In Tabor trafen Hussiten mit Briganten und Musketieren zusammen
Die südböhmische Stadt Tabor, Bernau bei Berlin, Naumburg oder Konstanz am Bodensee. Auf den ersten Blick haben diese Städte nicht viel gemeinsam, sie teilen jedoch ein Stück Geschichte. Mehr erfahren Sie von Martina Schneibergova in der Sendereihe "Reiseland Tschechien".
Die südböhmische Stadt Tabor wurde 1420 von den Hussiten, einer in Böhmen entstandenen reformatorischen Bewegung gegründet. Die Hussiten hatten ihre Spuren in mehreren Städten Europas hinterlassen, und es waren nicht immer gerade positive Spuren. Bei dem vor kurzem im südböhmischen Tabor organisierten historischen Festival trafen neben anderen Festivalteilnehmern aus den verschiedenen Ländern auch Vertreter von Städten zusammen, die Mitglieder der 1998 gegründeten Vereinigung der Städte mit hussitischer Tradition und Geschichte sind. Den Höhepunkt des Festivals, das einfach "Taborer Treffen" genannt wird, stellte schon traditionell ein historischer Umzug dar, der auf dem Marktplatz von Tabor von Tausenden Zuschauern begrüßt wurde. Am Umzug nahm auch eine gut ausgerüstete Brigantengruppe aus Bernau teil. Ihren Befehlshaber bat ich ans Mikrofon:
"Wir sind die Bernauer Briganten, mein Name ist Bernd Eccarius. Wir kommen aus Bernau. Bernau ist eine Stadt, die mal eine Begegnung mit den Hussiten hatte - 1432, und seit zwölf Jahren kommen wir regelmäßig nach Tabor - manchmal als Hussiten und heute wieder als Bernauer aus der gleichen Zeit."Wie sah damals die erwähnte Begegnung mit den Hussiten aus?
"Ja, die Begegnung war nicht sehr freundlich gewesen. 1432 gab es Verhandlungen mit dem Baseler Konzil. Bei den Vorverhandlungen gab es ein bisschen Stress mit den Brandenburgern und daraufhin hatte eine hussitische Abteilung der Waisen 1432 eine Reise in die Mark Brandenburg unternommen. Teile dieser Armee sind auch vor Bernau gekommen, aber das war nur eine Nachhut und die Bernauer sind sehr froh, dass sie nicht in die Stadt rein gekommen sind. Das wird seit 1442 jedes Jahr gefeiert. Es ist eines der ältesten Volksfeste. Bernau ist Mitglied der Vereinigung der Städte mit hussitischer Tradition und Geschichte, und ich selbst bin seit zwölf Jahren immer wieder hier. Ich leite das Museum in Bernau und kenne Herr Drda aus dem Museum in Tabor sehr gut und deshalb kommen wir auch immer wieder hierher. Wir haben sehr gute tschechische Freunde. In Bernau organisieren wir auch ein Hussitenfest. Das findet immer am zweiten Juniwochenende statt und wir haben jedes Jahr etwa ein hundert tschechische Freunde da, die mit uns feiern, und wir kommen gerne auch nach Tabor sowie in andere Städte. Wir waren dieses Jahr in Kutna Hora (Kuttenberg). Regelmäßig fahren wir nach Tocnik. Wir organisieren gemeinsam Fechtkurse usw."Sie sind Museumsdirektor in Bernau. Treffen die Vertreter der Museen oder überhaupt der Städte mit hussitischer Geschichte regelmäßig zusammen?"Ja, wir von der Vereinigung treffen einmal jährlich zusammen und versuchen unsere Programme abzustimmen. Es funktioniert manchmal gut, manchmal weniger gut. Mit dem Museum aus Tabor haben wir einige Ausstellungen organisiert. Aber auch mit den anderen Städten versuchen wir etwas gemeinsam zu machen und unsere Programme abzustimmen."
Wie viele sind Sie jetzt da?
"Diesmal sind wir mit zwanzig Leuten aus Bernau da. Die Gruppe selbst ist aber doppelt so stark. Die Geschichte mit den Hussiten spielt in Bernau schon eine große Rolle. Wir haben viele Leute, die das Hussitenfest zum Anlass genommen haben, um ein schönes Hobby zu finden - Mittelalter zu spielen. Außer unserer Gruppe gibt es drei andere große Gruppen, die das machen. Wir organisieren jedes Jahr mittlerweile drei Festspiele, die sich mit dem Thema befassen."Wie viel wiegt die Ausrüstung, die Sie heute anhaben?
"Das, was ich heute anhabe, ist nicht komplett, es wiegt so 19-20 Kilogramm, also nicht viel. Das Maximum sind so etwa 25 Kilo, was man trägt, aber es ist gut am Körper verteilt. Es ist eine gute tschechische Arbeit von einem Freund aus Prag, es passt ausgezeichnet und man kann sich damit bewegen. Es ist kein Problem, man kann laufen oder springen, wie man will."
Muss man eine bestimmte Ausbildung haben, um sich darin bewegen zu können?
"Beim Fechten schon. Die Leute machen bei uns so ein Jahr lang die Grundschule im Fechten, Theaterspielen, Bewegung, Tanzen und danach kann man es auch präsentieren. Man sollte es nicht nur anziehen, denn es gibt dann viele Beulen. Aber es ist ein schönes Hobby, Sachen nachzustellen, Geschichte zu erleben und wirklich zu begreifen."
Aus dem Briganten entpuppte sich also der Museumsdirektor.
Stark vertreten beim Festival war Konstanz am Bodensee, eine traditionelle Partnerstadt von Tabor. Diesmal waren neben einer offiziellen Delegation etwa 300 Konstanzer in Tabor zu Besuch. Einer großen Aufmerksamkeit der Zuschauer erfreuten sich die Musketiere, die nicht aus Frankreich, sondern vom Bodensee nach Tabor gekommen sind:
Foto: Autorin