Tschechisch-österreichische Beziehungen
Den jüngsten Entwicklungen in den tschechisch-österreichischen Beziehungen ist unser heutiger Schauplatz gewidmet, zu dem Sie nun Silja Schultheis und Robert Schuster begrüßen.
In der vergangenen Woche krachte es wieder einmal im äußerst komplizierten Geflecht der Beziehungen zwischen den beiden Nachbarländern Österreich und Tschechien. Den Anlass dafür gab das gerade zu Ende gegangene Volksbegehren gegen die Inbetriebnahme des südböhmischen AKW Temelin. Die Kampagne wurde auf österreichischer Seite maßgeblich von der rechtsgerichteten Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) des Populisten Jörg Haider unterstützt, einer Partei also, die seit zwei Jahren Teil der Regierung in Wien ist. Da die FPÖ dieses Volksbegehren mit der Drohung eines möglichen Vetos Österreichs gegen die angestrebte EU-Mitgliedschaft Tschechiens verband, wurde das Treiben der Österreicher in Prag mit einigem Argwohn und Nervosität verfolgt. Das ging dann soweit, dass sich der tschechische Regierungschef, Milos Zeman, der auch sonst nie um einen Ausspruch verlegen ist, in einem Interview ziemlich undiplomatisch über jene Österreicher äußerte, die das Volksbegehren unterzeichneten. Zeman löste durch seine Äußerungen fast eine neue Eiszeit in den Beziehungen beider Länder aus.
Wir fragten deshalb Miroslav Kunstát von der Prager Karlsuniversität, der dort das Institut für deutsche und österreichische Studien leitet, ob die Beziehungen beider Länder durch die Entwicklungen der letzten Wochen und Tage in Mitleidenschaft gezogen wurden:
Es ist schon paradox, dass gerade in den letzten beiden Jahren Tschechien immer wieder Konflikte mit Österreich hat, mit Deutschland jedoch fast keine. Dabei war es vor allem bis zur Mitte der 90er Jahre genau umgekehrt. Es verging nicht eine Woche, in der es nicht zu irgendwelchen Querschüssen zwischen Bonn und Prag gekommen wäre. Gibt es dafür eine Erklärung, dass jetzt scheinbar die Beziehungen zu Österreich ein Sorgenkind zu sein scheinen?
In den letzten Jahren sorgte jedoch nicht nur das AKW Temelin für Irritationen zwischen dem Regierungen Tschechiens und Österreichs. Gerade in der letzten Zeit werden nämlich auch immer wieder ungelöste Fragen der gemeinsamen Vergangenheit aufgetischt und waren der Grund für Spannungen. Die vergangene Woche hat auch gezeigt, dass jene Kräfte, die maßgeblich hinter dem Anti-Temelin-Volksbegehren standen nun versuchen werden die Frage der Vertreibung der Sudetendeutschen nach Österreich 1945 zu thematisieren. Dazu gehört zweifelsohne auch die Forderung nach einer Aufhebung jener Bestimmungen, auf Grund derer es zu diesen Vertreibungen kommen konnte, der s.g. Benes-Dekrete. Alle tschechischen Regierungen haben bislang diese Forderung kategorisch abgelehnt und das damit begründet, dass dadurch das ganze Rechtssystem ins Wanken geraten würde. Die Regierungen in Wien und Prag haben sich dabei schon früher geeinigt, gerade diese offenen Fragen der gemeinsamen Vergangenheit noch vor dem EU-Beitritt Tschechiens bilateral zu lösen. Wird oder kann dies gerade angesichts der Emotionen, welche dieses Thema immer noch auf beiden Seiten hervorruft, gelingen? Das fragte Radio Prag Miroslav Kunstát, der auch offizielles Mitglied in der tschechisch-österreichischen Historikerkommission ist:
Nun ist ja gerade bei den von vielen als offen bezeichneten Fragen mit Vergangenheitsbezug die Reaktion der Öffentlichkeit ganz besonders wichtig. Dabei geht es häufig auch darum angestaute Vorurteile zu beseitigen oder zumindest abzuschwächen. Dazu bedarf es aber auch einer gewissen elementaren Reife, welche in der Gesellschaft vorhanden sein muss. Sind beide Gesellschaften schon so weit, um auf mögliche Kompromisse in diesen Fragen einzugehen?
Oft wird im Zusammenhang mit Tschechen und Österreichern betont, wie ähnlich sich doch diese beiden Völker sind. Gerade dann besteht jedoch laut der Meinung von Miroslav Kunstát die Gefahr, dass es zu typisch verengten Darstellungsweisen kommt. Dann werde nämlich den Tschechen sofort das Bild des braven Soldaten Schwejk um den Hals gehängt, den Österreichern vielleicht jenes von dem Herrn Karl. Kunstát sieht die Ähnlichkeiten zwischen beiden Ländern vor allem darin, dass sowohl Österreich als auch Tschechien in den letzten Jahren wichtige Transformationsprozesse durchgemacht haben, wir er abschließend gegenüber Radio Prag erläutert.