Tschechien protestiert gegen Schweizer Zuwanderungsquote

Der Schweizer Bundesrat hat am Mittwoch entschieden, die Zuwanderung aus acht neuen EU-Mitgliedsländern zu beschränken. Die Regelung soll bereits zum 1. Mai in Kraft treten und vorerst ein Jahr gelten. Die Einführung einer solchen Zuwanderungsquote, Ventilklausel genannt, beruht auf einem Übereinkommen mit der EU. Sie darf bei einem „außerordentlichen Ansturm“, wie es heißt, angewendet werden. Denn eigentlich gilt ansonsten zwischen den 25 EU-Staaten, ohne Bulgarien und Rumänien, und der Schweiz die Personenfreizügigkeit. Die jetzige Anwendung der Ventilklausel hat aber zu scharfer Kritik aus der EU und aus den betroffenen Ländern geführt, darunter auch Tschechien.

Simonetta Sommaruga  (Foto: Archiv des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements)
Seit 1. Mai vergangenen Jahres gilt zwischen der EU und der Schweiz die vollständige Personenfreizügigkeit. Doch der Alpenstaat hat zugleich die Möglichkeit ausgehandelt, bei dringendem Bedarf diese Freizügigkeit einzuschränken und Quoten einzuführen. Dieser Fall scheint laut dem Schweizer Bundesrat nun eingetreten zu sein, nachdem in den letzten Jahren die Zuwanderung aus der EU immer weiter gestiegen ist. Bundesrätin Simonetta Sommaruga erläuterte am Mittwoch bei der offiziellen Pressenkonferenz in Bern:

„Für den Bundesrat ist klar, dass die Anrufung der Ventilklausel nicht die Lösung aller Probleme bringt. Das war auch nie die Meinung gewesen. Hingegen ist die Ventilklausel eines von verschiedenen Instrumenten, die dem Bundesrat im Rahmen einer politischen Steuerung der Zuwanderung unter gewissen Bedingungen zur Verfügung stehen“, so Sommaruga im Schweizer Fernsehen.

Foto: Europäische Kommission
Die Ventilklausel gilt indes nicht für alle EU-Bürger, sondern nur für Menschen aus den drei baltischen Staaten sowie Ungarn, Polen, Slowenien, Slowakei und Tschechien. Aus diesen acht Ländern kamen im vergangenen Jahr insgesamt 6000 Menschen in die Schweiz. Die Quote beschränkt den Zuzug nun auf 2000 Menschen.

Doch die Menschen aus den acht neuen Mitgliedsländern hatten in 2011 nur rund ein Zehntel Anteil an der gesamten Zuwanderung in die Schweiz. Europäische Politiker haben das Vorgehen auch deswegen als diskriminierend bezeichnet. EU-Außenministerin Catherine Ashton verwies vor allem darauf, dass die Freizügigkeit mit der Union als Ganzes vereinbart wurde und es illegal sei, einen Teil der EU-Bürger davon auszuschließen.

Petr Nečas  (Foto: ČTK)
Ähnlich klingt es auch von den Betroffenen. Die vier Visegrad-Staaten Tschechien, Ungarn, Polen und Slowakei haben zum Beispiel in Brüssel eine gemeinsame Erklärung verfasst, in der sie „ihr tiefes Bedauern über die Entscheidung der Schweizer Regierung“ ausdrücken. Der tschechische Premier Petr Nečas verwies zudem auf die Erfahrungen mit solchen Einschränkungen in Deutschland und Österreich:

„Meiner Meinung nach ist das ein falscher Schritt. Es zeigt sich eindeutig, dass die Freizügigkeit von Arbeitskräften – ich betone: nicht aber von Sozialhilfeempfängern – ganz eindeutig eine positive Wirkung auf die Wirtschaft hat. Das hat sich letztlich auch bei unseren Nachbarn Österreich und Deutschland gezeigt, die die Übergangsregelung für die Arbeitnehmer-Freizügigkeit bis zum letztmöglichen Moment genutzt haben. Es gab dann großes Erstaunen, dass zum Beispiel in Deutschland nur 7000 tschechische Bürger gearbeitet haben. Da wurde ein Mythus geschaffen und überflüssig Ängste geschürt.“

Karel Schwarzenberg  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Außenminister Karel Schwarzenberg, im Übrigen auch Schweizer Staatsbürger, hält die Entscheidung ebenfalls nicht für sachlich begründet. Sie sei rein politisch, sagte er gegenüber den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

„Diesen Schritt haben die Schweizer nur aus Angst vor den Radikalen in ihrem Land gemacht. Und das halte ich für sehr traurig in einem Staat, der eine lange demokratische Tradition hat.“

Der Europäischen Union empfiehlt Schwarzenberg indes, die Schweizer nicht zu drängen. Vielmehr sollte man Bern überzeugen, dass so in Europa nicht miteinander umgegangen werde.