Stimmen und Meinungen zur bevorstehenden EU-Osterweiterung
Wie europäisch ist die europäische Union an den neuen Binnengrenzen? Innovationen, Investitionen, florierende Nachbarschaft, aber auch Angst vor Arbeitsplatzverlust und wachsender EU-Bürokratie: das sind einige der Schlagwörter, mit denen sich die Menschen dies- und jenseits der Noch-EU-Außengrenze beschäftigen. Die Oberlausitz ist nicht nur der äußerste, südöstlichste Zipfel Deutschlands, sondern auch eine Modellregion der neuen, künftigen EU, wo Tschechien, Sachsen und Polen direkt aufeinander treffen. Danilo Höpfner hat sich in der Region umgehört.
"Dieses Gewerbegebietsprojekt richtet sich an kleine und mittelständige Unternehmen, aus dem In- uns Ausland, die nicht direkt den Schritt auf die Märkte in Polen und Tschechien wagen wollen, insbesondere aus rechtlichen aber auch aus anderen Überlegungen heraus, da gibt es eben hier die einzigartige Möglichkeit, dass man hier innerhalb weniger Meter diese Produktionsstätten und damit die Vorzüge aller drei Länder, wie Kosten, Entwicklung und Vertrieb, nutzen kann."
Die Zittauer Firma Technocoat produziert Metallbeschichtungen z.B. für Uhren und Schreibwaren und hat sich bereits auf dem Gebiet des Grenz- Gewerbeparks angesiedelt. Hier, auf deutsche Seite arbeiten auch die beiden tschechischen Brüder Thomas und David Novonty in einer Ausbildung. Schon jetzt, gut ein Jahr vor der Osterweiterung der EU bietet die Region Zittau den Polen und Tschechen interessante Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten.
"Die Zukunft wird zeigen wo wir hingehen, aber wenn es so gut bleibt, dann bleiben wir hier. Außerdem wohnen wir 20 km hinter der Grenze, deshalb sind wir hier. Leute die die Sprache können, bestimmte Fähigkeiten haben, werden bestimmt gebraucht. Die Städte, die zusammen liegen, da sind die Leute gewohnt, dass sie zusammenleben und zusammenarbeiten."
Technocoat hat bereits Produktionspartner in den beiden Nachbarländern gefunden, allerdings mit unterschiedlicher Qualität. Während der Chef der Firma Technicoat bei seinen tschechischen Partnern ins Schwärmen gerät, stößt die deutsch-polnische Partnerschaft des öfteren an ihre Grenzen. Geschäftsführer Scholz:
"Wir haben polnische Kooperationen für Zulieferungen, aber, das ist nicht genug qualifiziert. Wir haben Interesse, das zu machen, haben aber auch oft die Zusammenarbeit abbrechen müssen, weil's eben ein Mentalitätsproblem gegeben hat, es ging immer ein bissl langsam bei den Polen, das sind so Sachen, die haben uns das Leben schwer gemacht...dann haben wir Firmen in Prag, die uns zuliefern, die ein unglaublich gutes Know-how haben, mit denen, wir sehr gut zusammenarbeiten."
Keiner muss sich über die Folgen der EU-Osterweiterung sorgen, heißt es immer wieder aus Brüssel, Dresden und Prag. Doch jenseits der großen Verlautbarungen bleiben die Ängste und Befürchtungen, auf allen Seiten. Einige Davon sind in der Tat schnell ausgeräumt, andere nicht. Matthias Schwarbach, stellvertretender Landrat des Grenz-landkreises Löbau-Zittau:
"Wir haben eine Arbeitslosigkeit, die es notwendig macht, noch mehr Arbeitsplätze zu schaffen, um ein "Normalmaß" zu erreichen. Parallel dazu wissen wir natürlich auch, dass die Osterweiterung der Eu zu weiterer Arbeitslosigkeit, vor allem in CZ und PL, wenn auch in schwacher Form, beitragen wird."
Das gleiche Problem gibt's auch aus tschechischer Perspektive: Nach der Aufnahme des Landes in die EU müssen viele Firmen, gerade in der Grenzregion, höhere Löhne zahlen müssen, um nicht das gesamte Fachpersonal zu verlieren. Hedvika Zimmermannova ist stellvertretende Bürgermeisterin der Grenzstadt Hradek nad Nisou und spricht aus, was viele in der dortigen Grenzregion bewegt:
"Ich kann mir nicht vorstellen, wie das anfangs laufen soll. Das wird nicht so einfach sein, weil das ist nicht wie die Wiedervereinigung Deutschlands ist, wo die starke Hälfte der schwächeren helfen konnte. Aber wer hilft hier, auf -der- Seite? Das wird ein harter Kampf, für die Zukunft ist das eine Interessante Idee, dass das ein gemeinsames Europa ist, aber am Anfang wird das ein großes Problem für die Leute, die sich nicht durchbringen können. Die Leute erwarten manchmal etwas mehr als das was wird und können sich vieles nicht vorstellen..."
Soviel zu diesem Thema. Nun noch Reisen in die Tschechische Republik sind in der Regel recht unkompliziert. Der Grenzer wirft einen kurzen Blick auf den Ausweis, es reicht sogar die ID-Card und schon ist man da. Doch in diesen Genuss kommen leider nicht alle, die einen deutschen Pass besitzen: Studenten zum Beispiel, die für ein oder zwei Semester im Nachbarland studieren wollen. Ihnen stellt sich gleich zu Beginn ein Geflecht aus deutsch-tschechischer Bürokratie und Unwissenheit an den jeweiligen Universitäten gegenüber. Noch einmal Danilo Höpfner aus Leipzig.
Als Student braucht man ein Visum, genauer gesagt ein Studentenvisum. Soweit so gut, doch im Normalfall ist es nämlich schlichtweg unmöglich, die Aufenthaltsbewilligung für das Studium rechtzeitig zu erhalten. Deshalb halten sich viele Studenten als Touristen, und damit illegal auf. Braucht man das Visum wirklich? Frank Dietze, immatrikuliert an der Universität Leipzig, studierte die letzten beiden Semester an der Karlsuni in Prag:
"Man bräuchte es schon generell. Das Konsulat in DD war eine bekannte Adresse, der Antrag wurde von mir auch bestellt und zugeschickt, mir wurde aber von Freunden und Bekannten abgeraten wurde ein Visum für CZ zu beantragen, da der Aufwand größer ist als der Nutzen dessen. Man müsste das Visum nicht nur in DD beantragen, sondern auch ein polizeiliches Führungszeugnis, dann muss das übersetzt werden... Es ist der Kosten und der Zeitaufwand, warum ich's gelassen hab..."
Diese und ähnliche Erfahrungen machen auch viele andere. Studenten, die sich dennoch durch den Papierkrieg durchkämpfen, bereuen dann oft ihre Entscheidung. So auch Katharina Hinderer aus Leipzig, die ebenfalls in Prag studierte:
"Das hat sich im ganzen nicht so gelohnt für ein Semester, weil ich mit dem ganzen Nachreichen von Unterlagen beschäftigt war und so wars dann nur noch ein Monat bis zum Ende des Semesters und so hab ich dann nur noch ein Touristenvisum bekommen und keine Aufenthaltsgenehmigung..."
Bürokratie ist durchaus keine tschechische Erfindung. Auch tschechische Studenten haben ihre Probleme mit den deutschen Behörden. Doch, auch die Unis sind am Ärger der Studenten nicht ganz unschuldig. Studenten werden oft nur mangelnd über die notwendigen Unterlagen informieren. So geschehen, Jan Tresnak, der vor wenigen Wochen aus Prag nach Leipzig zum Studieren kam:
"Ich habe hier mit einem Papierberg angefangen, ich hatte kein Visum, das war absolut schrecklich, umständlich, ich habe das Visum erst später bekommen, viel später als ich es gebraucht hätte. Die Ausstellung eines Visums dauert ein bis drei Monate. Und als ich dann hier an die Uni zur Einschreibung kam sagte man mir, um sich zu immatrikulieren und im Wohnheim wohnen zu dürfen brauchen Sie Visum, und zwar sofort. Glücklicherweise hat man mich dann doch eingeschrieben, mit dem Versprechen das ich geben musste, das Visum so schnell wie möglich nachzuweisen."
Ein weiteres Problem: die deutsche Botschaft in Prag gibt das Visum nur für drei Monate aus. Das Studium, sei es auch nur für ein Semester, dauert in jedem Fall länger. Im Frühjahr stellte das Deutsch-tschechische Jugendform in Berlin eine Studie vor, die sich mit den Problemen bei Studienaufenthalten im jeweils anderen Land befasst. Kritisiert wurde darin u.a. die komplizierten Verfahren zur Erteilung der Aufenthaltsgenehmigungen, doch spürbare Änderungen gibt es bisher keine.
Die Unis Prag und Leipzig sind übrigens Partneruniversitäten, doch von Partnerschaft spüren die Studenten hier recht wenig. Wird ein Student ohne Visum entdeckt, droht ihm die Ausweisung aus dem Land und Einreiseverbot. So klingen zumindest die offiziellen Drohungen. Doch es hat sich schon herumgesprochen, dass man in Tschechien zwar gern viele Papiere sieht, doch weder die Unis noch die Behörden von Deutschen ein Visum erwarten. Und so studiert die Mehrheit der in Tschechien eingeschrieben Studenten aus Deutschland weiter "schwarz", ohne Visum. Noch einmal Frank Dietze:
"Ich war sowieso erstaunt wie alles ablief, so wie der andere Kram, und es war wirklich nur Papierkram der übern Tisch flog und kein Mensch irgendwie nach irgendetwas fragte, so fiel eben auch die Frage nach dem Visum aus. Genauso wenig wie man sich an der Karlsuni in Prag um einen kümmert, genauso wenig kümmert man sich ums das Visum. Niemanden interessant, was man macht."