle: „Phidylé“ von Kateřina Kněžíková
2021 ist zwar noch nicht zu Ende, aber schon jetzt ist es für Kateřina Kněžíková ein außergewöhnlich erfolgreiches Jahr. Die Sopranistin hat im Mai ihr Album „Phidylé“ veröffentlicht. Im Interview mit Radio Prag International verriet die Künstlerin die Geschichte hinter dem Albumtitel und noch einiges mehr.
Neben ihrer neuesten Veröffentlichung bekam Kateřina Kněžíková vor allem für ihre Auftritte beim Opernfestival Glyndebourne in Großbritannien hervorragende Rezensionen. Zu sehen war sie dort in der Hauptrolle der Oper „Káťa Kabanová“ (Katja Kabanowa) von Leoš Janáček. Noch mehr Freude als darüber, einen ihrer Lieblingskomponisten zu präsentieren, hatte die Künstlerin nach den Einschränkungen in der Corona-Pandemie vor allem an dem anwesenden Publikum:
„In diesen Zeiten ist das keine Selbstverständlichkeit. Online-Konzerte ohne Publikum haben nicht die gleiche Energie. Immer habe ich dabei das Gefühl, als würde ich nur etwas aufnehmen und könnte dies jederzeit korrigieren. In Glyndebourne sind wir vor einem zu 75 Prozent ausgelasteten Zuschauerraum aufgetreten. Ich konnte mich kaum auf meine Rolle oder auf meinen dramatischen Auftritt konzentrieren. Vielmehr hatte ich das Bedürfnis, den Menschen zuzuwinken und zu versichern, dass wir uns gegenseitig sehen. Es war toll, dass wir das gemeinsame Erlebnis teilen konnten.“
Anders als bei dem Repertoire für Glyndebourne hat Kněžíková für ihr aktuelles Album „Phidylé“ eine Reihe von Liedern aus der Zeit des Impressionismus ausgewählt. Bei der Annäherung an die jeweiligen Kompositionen mache es für sie aber kaum Unterschiede, ob es sich um Lieder oder Arien handle, sagt die Sängerin:
„Wenn ich beginne, neues Material einzustudieren, ist für mich immer der Text am wichtigsten. Ohne ihn kann ich in die Musik keine Emotionen legen. Es ist klar, dass ich wissen muss, worüber ich singe. Aber ich muss auch den Plan verstehen, warum an einer Stelle ein bestimmtes Wort und nicht ein anderes benutzt wird. Ich will den Zusammenhang zwischen Text und Musik erkennen. Darum beschäftigte ich mich damit immer sehr lange, auch im Falle von Opern. Das Liedergenre ist für mich aber die Krönung. Dort finden sich wunderschöne Gedichte. Ich blühe jedes Mal richtiggehend auf, wenn ich etwas Neues lesen kann.“
Die Lieder auf „Phidylé“ stammen nicht nur von tschechischen Komponisten. Zu hören sind auch Werke des Polen Karel Szymanowski oder des Franzosen Maurice Ravel. Vor allem aber habe Kněžíková lange schon geplant, den Liederzyklus „Kouzelná noc“ von Bohuslav Martinů einzusingen:
„Dieser Zyklus ist bisher noch von keiner tschechischen Sopranistin aufgenommen worden. Das war also ein langgehegter Wunsch von mir. Die Lieder habe ich vor vielen Jahren für das Festival in Litomyšl einstudiert. Schon damals fand ich sie wunderbar. Seitdem habe ich immer wieder an sie gedacht und auf eine Gelegenheit gewartet, sie aufzunehmen.“
Ihr Kollege und guter Freund, der Dirigent Robert Jindra, habe sie zudem an die Werke von Henri Duparc herangeführt, ergänzt Kněžíková. Dies sei eine echte Entdeckung gewesen:
„Seine Lieder haben mich stark berührt und völlig entwaffnet. Ich fuhr gerade im Auto, als ich das Lied ‚Phidylé‘ das erste Mal gehört habe. In dem Moment hielt für mich die Welt an, und ich habe sofort gewusst, dass ich das ganze Album so nennen muss. Damals hatte ich noch keine Ahnung, wer Phidylé war und welches Schicksal diese wahre Figur hatte. Horatio hat ihr ein Sonett gewidmet.“
In dem Sonett geht es um eine Frau vom Lande, die mit überschwänglichen Opfergaben an die Götter ihren einfachen Stand überwinden will. Ohne die Möglichkeit, ihre angestammte Lebenswelt verlassen zu können, verspürt sie eine große Sehnsucht, Neues kennenzulernen und ihr Leben zu bereichern. Kněžíková wiederum hat die Lieder auf dem nach Phidylé benannten Album mit einer Orchesterbegleitung bereichert. Dies ist bei dem Genre nicht unbedingt üblich, meist werden Liedtexte nur zum Klavier dargeboten. Die Sängerin ist aber bewusst anders vorgegangen:
„Ich sage immer, dass ich zwar das gleiche Material nutze, es aber mit anderen Zutaten würze. Dadurch kommt etwas anderes heraus. Das Klavier ist dieses Mal etwas zurückhaltender. Es ist ein großer Unterschied, ob die Lieder ursprünglich für ein Orchester verfasst wurden und dann nur ein Klavier eingesetzt wird – oder ob es andersherum ist. Man muss sie im großen Format begreifen und trotzdem die Finessen und Textdetails beachten. Ich hatte ein tolles Team um mich herum, und obwohl wir uns für die Orchesterbegleitung entschieden haben, ist etwas sehr Inniges und Intimes entstanden.“
Demnächst steht auch schon die Veröffentlichung eines neuen Albums an, für das Kněžíková ein klassisches Liederrepertoire von Gabriel Fauré, Claude Debussy, Antonín Dvořák, Franz Schubert und Johannes Brahms zusammengestellt hat. Neben Auftritten in Boston, Rom oder Bamberg wird die Sopranistin zudem in Dvořáks „Rusalka“ in der Prager Staatsoper oder auch in Mozarts „Cosi fan tutte“ zu sehen sein.