Tschechien und die Irak-Krise

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Der Chef-Waffeninspekteur der Vereinten Nationen für den Irak, Hans Blix, unterrichtet am Donnerstag den Weltsicherheitsrat über das Ergebnis seiner Wiener Gespräche mit irakischen Vertretern. Der Irak-Konflikt stand auch am Mittwoch Abend im Zentrum eines vertraulichen Gesprächs zwischen dem französischen Präsidenten Jacques Chirac und dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder in Paris, und last but not least einigte sich US-Präsident George W.Bush mit Spitzenvertretern des amerikanischen Abgeordnetenhauses auf einen Irak-Entschließungsentwurf, der ihm die Vollmacht zu einem Militärschlag gegen Irak gibt. In Tschechien ist jedoch wenig aus der Politszene zu hören, was auf eine Position des Landes zur Irak-Frage schließen ließe. Die einzige deutlich hörbare Stimme war kürzlich die von Präsident Vaclav Havel während seiner USA-Visite. Mit seinen Äußerungen macht Sie Jitka Mladkova im folgenden Beitrag bekannt:

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"In den USA liebt man Vaclav Havel", "Bush hat in Havel einen Freund gefunden", "Havel verabschiedet sich von den USA und hilft Bush", "Havels glückliche Dreizehn" ... So und ähnlich titelten die tschechischen Tageszeitungen in der dritten Septemberwoche, als Vaclav Havel zu seinem dreizehnten und zugleich letzten Besuch als tschechisches Staatsoberhaupt in den Vereinigten Staaten weilte. In der Tat! Abgesehen von der internationalen Position der Tschechischen Republik wurde Havel hier hofiert als quasi eine der bedeutendsten Personen dieses Planeten. "Mister President, Sie sind eine bemerkenswerte Persönlichkeit," beteuerte George W. Bush, als er Havel vor laufenden Kameras im Ovaloffice des Weißen Hauses willkommen hieß. Er nannte ihn ein Symbol von Mut und Entschlossenheit sowie einen Mann, der helfe, die Welt zu verändern. Als dann die ersten Informationen zu Havel´s Besuch aus Übersee nach Prag gelangten und Schlagzeilen machten, gab es zu lesen und zu hören: Havel unterstütze einen Angriff auf den Irak! Und es sah ein bisschen so aus, als ob der US-Präsident für seine Irak-Pläne den ersten wahren europäischen Falken in seinem tschechischen Amtskollegen gefunden hätte. Das Böse müsse man im Keime ersticken, sagte Havel im Gespräch mit Bush. Er verglich das Regime Saddam Husseins mit dem Hitler-Deutschland des Jahres 1938 und meinte: Wenn sich Europa damals zusammengeschlossen hätte, hätte es sich später nicht der Gewalt stellen müssen! Soweit das A, dem aber auch das B des tschechischen Präsidenten folgte:

"Gleichzeitig denke ich," sagte er, "dass es nicht gut wäre, wenn die Amerikaner einen eventuellen Angriff allein durchführen würden. Dies könnte langfristig keine guten, wenn auch selbstverständlich unbeabsichtigten Folgen haben.

Vaclav Havel sprach hierbei über die Notwendigkeit einer internationalen Gemeinschaftsaktion, in der die NATO eine Hauptrolle inne hätte, falls Saddam nicht die vorgesehene Resolution des UNO-Sicherheitsrates akzeptieren sollte. Dies sei auch für die Zukunft der Allianz von großer Bedeutung, meinte er. Doch damit wäre dann auch das NATO-Mitglied Tschechien mit von der Partie. Schließlich sei gerade deshalb die 250 Mann zählende tschechische Anti-ABC-Waffeneinheit schon monatelang in Kuwait stationiert und nicht etwa, weil es für ihre Soldaten wenig Platz in der einheimischen Kaserne gäbe, schrieb kürzlich ironisch ein Kommentator der auflagenstärksten Tageszeitung in Tschechien Mlada fronta Dnes. Am Dienstag und Mittwoch dieser Woche übten die Tschechen gemeinsam mit den ebenfalls in Kuwait stationierten deutschen und amerikanischen Truppen das Zusammenwirken bei einem simulierten Angriff mit radioaktiven, biologischen oder chemischen Waffen. Der Sprecher der Einheit, Major Ludek Lavicka, beschrieb ihre Tätigkeit für Radio Prag kurz und bündig folgendermaßen:

"Wir üben sehr hart und sehr intensiv hier unter den Wüstenbedingungen einschließlich einer mehrstündigen Belastung in den Spezialanzügen," sagte Lavicka. Der tschechische Generalstabschef Jiri Sedivy, der am letzten Wochenende ebenfalls in Kuwait und anschließend in Saudi Arabien weilte, bestritt die Existenz eines Plans zur Einbindung der tschechischen Spezialeinheit in eine Militäroperation gegen den Irak. Jegliche Erwägungen zu diesem Thema bezeichnete er als verfrüht. Man habe nicht damit gerechnet, dass die Soldaten ihre Militärbasis in Kuwait verlassen und woanders eingesetzt werden sollten. Dazu müsste eine politische Entscheidung gefällt werden, sagte Sedivy. In der tschechischen Politlandschaft herrscht jedoch nach wie vor Stillschweigen.