„Subtile Beeinflussung“ – Politologe Schuster über die Wahl eines neuen Fernsehchefs

Für Mittwoch dieser Woche steht die lang erwartete Wahl des neuen Generaldirektors des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens bevor. Sie findet hinter verschlossenen Türen statt und wird von einem 15-köpfigen Fernsehrat vorgenommen. Die Ratsmitglieder werden von den Abgeordneten des tschechischen Parlaments gewählt, wodurch sich auch in diesem Gremium die Mehrheitsverhältnisse widerspiegeln.

Blickt man auf die vergangenen zwanzig Jahre zurück, so war das Tschechische Fernsehen insbesondere Ende der 1990er Jahre unter starkem Druck der Politik. Dies gipfelte in der bekannten Fernsehkrise, als viele Redakteure mehrere Wochen lang den Newsroom des Senders besetzt hielten, um auf diese Weise gegen den damals neu gewählten Generaldirektor Jiří Hodač zu protestieren. In Hodač sahen sie einen Handlanger der damals faktisch regierenden großen Koalition aus Sozialdemokraten und Bürgerdemokraten. Die Protestierenden setzten sich durch, und in der Folgezeit kehrte wieder Ruhe in das Unternehmen ein. Trotzdem wurden auch immer wieder Fälle bekannt, in denen Politiker versucht haben, beim Sender zu intervenieren. Über die Kür des Generaldirektors des Tschechischen Fernsehens nun ein Gespräch mit unserem Mitarbeiter, dem Politikwissenschaftler Robert Schuster.

Robert, in vielen Ländern, in denen es öffentlich-rechtliche Medien gibt, werden diese oft zur Spielwiese von Politikern und ihren Parteien. In Deutschland konnte man dies zuletzt in Hessen beobachten, bei der Besetzung des Intendantenstuhls des ZDF. Wie sieht es diesbezüglich in Tschechien aus?

Foto: romexico / Stock.XCHNG
„Es ist interessant, dass in dieser Hinsicht die Unterschiede zwischen den Ländern mit einer längeren demokratischen Tradition, oder auch einer etwas höheren politischen Kultur wie Deutschland oder Österreich, und neuen demokratischen Ländern wie Tschechien, Slowakei oder Polen praktisch verschwinden. Politisch interveniert wird in den öffentlich-rechtlichen Sendern sowohl in Deutschland und Österreich als auch in Tschechien und den Ländern Mittel- und Osteuropas. Der spezifische Unterschied zu Tschechien ist, dass es hierzulande schon vor mehr als zehn Jahren eine riesengroße, so genannte Fernsehkrise gegeben hat, in der unzufriedene Journalisten und Reporter wochenlang den Newsroom des öffentlich-rechtlichen Fernsehens besetzt hielten, weil sie auf diese Weise gegen einen neuen, – wie sie damals meinten - politisch sehr konformen Generaldirektor protestierten. Und sie hatten damit Erfolg. Das Wichtigste aber ist, dass es damals gelungen ist, auch die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Tausende Tschechen sind täglich auf die größten Plätze des Landes gegangen und haben dort öffentlich für das unabhängige Tschechische Fernsehen protestiert. Wenn man sich dieser Hintergründe bewusst ist, sieht man, dass es doch Unterschiede gibt und die Politiker es wahrscheinlich, was die politischen Interventionen angeht, doch nicht so einfach haben.“

Einige prominente Köpfe des Fernsehens wie zum Beispiel der Polit-Talkshowmaster Václav Moravec oder profilierte Enthüllungsjournalisten befürchten, ihre Sendungen könnten nach der Wahl des Direktors beeinträchtig oder im Extremfall sogar aus dem Programm genommen werden. Sind diese Befürchtungen angebracht?

„Václav Moravec und auch andere Journalisten haben sich bereits in den vergangen Wochen geäußert, dass sie Befürchtungen hätten, die Unabhängigkeit ihrer Sendungen könnte angetastet werden. Das war eine Art Warnschuss, der zeigt, dass der neue Generaldirektor und sein Team wohl doch nicht so rabiat und sozusagen mit der Brechstange werden vorgehen können. Das können sie sich nicht erlauben, weil sich eben Leute wie Václav Moravec oder auch die Redaktion der Reporter um Marek Wollner in den letzten vier, fünf Jahren ein sehr hohes Ansehen in der Öffentlichkeit erarbeitet haben. Diese Leute kann man nicht einfach vom einen auf den anderen Tag feuern und ihre Sendungen absetzen oder ins Nachtprogramm verlegen. Allerdings weiß man natürlich erstens nicht, wie konkret die Wahl ausgehen wird, die ja sehr offen zu sein scheint. Zweitens ist unbekannt, welches Team konkret künftig die Führung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens übernehmen wird. Dies sind Dinge, die man beachten muss. Andererseits haben praktisch alle Favoriten dieser bevorstehenden Generaldirektorenwahl speziell Václav Moravec zugesichert, dass sie mit ihm als Moderator und auch der Sendung, wie sie jetzt aufgebaut ist, fest rechnen.“

Gibt es einen Kandidaten, der eine besondere Bindung an eine politische Partei hat?

Marek Wollner
„Das kann man eigentlich nicht so sagen. Da Tschechien ein kleines und überschaubares Land ist, kennt praktisch jeder jeden. Jeder Journalist ist in seinem Journalistenleben einem Politiker über den Weg gelaufen und war mit ihm mehr oder weniger verbunden und verwoben. Es stellt sich aber die Frage, was eigentlich schwerwiegender ist? Ist es eine direkte politische Verbindung zu konkreten, wichtigen Politikern oder aber Verbindungen zu großen Wirtschaftsunternehmen? Denn dies ist eine zweite Dimension, die oft vergessen wird: Bestimmte Kandidaten können mit der Unterstützung gewisser Wirtschaftskreise rechnen, und man kann daher nicht sicher sein, ob die Kandidaten dann nicht zufälligerweise deren Interessen vertreten werden in punkto Werbung und zukünftiger Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.“

Wie wird heutzutage politischer Druck ausgeübt – immer noch so, dass unzufriedene Parteimanager zum Hörer greifen und direkt beim Fernsehen anrufen?

„Es geschieht natürlich immer noch oft, dass versucht wird direkt per Telefonhörer zu intervenieren und sich über die eine oder andere Sendung zu beschweren. Aber meist läuft dies etwas subtiler. Man versucht zum Beispiel immer wieder zu diskutieren, ob die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Ordnung ist. Auf der einen Seite wird das Fernsehen ja durch Werbung finanziert, auf der anderen Seite auch durch die Fernsehgebühren. Da können die privaten Fernsehsender natürlich immer wieder darauf hinweisen, dass es ungerecht ist, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen Gebühren vom Steuerzahler erhält und zugleich auch Werbeeinnahmen hat. Da ist der Druck, dass zum Beispiel die Werbung beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen gestrichen wird und nur die Gebühren als Finanzgrundlage dienen, sehr groß. Andererseits ist die Erhöhung der Fernsehgebühren etwas relativ Unpopuläres, auch wenn sie mit umgerechnet sechs Euro im Monat keinen großen Betrag ausmachen. Aber es ist etwas, womit man wieder versuchen kann, die Öffentlichkeit aufzustacheln. Ein weiterer Punkt ist: Es wurde immer wieder überlegt, vor allem in den 90er Jahren, das Tschechische Fernsehen zum Teil zu privatisieren und zum Beispiel nur noch einen öffentlich-rechtlichen, vom Staat finanzierten Fernsehkanal zu belassen. Die anderen Kanäle könnten dann privaten Anbietern zur Verfügung gestellt werden. Dies ist ein Thema, das nun längere Zeit nicht mehr zur Debatte stand, aber womit hin und wieder für Aufmerksamkeit gesorgt werden kann.“