Superstar Jágr in 20. NHL-Saison gestartet: Spiele solange, wie ich von Nutzen bin

Jaromír Jágr (Foto: ČTK)

Am Dienstag ist die weltbeste Eishockeyliga, die National Hockey League (NHL), in eine neue Saison gestartet. In der NHL spielen auch rund 30 Tschechen, unter ihnen ragt einer seit Jahren heraus: Jaromír Jágr. Der Superstar, der im Februar bereits 42 Jahre alt wird, bestreitet seine 20. Spielzeit in dieser Liga. Er wird für die New Jersey Devils auflaufen, zu denen er erst im Sommer gewechselt ist. Mit welchem Anspruch und welchem Ziel Jágr in die neue Saison geht und wie sich der Oldie auf den kräftezehrenden Liga-Alltag vorbereitet hat, das erzählte er vor seinem Abflug in die Staaten gegenüber Journalisten.

Jaromír Jágr  (Foto: Kristýna Maková)
Jaromír Jágr ist ein Phänomen. Neben dem Olympiasieg mit Tschechien 1998 in Nagano gewann er zwei WM-Titel (2005, 2010) und ebenso zweimal den begehrten Stanley Cup. Er ist damit einer von weltweit 25 Spielern sowie der erste von nur zwei Tschechen, die Mitglied im so genannten Triple Gold Club sind. Als bester Europäer überhaupt liegt er auf Platz acht der ewigen NHL-Scorerliste. Ganz oben an der Spitze steht Jagr bereits bei den Gehaltsempfängern. Selbst ohne seinen neuen Jahresvertrag, der ihm wenigstens zwei Millionen Dollar Grundgehalt sichert, hat der Tscheche bereits jetzt in Nordamerika über 107 Millionen Dollar brutto verdient – eine Summe wie kein Zweiter vor ihm.

Die neue Saison wird möglicherweise Jágrs letzte in der NHL sein. Der Flügelstürmer wollte sich im Sommer entsprechend gut darauf vorbereiten. Letztlich musste er dann doch einige Abstriche machen:

Jaromír Jágr  (Foto: Kristýna Maková)
„Die vergangene Saison war meine längste in den zurückliegenden 20 Jahren. Ich habe über 100 Pflichtspiele bestritten. Die Zeit zur Erholung, die ich danach gebraucht hätte, gab es aber kaum. Von daher habe ich eine gewisse Müdigkeit verspürt und konnte zu Hause nicht das Pensum trainieren, das ich mir als Vorbereitung auf die neue Saison eigentlich vorgenommen hatte. Aber ich verfalle jetzt nicht in Panik. Es ist nicht wichtig, die beste Form mit in das Camp zu bringen, sondern während der Saison gut in Form zu kommen. Und dafür bleibt mir noch genügend Zeit.“

Aus dem Munde von Jaromír Jágr spricht seine langjährige Erfahrung. Deshalb bleibt er trotz seiner etwas missglückten Saisonvorbereitung innerlich ruhig und kann dem Ganzen sogar etwas Positives abgewinnen:

„Dass ich im Sommer etwas weniger als geplant trainiert habe, wird mir möglicherweise aber helfen, damit ich mich die Saison über besser fühle. Ich erinnere mich an die Zeit, als ich mir kaum Ruhepausen gegönnt habe, da hatte ich dann mindestens einmal in der Saison eine drei- bis vierwöchige Krise. Dabei war ich noch wesentlich jünger als heute. Hatte ich aber weniger trainiert und die Krise trat ein, dann dauerte sie nicht so lange. Zudem wird immer wieder festgestellt: Fast kein Spieler kann sich die gesamten zehn Monate über auf einem Toplevel bewegen, vorausgesetzt er und sein Team spielen bis zum Ende des Stanley Cups und erreichen das Finale.“

Rytíři Kladno  (Foto: ČTK)
Für den Laien ist es ohnehin erstaunlich, dass Jágr mit seinen 41 Jahren noch immer in der weltbesten Liga auf Topniveau spielt. Vor Journalisten ließ der Eigner des Eishockeyclubs Rytíři Kladno dann aber durchblicken, mit der Zeit ein gutes Gespür für die Signale seines Körpers gefunden zu haben:

„Ich habe meine Vorbereitung kaum verändert. In den vergangenen vielleicht 10 bis 15 Jahren ging es für mich vielmehr darum, zu akzeptieren, dass ich zur Regeneration meines Körpers immer mehr Zeit benötige. Nach jedem Training ist mein Körper etwas müder als noch vor einigen Jahren. Das ist wohl der größte Unterschied zwischen dem jungen Jágr und meinem jetzigen Befinden. Zudem war ich es bisher nicht gewohnt, bestimmte Nahrungsergänzungsmittel zu mir zu nehmen, auch wenn ich es vielleicht hätte tun sollen.“

Stanley Cup  (Foto: CC BY-SA 2.0)
Warum hat er es aber nicht getan?

„An diese Dinge aber habe ich nie so recht geglaubt, auch wenn ich weiß, dass sie hilfreich sind. Ich habe vielmehr darauf vertraut, dass mein Körper so genial ist, immer einen Weg zu finden.“

Im Sommer hat Jágr indes zum ersten Mal versucht, seine Ernährungsweise umzustellen. Gleich nach dem verlorenen Stanley-Cup-Finale begann er damit, mehr Fisch, frische Salate und Reis zu essen. Nach mehreren Trainingseinheiten aber fühlte er sich geschwächt. Auch deshalb habe er dieses „Experiment“ wieder beendet. Er sei schließlich auf einem Bauernhof aufgewachsen, auf dem es oft Fleisch und Geschlachtetes zu essen gab, ließ Jágr wissen. Und auch auf die Frage nach dem Ende seiner außerordentlich erfolgreichen Karriere reagiert der Superstar mit klaren Worten:

„Ich werde solange spielen, wie ich für das jeweilige Team noch von Nutzen bin. Ich selbst bin dabei auch mein größter Kritiker, denn ich will auf einem Niveau spielen, mit dem ich auch zufrieden bin. Sicher habe ich die Ansprüche an mich in den vergangenen Jahren immer weiter zurückgeschraubt. Noch bin ich aber nicht so schlecht, dass ich mich damit abfinden würde, nur auf der Bank zu sitzen und dann vielleicht nur noch ein, zwei Tore in der Saison zu schießen. Ich bin einfach ein gewisses Niveau von mir gewohnt, und das will ich natürlich auch auf das Eis bringen.“

Jaromír Jágr erreichte mit Boston  das Finale des Stanley Cups  (Foto: Archiv Boston Bruins)
In der vergangenen Saison spielte Jágr zunächst für die Dallas Stars und im späteren Saisonverlauf für die Boston Bruins. Mit den „Bären“ aus Boston erreichte er sogar das Finale des Stanley Cups, doch sein Team zog mit 2:4 Siegen gegen die Chicago Blackhawks den Kürzeren. Die Enttäuschung über die verpasste Chance, den begehrten Pott nach 21 Jahren zum dritten Male zu gewinnen, war im Juni sicher groß bei Jágr. Doch gut zweieinhalb Monate später wollte der Oldie davon schon nichts mehr wissen:

„Ich will nicht, dass das irgendwie falsch verstanden wird, aber es ist einfach so: Von einer Enttäuschung kann nicht die Rede sein. Schließlich haben wir es als Boston Bruins bis ins Finale geschafft, das spricht doch für die Qualität der Mannschaft. Dass wir das Finale dann verloren haben, dafür gibt es mehrere Gründe. Auf der einen Seite war für uns auch etwas Pech im Spiel, auf der anderen Seite muss man Chicago zugute halten, eine ebenso starke oder sogar um einen Tick bessere Mannschaft gewesen zu sein. Am Ende hat wohl der etwas Glücklichere von uns beiden gewonnen. Wenn du aber schon zwei Monate länger als der Großteil der Liga auf dem Eis bist, dann willst du natürlich am Ende den Pokal in den Händen halten. Aber auch so sollte man nicht allzu enttäuscht, sondern auch darauf stolz sein, dass man überhaupt soweit gekommen ist.“

Jaromír Jágr  (Foto: ČTK)
Sehr weit – und möglichst wieder bis ins Finale – soll es für Jágr auch in dieser Saison mit seinem neuen Verein, den New Jersey Devils gehen. Die „Teufel“ sind der siebte Club in Jagrs NHL-Karriere, und die Sieben wird bekanntlich nicht selten auch als Glückszahl bezeichnet. Glücklich schätzen darf sich inzwischen auch der Club Rytíři Kladno, bei dem Jágr als junger Bursche das Einmaleins des Eishockeyspiels erlernt hat. Vor zwei Jahren kaufte er nämlich die Aktienmehrheit seines Stammvereins und rettete so den Traditionsclub vor dem Ruin. Seitdem hat sich der Verein weitgehend stabilisiert und in der tschechischen Extraliga auch zunehmend bessere Leistungen geboten. Im September, bei der Pressekonferenz vor dem Start der laufenden Extraligasaison, wurde Jágr daher gefragt, welche Ziele er und sein Club denn diesmal verfolgen. Die Antwort kam postwendend und war typisch Jágr:

„Ich denke, als Mensch und erst recht als Sportler sollte man sich die höchsten Ziele setzen. Von daher sage ich: Unser Ziel ist der Titel!“

Eine gewagte Aussage, wenn man die finanziellen Voraussetzungen von Kladno mit anderen Mannschaften der Extraliga vergleicht. Können die Top-Vereine nämlich mit einem Jahresbudget von umgerechnet vier und mehr Millionen Euro wirtschaften, so muss Kladno auch in dieser Saison mit umgerechnet 2,8 Millionen Euro auskommen.

Gleichzeitig ist das aber ein Anreiz für Jágr selbst, mit den Devils am Ende nicht schlechter dazustehen als sein Stammverein. Oder doch? Mitnichten, denn auf die Frage, ob ihm der Titel für Kladno oder für New Jersey lieber wäre, antwortete der Megastar mit einem süffisanten Lächeln:

„Das Beste wäre es doch, wenn beide gewinnen würden.“

Autor: Lothar Martin
schlüsselwort:
abspielen