Tschechiens Reisebranche nach der Krise bei "Fischer"
In Tschechien gibt es gegenwärtig knapp 1200 Reisebüros, wobei jedes Jahr drei bis vier, meistens kleinere Reiseunternehmen Konkurs anmelden. Vor drei Wochen stand jedoch für kurze Zeit das weitere Schicksal des tschechischen Marktführers, des Reisebüros Fischer auf der Kippe. Ob das irgendwelche Auswirkungen auf den heimischen Reisermarkt bzw. die Kunden haben könnte, erfahren Sie im folgenden Schauplatz von Silja Schultheis und Robert Schuster.
Das Verreisen gehört seit einigen Jahren zweifellos zur Lieblingsbeschäftigung vieler Tschechen. Von den insgesamt 10 Millionen Bürgern verbringen jährlich etwa 1,5 Millionen ihren Urlaub im Ausland, ungefähr eine weitere halbe Million begibt sich wiederum innerhalb des Landes auf Reisen. Um so empfindlicher reagieren die Tschechen natürlich auf regelmäßige Medienberichte, dass der eine oder andere Reiseveranstalter vor dem Aus steht und seinen Verpflichtungen gegenüber den Kunden nicht mehr nachkommen kann. Das buchstäbliche annus horibilis war in diesem Zusammenhang das Jahr 1997, denn damals verging gerade in den Sommermonaten nicht eine Woche, in der nicht irgendein Reisebüro in Schwierigkeiten geraten wäre. Viele Urlauber blieben dann in ihren Feriendomizilen hängen und sind oft nur mit äußerster Mühe in die Heimat zurückkehrt. Der lange ersehnte Urlaub wurde so oft zum Alptraum.
Seither schien der heimische Reisemarkt stabilisiert zu sein, bis vor drei Wochen Informationen publik wurden, wonach das Reisebüro Fischer, welches das größte Unternehmen der Reisebranche in Tschechien ist, vom Konkurs bedroht ist. Welche Auswirkungen kann das generell auf das Vertrauen der Kunden in die Reiseunternehmen haben?, denn schließlich waren es vor allem die großen Anbieter, die bis dahin als besonders sicher galten und denen es gelungen ist viele Kunden anzuziehen. Diese Frage stellte Radio Prag Old"ich Freidinger von der Assoziation der tschechischen Reisebüros und Reiseunternehmer:
"Diese Situation ist die Folge einer ganz konkreten historischen Entwicklung. Als es zu Beginn der 90er Jahre zu diesem riesengroßen Boom im Bereich des Fremdenverkehrs gekommen ist, führte das in der Reisebranche bis zum Jahr 1997 zu atemberaubenden Wachstumsraten. Im besagten Jahr 1997 übertraf das Angebot etwa dreimal die an der Kaufkraft gemessene Nachfrage. Vielen war klar, dass dieser Stand langfristig nicht haltbar ist. Es hat aber leider allzu lange gedauert, bis auch hier Gesetze zum Schutz der Verbraucher verabschiedet wurden und leider wurde das auch erst durch die negative Erfahrung des Jahres 1997 beschleunigt. Nach den drei Jahren, in denen nun das Gesetz gilt, wissen wir, wo die Schlupflöcher sind und wir versuchen nun deshalb im Interesse der Verbraucher, eine entsprechende Gesetzesänderung durchzusetzen. Es gehört auch zu den vorrangigen Zielen unserer Vereinigung, zu einer weiteren Kultivierung des tschechischen Reisemarkts und der gesetzlichen Grundlagen beizutragen."
Der Konkurs von Vaclav Fischers Reisebüro konnte vor einigen Tagen noch abgewendet werden, indem es in letzter Sekunde gelungen ist, einen finanzstarken Partner für das Unternehmen zu finden. Trotz dieses positiven Ausgangs wurde aber deutlich, dass nicht nur kleine oder mittelgroße Reisebüros in Schwierigkeiten geraten können, sondern auch die s.g. großen Spieler davor nicht gefeit sind. Welche Auswirkungen auf den tschechischen Reisermarkt hätte das mögliche Wegbrechen der großen Anbieter, wie eben Fischer oder dem ehemals staatlichen Reisebüro Cedok? Das war unsere nächste Frage an Herrn Freidinger:
"Die Aussage von Herrn Fischer auf der Pressekonferenz vom 3. August, wonach der Konkurs seiner Firmen zu einer Destabilisierung des heimischen Markts führen würde, haben wir aufs Schärfste zurückgewiesen und dagegen protestiert. Gegenwärtig gibt es in Tschechien mehr als 1000 Reiseanbieter, deren Angebot um mehr als die Hälfte die Nachfrage übersteigt. Wenn es also einen davon, und sei es der größte, nicht mehr geben würde, so bin ich davon überzeugt, dass diese Lücke von den Konkurrenten schnell wieder gefüllt werden würde."
Die Reisebranche ist wohl wie keine andere anfällig für neue Entwicklungen und Trends. Die Reiseunternehmen versuchen dem Rechnung zu tragen und flexibel zu sein. Laut dem Branchenkenner Freidinger kommt das Verhältnis zwischen Kunden und Reiseanbietern einem gegenseitigen Wechselspiel gleich, welches dazu führt, dass die ganze Branche lebendig bleibt. Er hält auch nichts von jenen düsteren Prognosen, die gerade im Sommer oft in den Medien bezüglich der weiteren Entwicklung auftauchen. Der Tourismus sei ein sehr vitaler Bereich und auch die Bereitschaft der Touristen Entbehrungen auf sich zu nehmen scheint da fast grenzenlos zu sein. Ebenso verfrüht seien laut Freidinger auch Spekulationen, wonach die Zeit der Niedrigst- und Billigstpreise endgültig vorbei sei und es in naher Zukunft zu einem empfindlichen Preisanstieg kommen wird. Im Gespräch mit Radio Rag begründet das Freidinger wie folgt:
"Ich meine, dass nicht nur in Tschechien, sondern in ganz Mitteleuropa und auch in Deutschland es einen derart großen Konkurrenzdruck auf die Reiseveranstalter gibt, dass die Gewinnspanne in vielen Fällen so niedrig ist, dass sie lediglich das Überleben des Unternehmens ermöglicht. Die Höhe der Preise ist etwa nicht nur von der Höhe der Versicherung abhängig, sondern generell von den Angeboten der Fluggesellschaften, der Hotelbetreiber usw. Manchmal kommen aber den Kunden auch außergewöhnliche Situationen entgegen, wie z.B. zu Jahresbeginn, als im Zuge der unsicheren Lage am Persischen Golf etwa in Ägypten die deutschen oder britischen Touristen ausblieben. Die Betreiber haben dann die Preise auf ein Niveau gesenkt, dass sie auch für tschechische Reisende attraktiv wurden. So wurde etwa ein zehntägiger Aufenthalt in einem Vier-Sterne-Hotel am Roten Meer schon für knapp 7000 Kronen, umgerechnet 230 Euro angeboten. Ich denke, dass so eine Gelegenheit nicht wiederholbar ist."
Heißt das also, dass die Tschechen - die Entwicklungen in der Weltpolitik hin oder her - sich auch zu Krisenzeiten nicht von ihrem Urlaub am Meer abhalten lassen? Reisefachmann Freidinger fügt dann noch hinzu:
"Natürlich sind sie sich der Gefahren bewusst, aber dieser mögliche Unsicherheitsfaktor spielt in den Überlegungen der Tschechen eine weitaus geringere Rolle als bei anderen. Das zeigen z.B. auch die Statistiken über die Tourismus-Entwicklung während der ersten drei Monate dieses Jahres, also als es den Krieg im Irak gab und in Fernost sich die SARS-Infektion verbreitete. Während die Zahl der ausländischen Besucher Tschechiens etwa um 5 Prozent abnahm, war die Zahl jener Tschechen, die zum Urlaub ins Ausland fuhren, praktisch gleich wie im Jahr zuvor. Der einzige Unterschied war, dass die Tschechen in den ersten drei Monaten dieses Jahres etwa eine Milliarde Kronen mehr für ihre Reisen ausgegeben haben. Also mit anderen Worten: In Tschechien reagierte man anders als etwa in England, Amerika, Japan oder anderen Ländern."
In der Assoziation der tschechischen Reisebüros sind insgesamt 175 meist kleine und mittelgroße Reisebüros aus allen Regionen des Landes vertreten. Das ermöglicht der Assoziation auch einen relativ umfassenden Einblick in das Reiseverhalten der Tschechen. Lassen sich also etwa innerhalb der vergangenen fünf Jahre in dieser Hinsicht irgendwelche gravierenden Veränderungen feststellen? Das war unsere abschließende Frage an Old"ich Freidinger von der Assoziation der tschechischen Reisebüros:
"Seit dem Beginn der 90er Jahre, als man das erste Mal ungehindert ins westliche Ausland reisen durfte, hat sich natürlich Vieles verändert. Längst vorbei sind die Zeiten, wo man in alten klapprigen Bussen nach Venedig oder Amsterdam fuhr, im Bus auf irgendeinem Parkplatz übernachtete und auf einer Propan-Gas-Flasche Tee kochte. Die tschechischen Touristen sind erwachsener und erfahrener geworden. Längst werden sie in den ausländischen Tourismusgebieten nicht mehr als die armen Verwandten angesehen. Man kann sogar sagen, dass das Reisen ins Ausland heute für viele Tschechen zum Lebensstil dazu gehört. Es besteht somit ein großes Potential für eine weitere Entwicklung des Fremdenverkehrs. Die Touristen aus Tschechien sind heute anspruchsvoller und die meisten geben sich nicht mehr nur mit Billighotels zufrieden. Bei der Art und Weise, wie man an sein Urlaubsziel gelangt, nehmen in letzter Zeit die Flugreisen sehr stark zu."