Teurer Wohnraum, niedriger Mindestlohn: Armut in Tschechien nimmt zu

Foto: Štěpánka Budková

Immer mehr Tschechen leben an der Armutsgrenze. Dies ergibt sich aus dem Jahresbericht der tschechischen Caritas, der Anfang Februar veröffentlicht wurde.

Lucie Benešová  (Foto: Archiv Marianeum)
Überschuldung, Langzeitarbeitslosigkeit, unbezahlbare Wohnungen und ein Mindestlohn, der unter dem Sozialhilfeniveau liegt. Das sind laut dem Bericht die größten Probleme der Menschen, die von Armut bedroht oder schon betroffen sind. Es soll sich um etwa anderthalb Millionen Tschechen handeln. Die Caritas hat in den Bericht die Erfahrungen ihrer Sozialarbeiter mit Klienten aus den Beratungsstellen einfließen lassen. Die Caritas-Mitarbeiterin, Lucie Benešová, nennt die wichtigsten Ursachen für die Armut:

„Die erste Ursache liegt in Bildungsdefiziten in alltäglichen Finanzfragen. Außerdem ist es die ungünstige soziale Lage, in die man gerät. Wichtig ist dabei vor allem, wie schnell man eine Notlage überwindet. In ganz Europa sind Alleinerziehende eine bedrohte Gruppe, die häufig eine finanzielle Leistung nicht erhalten, auf die sie Anspruch haben, nämlich den Unterhalt für Kinder.“

Foto: Štěpánka Budková
Caritas begrüßt daher den Vorschlag, demzufolge der Staat Unterhaltsvorschüsse zahlen sollte, falls sich der Partner weigert. Die Regierung Sobotka plant, ein entsprechendes Gesetz durchzusetzen.

Bereits aufgestockt wurde im Januar der Mindestlohn. Er liegt nun bei 9900 Kronen (367 Euro). Die Caritas-Expertin:

„Das ist relativ wenig Geld. Insbesondere wenn man in Betracht zieht, dass 6 Prozent der Bevölkerung den Mindestlohn beziehen. Das Problem betrifft viele Menschen. Nicht nur in Tschechien, sondern in ganz Europa treffen wir auf das Phänomen der Armut von Arbeitenden. Es ist frustrierend, wenn man arbeitet und trotzdem nicht einmal die Grundbedürfnisse decken kann.“

Michaela Marksová  (Foto: ČT24)
Sozialarbeiter fordern daher eine weitere Aufstockung des Mindestlohns. Laut Caritas sollte er bei 12.000 Kronen (445 Euro) liegen.

Das Arbeits- und Sozialministerium will noch in diesem Jahr ein Gesetz zum sozialen Wohnungsbau durchsetzen. Es würde die Gemeinden verpflichten, billige Wohnungen für sozial schwache Bürger zu bauen. Zuständig dafür ist Sozialministerin Michaela Marksová (Sozialdemokraten):

„Das Gesetz verpflichtet die Gemeinden, solche Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Auf welche Weise sie dieser Pflicht nachkommen, liegt bei den Gemeinden. Sie können entweder Wohnungen aus ihren bestehenden kommunalen Immobilien anbieten, oder neue Wohnungen bauen.“

Foto: Michal Malý,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Eben das Angebot vom billigen Sozialwohnen ist für die Experten der Caritas von grundlegender Bedeutung für die Überwindung der Armut. Lucie Benešová:

„Wir sehen darin ein großes Potential. Erstrangig ist die Prävention, das heißt, man muss sicherstellen, dass die Menschen ihre Wohnungen nicht verlieren. Wir sind derzeit Zeugen wuchernder Geschäfte mit überteuerten Wohnheimen. Es ist wichtig, diesem Business zu vorzubeugen.“