Stockender Verkehr zwischen Tschechien und Deutschland – Abhilfe lässt auf sich warten

Zug aus München nach Prag (Foto: Marcel Lober, Bahnbilder)

Die Beziehungen zwischen Tschechien und Deutschland sind angeblich so gut wie nie zuvor. Regelmäßig betonen dies Politiker und Diplomaten beider Seiten, zuletzt bei der Feier zur Deutschen Einheit am Montag vergangener Woche in der deutschen Botschaft in Prag. Zugleich gibt es kaum ein mühseligeres Unterfangen, als eine Reise zwischen beiden Ländern. 22 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs lässt sich einzig die Autobahnverbindung zwischen Prag und Nürnberg als wirklich zufriedenstellend bezeichnen. Ansonsten geht es zum Teil sehr langsam voran. Erklärungen für den Missstand zu finden sind schwierig, deswegen richten die Politiker den Blick lieber nach vorne – in die Zukunft.

Zug aus München nach Prag  (Foto: Marcel Lober,  Bahnbilder)
Prag, Hauptbahnhof, der Zug aus München ist eingetroffen. Betrieben wird er vom privaten Anbieter Alex. Doch das ist nicht der Grund dafür, dass der Reisende fast sechs Stunden Sitzfleisch braucht für die 440 Kilometer lange Strecke. Vielmehr ist etwas grundlegend schief gelaufen. Tschechien modernisierte die Strecke Pilsen-Cheb, während Deutschland den Eurocity auf dieser Strecke abschaffte und der Fernverkehr seitdem über die Trasse Pilsen-Furth im Wald läuft. Die Folge: Von Böhmen nach Bayern gibt es keine einzige halbwegs schnelle Bahnverbindung.

Pavel Dobeš ist als Verkehrsminister erst kurz im Amt. All die Fehler der Vergangenheit hat der End-Zwanziger schwerlich mitverfolgen können. Doch welche Gründe sieht er für diesen katastrophalen Zustand? Gegenüber Radio Prag bemühte sich der Minister um eine diplomatische Antwort:

Pavel Dobeš
„Ich würde sagen, es gibt wohl zwei Gründe. In erster Linie haben wohl die nötigen Überlegungen gefehlt, was den Bedarf der Verbindung zwischen der Tschechischen Republik und Bayern anbetrifft. Das liegt zum einen an den hohen Kosten für den Ausbau der Verbindungen, denn sie führen über höher gelegenes und hügeliges Gebiet. Zum anderen kam es in den vergangenen Zeiten nicht zu aktiven Planungsprozessen auf beiden Seiten und es wurde nicht das entsprechende Interesse signalisiert.“

Deswegen ist jegliche Beschleunigung willkommen. Die Deutsche Bundesbahn will mit dem Winterfahrplan nun einen Expressbus auch zwischen Prag und München einsetzen, so wie er bereits zwischen Prag und Nürnberg verkehrt. Dazu Norbert Giersdorff von der Pressestelle der Deutschen Bahn AG:

„Wir wollen eben schneller sein als die bisherige Eisenbahnverbindung, die Reisezeit beträgt etwa 4:45 Stunden. Die Busse fahren viermal täglich in jede Richtung, wobei zwei Verbindungen aus München nach Prag außerdem am Flughafen München halten. Die Haltestelle in Prag ist direkt am Hauptbahnhof. Für die Busse, die bis in die Innenstadt von München durchfahren, ist die Haltestelle noch in Planung, sie wird aber logischerweise rechtzeitig in Betrieb gehen.“

Busse als schnellste Verbindung der Bahn - wie lange kann oder muss dies aber die Lösung sein? Verkehrsminister Dobeš war Ende September in Berlin zu Gesprächen mit seinem deutschen Kollegen Peter Ramsauer. Eine eindeutige Aussage fällt ihm sichtlich schwer:

Peter Ramsauer
„Die Lösung mit Bussen ist, sagen wir, nur eine Übergangslösung. Allerdings kann es sein, dass diese Übergangslösung mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte bestehen wird. Auf der anderen Seite kann ein Bus nicht mit einem Hochgeschwindigkeitszug konkurrieren oder ihn ersetzen.“

Hochgeschwindigkeitszüge zwischen Prag und München und auch zwischen Prag und Dresden – das ist das Lieblingsprojekt der tschechischen Politik für die tschechisch-deutschen Bahnverbindungen. Die Sache hat aber gewisse Haken. So konnten die Kosten bisher nur für eine der beiden Strecken geklärt werden:

„Das eine ist die Verbindung zwischen Prag und Dresden. Da haben wir meiner Meinung nach eine eindeutige Übereinkunft gefunden, und das auch für die Kosten-Nutzen-Analyse. Diese Analyse geht sowohl bei uns auf, wie auf deutscher Seite. Zudem bin ich froh, dass wir in Berlin auch über die Verbindung von Prag über Pilsen nach München diskutiert haben. Wir sind starken Willens, diesen Hochgeschwindigkeitskorridor umzusetzen. Die Trasse soll aber über Prag hinaus über Liberec, Breslau, Warschau bis in die baltischen Staaten führen, vielleicht sogar bis Tallinn. Hierzu haben wir bereits mit der polnischen Seite ein Memorandum abgeschlossen, und meiner Meinung nach besteht auch in Bayern Interesse an einer Verbindung Prag-München. Nichtsdestotrotz wurden wir von der deutschen Seite darauf hingewiesen, dass ihre Kosten-Nutzen-Analyse nicht aufgeht. Nun wird nach Möglichkeiten gesucht, den Bau billiger zu gestalten, indem bestehende Eisenbahnkorridore genutzt und modernisiert werden.“

Doch Hochgeschwindigkeitskorridore sind Zukunftsmusik. Rechnet man den Zeitbedarf für alle Absprachen auf bilateraler und europäischer Ebene, für die Finanzierung und für die Bauzeit zusammen, dann dürfte erst die nächste Generation von einer deutlichen Beschleunigung des tschechisch-deutschen Bahnverkehrs profitieren. Auf tschechischer Seite heißt es: bis 2050.

Politiker in Prag, aber auch bayerische Bundestagsabgeordnete der SPD drängen deswegen auch auf eine mittelfristige Lösung. Gemeint ist die Elektrifizierung der Strecke zwischen Prag und Nürnberg. Doch die hakte bisher auf deutscher Seite, so ist bis heute unklar, wann die Modernisierung des Stücks zwischen Nürnberg und Hof kommt. Der Sprecher der bayerischen SPD-Landesgruppe im Bundestag, Martin Burkert, stellte daher nach einem offiziellen Besuch in Prag fest:

Martin Burkert
„Das Problem ist bei transeuropäischen Projekten, dass sie einen sehr langen Vorlauf brauchen. Es geht jetzt um die Anmeldung dieses Projektes. Umso unverständlicher ist, dass man eine Elektrifizierung des Fahrdrahtes von Nürnberg nach Marktredwitz mit 460 Millionen Euro auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschiebt. Das ist für die Metropolregion Nürnberg nicht akzeptabel und auch für Marktredwitz nicht. Erfreulich ist, dass man über neue Trassen nachdenkt und langfristig ist Prag-München sicher der richtige Schritt. Aber man muss das eine tun und darf das andere dabei nicht lassen.“

Das Ressort von Ramsauer reagierte indes prompt auf den Protest der bayerischen SPD-Bundestagsabgeordneten bei ihrem Besuch in Prag. Das Bundesverkehrsministerium halte am Ausbau der Bahnstrecke Nürnberg-Marktredwitz-Hof/Cheb als Teil der Transeuropäischen Netz-Strecke Nr. 22 nach Athen fest, heißt es in einer Stellungnahme. Die Wirtschaftlichkeit sei 2010 bestätigt worden.

Pilsner Hauptbahnhof  (Foto: Norbert Aepli,  Creative Commons 2.5)
Und auch der tschechische Verkehrsminister Pavel Dobeš brachte jüngst aus Berlin vergleichsweise positive Nachrichten mit. Gegenüber Radio Prag nannte er genaue Daten, die er erfahren hatte:

„Auf der deutschen Seite kommt es zunächst zu einer Beschleunigung auf der Trasse Nürnberg-Hof, und daran schließt sich der Ausbau zwischen Hof und der tschechisch-deutschen Grenze an. Dort liegt der Termin, glaube ich, bei beiden Abschnitten im Jahr 2015, und darauf folgt die Elektrifizierung im Verlauf der Jahre 2017/18. Das ist nicht mehr so lange hin.“

Bis dahin soll zudem das verbleibende Stück auf tschechischer Seite fertiggestellt werden. So wird die Bahnstrecke zwischen Prag und Pilsen bis 2015 modernisiert.


Autobahn D8  (Foto: Miraceti,  Creative Commons 3.0)
Etwas besser als auf der Schiene sieht es derzeit auf der Straße aus. Zwischen Prag und Nürnberg beziehungsweise München fährt man mittlerweile durchgehend auf der Autobahn. Bundeskanzlerin Merkel hatte Mitte 2008 das fehlende Teilstück der A6 in der Oberpfalz für den Verkehr freigegeben. In Nord-Süd-Richtung, sprich zwischen Prag und Dresden beziehungsweise Berlin, besteht aber weiterhin das Nadelöhr durch das Böhmische Mittelgebirge. Der Bau dieses letzten Teilstücks der Autobahn D8 musste gestoppt werden, weil Umweltschützer gegen die Trassenführung durch ein Naturschutzgebiet gerichtlich vorgegangen waren. Verkehrsminister Pavel Dobeš hat aber bei seinem Besuch in Berlin der deutschen Seite nun einen Termin genannt:

„Hier liegt es im Sinn der tschechischen Seite, die fehlenden 14 Kilometer bis 2015 fertigzustellen, vor allem um europäische Fördergelder abschöpfen zu können. Ich hoffe sehr, dass uns das bis zu dem Termin gelingt. Derzeit ist das nicht so sehr ein technisches Problem, sondern die Notwendigkeit, möglichst wenig Fehler oder keinen Fehler bei den Gesprächen mit den Behörden des Kreises zu machen, so dass die Genehmigungen für den Bau und die Flächennutzung in Ordnung sind.“

Allerdings: Frühere Termine hatte der tschechische Staat bereits verstreichen lassen müssen. Immer wieder von Neuem hatten Umweltverbände gegen die Genehmigungen geklagt. Nun sollen Ende Oktober endgültig die Genehmigungen vorliegen, doch die Behörden befürchten, dass sich das Spiel wiederholt.

Während es bei der Autobahn D8 also um das abschließende Teilstück geht, steht der Ausbau der Schnellstraße R4 von Prag über Strakonice in Richtung Bayern noch am Anfang:

„Hier habe ich meine deutschen Partner etwas enttäuschen müssen. Aus unserer Sicht ist derzeit wichtiger, der Autobahn D3 aus Prag nach Budweis Vorrang einzuräumen und sie danach in Richtung österreichische Grenze, also Richtung Linz und Graz weiterzubauen. Auf der R4 werden währenddessen jedoch kleinere Teilabschnitte ausgebaut. Aber erst nach der Fertigstellung der Autobahn D3 erfolgt der Ausbau dieser Verbindung in Richtung Passau, Regensburg und München“, so Pavel Dobeš.

Von der über 170 Kilometer langen Autobahn D3 konnte bisher allerdings erst etwa ein Zehntel gebaut werden.