Tschechiens Brauereien reagieren auf neue Trends

Mitte Januar haben wir Sie bereits darüber informiert: Die tschechische Bierproduktion ist das zweite Jahr in Folge zurückgegangen. Der Einbruch aber, der kurz nach Neujahr noch mit 12 Prozent beziffert wurde, ist letztlich nicht so groß und liegt bei knapp 8 Prozent. Und die renommierten Bierfirmen des Landes sehen auch nicht mehr ganz so schwarz, was die Zukunft betrifft. Ein Grund dafür ist eine Reihe neuer Trends, mit denen sich Brauer, Verkäufer und Konsumenten auf die neue Situation eingestellt haben.

Halten wir zunächst noch einmal nüchtern fest: Die tschechische Bierproduktion ist im Jahr 2010 um 7,9 Prozent gesunken. Für den Chef des Tschechischen Brauerei- und Mälzerverbandes, Jan Veselý, gibt es dafür einen klaren Grund:

„Wir im Verband sind ganz eindeutig überzeugt davon, dass dies auf die Erhöhung der Verbrauchersteuer zurückzuführen ist. Diese Steuer ist am 1. Januar 2010 um ein Drittel erhöht worden. Dadurch ist der Preis im Schnitt um zirka eine Krone pro Flasche Bier gestiegen.“

Foto: Europäische Kommission
Stark abgenommen hat insbesondere die Herstellung des hellen Bieres mit zehn Prozent Stammwürze, das mehr und mehr durch das 11-grädige Bier ersetzt wurde. Demgegenüber hat die Produktion von Stark- und Spezialbier um satte 40 Prozent zugenommen. Dieses Bier ist zwar teurer, doch viele Restaurants haben erkannt, dass man seinen Gästen immer wieder etwas Neues bieten muss. Ein Trend, der vor allem den kleinen Brauereien entgegenkommt. Der Chef der privaten Bernard-Brauerei, Stanislav Bernard, ist aber noch aus einem anderen Grund erfreut:

Stanislav Bernard
„Nach langen Jahren hat sich endlich etwas geändert. Vordem haben die Wirtshaus- und Restaurant-Besitzer zumeist nie danach gefragt, von welcher Brauerei man komme, sondern immer nur die erste Frage gestellt: ´Wie viel Geld geben Sie noch drauf´? Das war für mich absolut deprimierend. Heute aber wenden sich große und auch sehr renommierte Gaststätten an uns und kaufen unser Bier auch ohne Schmiergeld.“

Im vergangenen Jahr konnten die tschechischen Biertrinker folglich unter mehr als 450 Biersorten auswählen, die ihnen von den hiesigen Verkäufern angeboten wurden. Der Anstieg von Stark- und Spezialbier um 40 Prozent hat jedoch kaum Auswirkungen auf den nationalen Biermarkt, denn der Anteil dieses Bieres am Markt beträgt immer noch etwas weniger als ein Prozent.

Umstellen müssen sich die tschechischen Brauereien auch weiterhin beim Konsumverhalten der Verbraucher. Jan Veselý nennt den Trend:

„Es hat ganz klar eine Verschiebung des Bierkonsums gegeben. Bier wird immer weniger in Restaurants getrunken, dafür aber immer häufiger zu Hause vor dem TV-Gerät. Das ist aber ein Trend, wie er in allen traditionsreichen Bierländern zu beobachten ist, denn überall ist der Bierkonsum in den Gaststätten um das Zwei- bis Dreifache teurer als der Genuss von Flaschenbier zu Hause. Und das macht sich auch bemerkbar.“

Bier in PET-Flaschen
Ein weiterer Trend, der sich beim Biereinkauf der tschechischen Konsumenten immer mehr bemerkbar macht, ist die Wahl der Verpackung. Hoch im Kurs stehen mittlerweile besonders Biere, die in PET-Flaschen abgefüllt sind. Noch vor wenigen Jahren war die Plastikflasche stark verpönt. Jan Veselý weiß, warum sich das geändert hat:

„Heutzutage sind die Plastikflaschen bereits von einer solchen Qualität, dass vor dem Verbrauch kein Sauerstoff mehr in das Bier gelangt und es verdirbt. Das Bier in einer Plastikflasche wurde früher schnell schal, was heute nicht mehr passiert. Die heutigen Plastikflaschen sind bruchfest und leichter, auf der anderen Seite in der Herstellung aber noch sehr teuer.“

Deshalb werde das Bier vorerst auch weiterhin nur in kleinen PET-Flaschen verkauft, ergänzt Veselý. Aber wer weiß, vielleicht führt auch hier das Verhalten der Verbraucher bald zu weiteren Neuerungen. Erstaunlich ist zum Beispiel auch, dass die tschechischen Biertrinker immer mehr nach einem Bier mir elf Prozent Stammwürze verlangen und das einfache Helle in ihrer Gunst sinkt. Doch auch dafür hat Veselý eine ziemlich plausible Erklärung:

„Ich würde sagen, dass hier ein allgemeiner Trend vollzogen wird, wonach die Nachfrage nach dem einfachen Hellen als so genanntes Volksbier ständig schrumpft, die Nachfrage nach Lagerbier aber weiter steigt. Und hier hat sich besonders das 11-grädige Bier etabliert, weil es fast so preiswert ist wie das 10-grädige Bier, im Geschmack aber dem Lagerbier mit 12 Prozent Stammwürze relativ nahe kommt. Ein zweiter Trend ist der, dass in der Bevölkerungsschicht mit einem relativ niedrigen Einkommen die Nachfrage nach sehr preiswerten Bieren immens gestiegen ist.“ Der Rückgang der tschechischen Bierproduktion schlägt sich auch im Export nieder. So haben die Brauereien, die im Verband organisiert sind, im vergangenen Jahr 2,8 Millionen Hektoliter Bier ausgeführt. Das sind 4,2 Prozent weniger als im Jahr davor. Jan Veselý begründet:

„Man muss dazusagen, dass mit Ausnahme von Russland und den Vereinigten Staaten zu den 20 führenden Exportländern für unser Bier ausschließlich Staaten der Europäischen Union gehören. In all diesen Ländern gab es wegen der Krise eine Rezession, unser Bier aber wird dort als ein teures Premium-Bier begriffen.

Als die Menschen dort begonnen haben, sich wegen der Krise einzuschränken, dann gehörte unser Bier meist zu den Produkten, bei denen zuerst gespart wurde.“

Im Krisenjahr 2009 war der tschechische Bierexport sogar um mehr als zehn Prozent gesunken. Deshalb sehen die Brauereien des Verbandes, die 90 Prozent der tschechischen Bierproduktion abdecken, das Exportergebnis von 2010 schon wieder als einen kleinen Erfolg an. Hinzu kommt, dass einzelne Brauereien in gewissen Segmenten bereits zugelegt haben. Das Büchsenbier der Prager Brauerei Staropramen zum Beispiel war besonders gefragt – im vergangenen Jahr ist der Export dieses Bieres gleich um das Vierfache gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Aber nicht nur wegen dieses Beispiels glaubt Jan Veselý, dass die tschechischen Brauereien die Talsohle bereits durchschritten haben:

„Ich bin optimistischer als viele meiner Kollegen. Ich glaube daher, dass wir in diesem Jahr im schlimmsten Fall eine Stagnation des gegenwärtigen Stands verzeichnen werden, aber möglicherweise werden wir auch schon wieder positive Zahlen vermelden können.“