Tschechien kann EU-Klimaziele erreichen – Umweltminister präsentiert Konzept

In weniger als vier Wochen startet in Kopenhagen die UN-Klimakonferenz. Tschechien ist zwar nur ein kleiner Baustein im weltweiten Ringen um weniger Treibhausgas-Emissionen. Doch das Umweltministerium in Prag sieht hierzulande genügend Möglichkeiten, um weiter einzusparen – und das über die Klimaziele der EU hinaus. Ende Oktober hat Umweltminister Ladislav Miko ein Klimakonzept für die Tschechische Republik vorgestellt.

In Kopenhagen soll ein neues Weltklimaabkommen gefunden werden. Die Europäische Union beansprucht dabei für sich die Rolle eines Vorreiters. Beim EU-Gipfel in Brüssel Ende Oktober haben die 27 europäischen Staats- und Regierungschefs zumindest das langfristige Ziel bestätigt: So sollen bis zum Jahr 2050 die Treibhausgas-Emissionen in den Industrieländern um 80 bis 95 Prozent sinken. Referenzjahr ist dabei immer 1990.

Doch die spannendste Frage lautet jetzt erst einmal: Was wird in Kopenhagen für die Zeit von 2012 bis 2020 erreicht? Die EU verspricht bisher, die Treibhausgase um 20 Prozent zu senken – mit der Möglichkeit noch draufzulegen. Der tschechische Umweltminister Ladislav Miko fasste bei einer Pressekonferenz in Prag nach den Beratungen mit seinen Amtskollegen aus den anderen EU-Ländern Ende Oktober den Stand noch einmal zusammen.

„Europa ist bereit, seine Verpflichtung auf 30 Prozent zu erhöhen, wenn andere große Partner sich ähnlich ambitionierte Ziele setzen. Es geht vor allem um die USA, China, Brasilien, Russland und Indien.“

Auf das Klimaziel zwischen 20 und 30 Prozent hatte sich die EU bereits im Dezember vergangenen Jahres verständigt. Der damalige tschechische Umweltminister, Martin Bursík, wollte deswegen wissen, ob Tschechien mithalten kann. Er gab bei den renommierten Unternehmensberatern von McKinsey eine Studie darüber in Auftrag, ob und wie sich die Ziele erreichen lassen. Auch Deutschland oder Neuseeland haben McKinsey für vergleichbare Studien beauftragt.

Foto: Europäische Kommission
Als Bursík nach dem Sturz der Regierung abtrat, übernahm Ladislav Miko diese Forschungsaufgabe. Bursík hatte bereits große Einsparpotenziale geahnt. Denn Tschechien gehört zu den Staaten, die verhältnismäßig viele Treibhausgase in die Luft blasen. Es sind über 14 Tonnen je Einwohner im Jahr, was dem Land einen unrühmlichen siebten Platz weltweit einräumt.

Die McKinsey-Studie hat die Vermutung Bursíks bestätigt: Hohe Einsparpotenziale existieren. Umweltminister Miko hat auf Basis der Studie nun ein Klimakonzept erarbeiten lassen. Das Ergebnis: Tschechien kann noch über die EU-Klimaziele hinausgelangen: Bis 2020 ließen sich die Emissionen von Treibhausgasen hierzulande um bis zu 40 Prozent drosseln, beschreibt das Klimakonzept:

„Das Konzept bietet einen gewissen Überblick über alle potentiellen Möglichlichkeiten, die das Umweltministerium zum Erreichen dieses Zieles gefunden hat. Das heißt nicht, dass alle Möglichkeiten notwendigerweise ausgeschöpft werden. Aber wenn dies geschieht, dann erreichen wir wirklich 40 Prozent Reduktion gegenüber 1990“, so Umweltminister Miko.

Es muss zudem wirtschaftlich auch nicht sinnvoll sein, alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Denn die Kosten sind unterschiedlich hoch, sagt der Umweltminister:

„Fast keinerlei finanziellen Aufwand bedeuten Maßnahmen in der Waldwirtschaft oder Landwirtschaft beziehungsweise landschaftliche Veränderungen. Dort müssten wir nur bestimmte Herangehensweisen ändern. Auf der anderen Seite steht die sehr diskutierte Technologie CCS. Dabei wird CO2 aufgefangen und im Gestein gebunkert. Das ist eine außergewöhnlich teure Maßnahme, die sich bisher wirtschaftlich noch nicht rechnet.“

Foto: Štěpánka Budková
Landschaftliche Veränderungen heißt vor allem: Aufforsten. Anders als in Deutschland ließen sich beispielsweise zehn Prozent der Ackerfläche begrünen, schreiben die Fachleute von McKinsey in ihrer Studie. Damit lassen sich bereits drei Millionen Tonnen CO2-Äquivalente einsparen. CO2-Äquivalent ist die Maßeinheit, die für Treibhausgase genutzt wird. Dabei wird der Treibhauseffekt eines Gases mit dem von Kohlendioxid gleichgesetzt. Ein Kilogramm Methan entspricht danach beispielsweise 21 Kilogramm CO2.

Fast zwölf Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ließen sich durch geringeren Energieverbrauch in Haushalten und Industrie sparen. Dabei geht es beispielsweise um die Wärmedämmung von Häusern. Ein Förderprogramm dazu hat das Umweltministerium bereits gestartet. Kritiker merken allerdings an, dass es für Hausbesitzer schwierig sei, die Auflagen für eine Förderung zu erfüllen.

Die größten Einsparpotenziale bestehen jedoch in der Wahl des richtigen Energiemixes für Tschechien. Dies ist ein heißes Eisen und fordert vor allem den politischen Willen. Hintergrund sind konträre Vorstellungen des Industrie- und Handelsministers Tošovský, die dieser im Entwurf eines neuen Energiekonzepts vorgestellt hat. Minister Tošovský will die Energiesicherheit in Tschechien stärken und baut deswegen weiter auf Kohle. Der Vorschlag für das Klimakonzept sagt: Es geht auch anders. Umweltminister Miko verglich bei der Präsentation sein Konzept mit dem Energiekonzept:

„Wichtig ist, dass die Referenzdaten zum Energiebedarf sich in beiden Konzepten nur wenig unterscheiden. Unsere Berechnungen kommen aber mit Alternativen aus, so dass sich nicht mehr vorrangig auf Kohle gestützt wird. Wir rechnen also mit der Reduktion des Kohleverbrauchs auf die Hälfte. Wir rechnen mit dem Bau zweier Blöcke eines Gas- und Dampf-Kombikraftwerks, einem größeren Anteil regenerativer Energien, der Kraft-Wärmekopplung und einer besseren Nutzung der Atomenergie gegenüber dem derzeitigen Stand.“

Atomenergie im Konzept des Umweltministeriums – das ist in anderen Ländern fast undenkbar. Doch Industrie- und Handelsministers Vladimír Tošovský will die beiden tschechischen Atomkraftwerke Temelín und Dukovany sogar noch ausbauen lassen. Umweltminister Miko ist kein Fan der Kernkraft, doch der Druck der Atom-Lobby in Tschechien ist groß. Daher wiegelt Miko ab. Er deutet an, dass im Klimakonzept dazu aber keine Entscheidung erwartet werden darf:

„Wir sagen im Klimakonzept, dass sich die Treibhausgasemissionen auch sehr deutlich und ausreichend ohne Atomenergie senken lassen. Wenn wir die Atomenergie hinzunehmen, dann können weitere sieben Prozent eingespart werden. Das ist nicht vernachlässigbar. Das wird auch im Entwurf zur Klimapolitik eingestanden.“

Umweltverbände haben allerdings vor einiger Zeit eine Studie beim Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie in Auftrag gegeben. Und die zeigt einen Weg, wie die Klimaziele auch völlig ohne Atomenergie erreicht werden können.

Wie viel Atom und wie viel Kohle sein soll, muss die Regierung in Prag festlegen. Dabei kann sie sich mittlerweile eben auf die Konzepte aus dem Industrie- und Handelsministerium und aus dem Umweltministerium stützen. Über beide Konzepte wird nun in den parlamentarischen Gremien beraten.

Autor: Till Janzer
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