Tschechisch-deutsche Initiative: Romanische Kirche St. Maurenzen lebt auf

Kirche Sankt Maurenzen (Foto: Martina Schneibergová)

Durch den mittleren Böhmerwald führten im Mittelalter wichtige Handelswege, die Bayern mit Böhmen verbanden und auf denen vor allem Salz transportiert wurde. Daher ist es kein Wunder, dass sich genau in dieser Gegend die ältesten Kirchen des Böhmerwalds befinden. Eine von ihnen ist Sankt Maurenzen / Mouřenec.

Kirche Sankt Maurenzen  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Kirche Sankt Maurenzen steht in einer herrlichen Landschaft auf einem Hügel oberhalb der Gemeinde Annín / Annatal. Die romanische Kirche und der angrenzende Friedhof wurden während der kommunistischen Zeit ihrem Schicksal überlassen und waren nach der Wende von 1989 ziemlich heruntergekommen. Gerettet wurden sie dank der Initiative ehemaliger deutscher Bewohner, die im Böhmerwald ihre Wurzeln hatten. Für die Renovierung setzt sich seit den 1990er Jahren der Förderkreis zur Erhaltung von Sankt Maurenzen ein. Seine Begründer waren die beiden Architekten Karl Suchy und Karl Prinz. Die Kirche wurde wieder geweiht, und in der Folge wurde dort mehrmals im Jahr ein Gottesdienst zelebriert. Ansonsten blieb Sankt Maurenzen aber geschlossen, man konnte den Sakralbau nur von außen bewundern. Dies hat sich in letzter Zeit jedoch geändert. Am ersten Adventssonntag war die Kirche geöffnet, vor dem Gottesdienst weihte Pater Tomas van Zavrel draußen die Adventskränze. Interessierte konnten zudem an einer Führung durch die Kirche teilnehmen. Auch an weiteren Adventssonntagen und während der Weihnachtszeit war und ist Sankt Maurenzen zugänglich. Tomas van Zavrel ist Pfarrvikar im nahe gelegenen Sušice / Schüttenhofen.

Tomas van Zavrel  (Foto: Martina Schneibergová)
„Sankt Maurenzen trägt etwas Mystisches in sich, so dass immer Leute herkommen, die einen Ort suchen, an dem sie zur Ruhe kommen können. Es ist wunderbar und verwunderlich, dass die Menschen an diese Stelle kommen, die so weit von der Zivilisation entfernt liegt, um einem Konzert, einer heiligen Messe oder einer Meditation beizuwohnen. Von vielen Leuten höre ich auch, dass sie selbst dann kommen, wenn hier nichts auf dem Programm steht, einfach um sich hinzusetzen und Kraft zu holen. Das finde ich wunderbar. Das zeigt auch, wie viele Gebete und wie viel spirituelle Erfahrungen da von den alten Einwohnern gemacht worden sind, die zur Kirche gingen und ihr Leben rund um die Kirche gebaut hatten.“

Kirche Sankt Maurenzen  (Foto: Martina Schneibergová)
Früher war die Kirche nur ein paarmal im Jahr geöffnet, meist im Sommer, wenn die ehemaligen Bewohner und ihre Nachkommen zu Besuch kamen. Dies hat sich jetzt geändert. Wie kam es dazu?

„Es ist unheimlich viel, was die vertriebenen Landsleute hier gemacht haben. Wenn es sie nicht gegeben hätte, wäre die Kirche nicht in diesem guten Zustand gewesen. Es handelt sich zwar um eine Pfarrkirche, aber es gibt hier keine Pfarrgemeinde. Auch einige Tschechen und einige Institutionen haben bei der Instandsetzung geholfen. Es war aber nicht möglich, aus Sankt Maurenzen ein Zentrum von Kultur, Gebet und Spiritualität zu machen, weil es kaum Menschen gab, die sich engagieren wollten. Die Gemeinde hat uns schon immer gern unterstützt, sie unterhält den Friedhof und hat vor einigen Jahren die Asphaltstraße zur Kirche hinauf bauen lassen. Das hilft uns sehr. Aber erst als mir die Deutschen gesagt haben, sie wollten nicht, dass dies hier ein Ort für Deutsche wäre, sondern auch viele Tschechen kommen sollten, da begriff ich, dass sie es nicht für sich selbst gemacht haben, sondern für weitere Generationen. Architekt Karl Suchy hat mir mehrmals gesagt, dass er alt werde, dass die Landsleute alt würden und nicht mehr hinkommen können. Da ich imstande bin, während der heiligen Messe tschechisch und deutsch zu sprechen, gelang es mir, auch viele Tschechen nach Sankt Maurenzen einzuladen - und diese sind auch gekommen. Das hat den deutschen Landsleuten viel Freude gemacht. Es kamen Leute aus Sušice und Umgebung. Da fiel mir ein, dass wir doch etwas mehr hier machen könnten. Es war dann ein Geschenk Gottes, dass zu der Zeit Lukáš Milota um die Ecke kam und mir seine Hilfe angeboten hat, um in Sankt Maurenzen etwas zu veranstalten. Wir haben damals von der EU eine Förderung bekommen und haben einen Sommer mit vielen Lesungen und Konzerten hier organisiert. Alles spielte sich deutsch-tschechisch ab. Von der deutschen Seite sind nicht viele Menschen gekommen, aber es kamen viele Tschechen. Jeden Sonntag gab es hier eine Veranstaltung. Obwohl es ursprünglich nicht geplant war, die Kirche auch im Winter regelmäßig offen zu halten, ist es so gekommen.“

Lukáš Milota  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Wiederbelebung von Sankt Maurenzen initiiert hat Lukáš Milota. Er stammt aus dem nahe liegenden Annín und hat eine besondere Beziehung zu dem Ort.

„Meine Familie wurde nach dem Krieg nicht vertrieben, meine Oma stammte zwar aus einer deutschen Familie, sie arbeitete damals aber in der Glashütte in Annín. Sie konnte sich entscheiden, ob sie bleibt. Dann hat sie einen Tschechen geheiratet. Nach der Wende von 1989 kamen viele Mitschülerinnen und Bekannte meiner Oma wieder zu Besuch nach Annín. Sie trafen bei uns zusammen und sprachen über die Instandsetzung der Kirche. Viele von ihnen haben sich nach 40 Jahren erstmals wieder gesehen. Für meine Oma war das ein starkes Erlebnis. Da sie zweisprachig war, konnte sie mit dem Dolmetschen bei den Arbeiten in Sankt Maurenzen helfen.“

Foto: Martina Schneibergová
Der Großvater von Lukáš Milota kümmerte sich 17 Jahre lang um die Kirche und nahm seinen Enkelsohn oft mit.

„Wir haben auf dem Friedhof die halb zerfallenen Messingkreuze repariert. Bei den Gottesdiensten habe ich dann die Balgen getreten, und so habe ich eine enge Beziehung zu diesem Ort gewonnen. Zudem wohnen wir unten in Annín, sodass ich es nicht weit hatte. Und übrigens: Unter dem Kirchenfenster ist mein deutscher Urgroßvater bestattet. 2011 ist ein neuer Priester, Pater Tomas van Zavrel, hier hergekommen. Meine Idee war, dass ich etwas für Sankt Maurenzen tun müsse. Ich habe mir gesagt, dass ich doch die Möglichkeit habe, den Ort für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen, die Menschen hierher einzuladen, Besichtigungen anzubieten, Konzerte zu organisieren und damit an die Arbeit meines Opas anzuknüpfen, der sich viele Jahre lang um die Kirche gekümmert hat. Ich habe das dann mit Pater van Zavrel besprochen und die Kirche allgemein zugänglich gemacht. Es ist kaum zu glauben, dass wir Sankt Maurenzen einige Mal im Monat für Konzerte, Führungen, Vorträge, Meditationen öffnen. Sankt Maurenzen lebt, und ich bin sehr glücklich darüber.“

Kirche Sankt Maurenzen  (Foto: Martina Schneibergová)
Lukáš Milota und sein Team, das aus drei weiteren engagierten Menschen besteht, nennen sich „Freunde von Sankt Maurenzen“. Sie haben eine gleichnamige Webseite eingerichtet, auf der sie auch in Deutsch über ihre Aktivitäten informieren. Bisher seien sie kein Verein, sagt er:

„Sobald wir einen Verein gründen, werden wir formal verankert sein, aber ich hoffe, dass sich dann nichts an unserem Einsatz und Enthusiasmus ändert. Wir haben vor, mit dem deutschen Förderkreis zu Erhaltung von St. Maurenzen zusammenzuarbeiten, um unsere Tätigkeit zu verflechten und gemeinsame Veranstaltungen zu initiieren. Ich bin davon überzeugt, dass es klappt.“

Die Adventszeit wurde in Sankt Maurenzen mit einem Gottesdienst eingeleitet. An ihm nahmen auch Margrit und Hans-Hermann Kaiser teil. Sie leiten den deutschen Förderkreises zu Erhaltung von Sankt Maurenzen. Im Folgenden ein Interview mit Ihnen:

Margrit Kaiser,  Lukáš Milota und Hans-Hermann Kaiser  (Foto: Martina Schneibergová)
Haben Sie eine besondere Beziehung zu diesem Ort und zum Böhmerwald?

„Wir haben schon eine sehr enge Beziehung zu diesem Ort. Ich war Wanderwartin in Bodenmais und bin jedes Jahr im September mit einer Gruppe hierher gewandert. So habe ich Herrn Suchy kennengelernt. Im Mai dieses Jahres hat er uns angerufen und gefragt, ob wir den Förderkreis übernehmen wollen, weil er in München niemanden findet. Wir haben uns das überlegt. Es ist ein so schöner, ruhiger, mystischer Ort, da konnten wir nicht nein sagen. Jetzt haben wir das zu zweit übernommen, und es besteht eine Gruppe von Menschen, die mitmacht.“

Foto: Martina Schneibergová
Sie haben hier an einem Adventsgottesdienst teilgenommen. War das Ihr erster Besuch hier in diesem Jahr?

„Nein, wir sind seit Mai mindestens einmal im Monat hier. Wir haben auch an der Feier anlässlich des 25. Jahrestags der Samtenen Revolution teilgenommen, das war hier ganz toll. Für uns sind es 50 Kilometer, da können wir leicht herfahren. Wir machen am Sonntag einen Ausflug, um mit Lukáš zu reden und zu sehen, was man hier noch tun und was man unterstützten kann und was die deutsch-tschechische Freundschaft noch mehr festigen könnte.“

Foto: Martina Schneibergová
Der Förderkreis zur Erhaltung von St. Maurenzen hatte einst viele Mitglieder. Ich habe die Anfänge hier vor Ort erlebt. Aber inzwischen sind die Menschen älter geworden und können nicht mehr herkommen. Gibt es noch mehr Leute, die sich wie Sie engagieren?

„Wir haben jetzt, seitdem wir den neuen Vorstand gewählt haben, zehn neue Mitglieder und haben viele Spenden erhalten. Wir sind jetzt noch 79 Mitglieder im Verein. Sie haben fast alle an der Versammlung teilgenommen, sonst aktiv sind wir aus dem Kreis um Bodenmais herum: also das Team, das wir zusammengestellt haben. Wir haben auch einige Architekten als Unterstützer. Auch vom Bayerischen Waldverein in Bodenmais bekommen wir Unterstützung, wenn es hier etwas zu tun gibt. Wir sind also mit Leib und Seele dabei.“

St. Moritz / St. Maurenzen  (Foto: Martina Schneibergová)
Haben Sie auch bestimmte Vorschläge, was hier noch in Stand gesetzt werden könnte?

„Wir haben schon viele Ideen. Aber Sankt Maurenzen wird von der Kirche in Tschechien verwaltet, und wir schließen uns gern dem an, was vorgeschlagen wird und was unterhaltenswert ist. Zum Beispiel handelt es sich um die Restaurierung eines der Bilder. Wenn uns Lukáš, der Pfarrer, und der Diakon ansprechen, werden wir darüber im Gremium diskutieren, abstimmen und die Kirche finanziell unterstützen, wie es auch Herr Suchy und Herr Prinz in den letzten 20 Jahren gemacht haben. Es geht uns darum, diesen schönen Ort zu erhalten.“

Sankt Maurenzen wird auch in der Silvesternacht belebt sein: Pater van Zavrel wird dort um Mitternacht einen Gottesdienst zelebrieren – natürlich in Tschechisch und Deutsch. Mehr über die Kirche erfahren Sie unter www.pratelemourence.cz. Eine Führung durch die Böhmerwaldkirche Sankt Maurenzen können Sie in einer der nächsten Ausgaben unseres Reiselandes Tschechien hören.