Stiftung "Vize 97"öffnet renovierte Kirche im Prager Stadtzentrum

Die St. Anna-Kirche nach der Renovierung (Foto: Autorin)

Kaum jemand von den Passanten ahnt, dass sich hinter den Häusern auf dem Annaplatz in der Prager Altstadt eine einzigartige Sehenswürdigkeit verbirgt, die schon vor Jahren in Vergessenheit geraten ist. Am Dienstag wurden die Räumlichkeiten der einstigen mittelalterlichen St. Lorenz-Kirche, die von der von Ex-Präsident Václav Havel und seiner Frau Dagmar gegründeten Stiftung "Vize 97" (Vision 97) renoviert wurden, zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Martina Schneibergova berichtet.

Dagmar Havlova,  Vaclav Havel und Eva Jiricna  (Foto: Autorin)
Das frühere Sakralgebäude ist unter den Pragern eher als die St. Anna-Kirche bekannt. Das Ursprüngliche, was man heute in der Kirche sehen kann, stammt aus der Zeit Karls IV. und ist, wie Václav Havel sagte, dank verschiedener Zufälle erhalten geblieben. Er räumte ein, als er einst im "Theater am Geländer" auf dem Annaplatz wirkte, nicht gewusst zu haben, dass sich ein so wertvolles Objekt fast direkt gegenüber dem Theater befindet. Auf die Existenz der einstigen, jedoch längst nicht mehr benutzten Kirche wurde das Ehepaar Havel von Theologieprofessor Tomás Halík aufmerksam gemacht. Der Ort ist interessant und er regt zum Nachdenken über die Welt, ihre Geheimnisse und darüber an, was wir nicht wissen und vielleicht auch nie erfahren werden, sagte der Ex-Präsident:

"Wir wären froh, wenn dieser Raum in Zukunft belebt wird, dass er nicht nur eine historische Sehenswürdigkeit bleibt, die sich von Zeit zu Zeit jemand anschaut. Wir möchten, dass der Raum lebt, und haben ihn daher eine ´Prager Kreuzung´ genannt. Wir stellen uns vor, dass hier allmählich - und dies kann noch lange dauern - eine Art ständige Institution entsteht, wo sich verschiedene Begegnungen, Konferenzen, Vorstellungen, Happenings und gesellschaftlicher Ereignisse abspielen werden. Wir möchten, dass die Räumlichkeiten wirklich zu einer internationalen Kreuzung gesellschaftliche und geistlicher Strömungen der Zeit werden."

Das Fresko in der St. Anna-Kirche  (Foto: Autorin)
Bislang hat sich die Stiftung "Vize 97" auf die Renovierungsarbeiten konzentriert, jetzt wird sie Havel zufolge ihre Aufmerksamkeit auf die Dramaturgie, also den Betrieb des Objektes lenken.

Am Dienstag, am Geburtstag von Václav Havel, wurde in dem renovierten Gebäude der Preis der Stiftung "Vize 97" verliehen. Er ging diesmal an den tschechischen Mathematiker und Philosophen Martin Vopenka.

Die St. Anna-Kirche nach der Renovierung  (Foto: Autorin)
Die Renovierung der ehemaligen Kirche nach dem Entwurf der renommierten britisch-tschechischen Architektin Eva Jiricná stellt das bisher größte Kulturprojekt der Stiftung dar. In den mittelalterlichen Räumlichkeiten sind u. a. ein Podium, eine Metalltreppe sowie Stahlsteifen errichtet, die an das gotische Gewölbe erinnern, das im 19. Jahrhundert niedergerissen wurde. Die Wände mit Fragmenten wertvoller Fresken, die noch restauriert werden, sehen auch so aus, als ob sie noch der Renovierung bedürfen. Nach den Worten der Architektin werden sie jedoch absichtlich so gelassen, um die einzelnen historischen Schichten zu bewahren.

Architekt Zdenek Lukes sprach sich sehr lobend über das renovierte historische Objekt aus:

"Für einen Architekturhistoriker ist es ein herrliches Gefühl, wenn ein Bau, der für Jahrhunderte in Vergessenheit geraten ist und auf eine drastische Art und Weise beschädigt wurde, eine neue Aufgabe bekommt und für die Öffentlichkeit geöffnet wird."