Tschechisch-Wörterbuch als treuer Sommerbegleiter
Die Sommerzeit ist nicht nur Ferien- und Urlaubszeit. Für viele ist die Sommerzeit auch Studienzeit. Und zwar mindestens für die 393 Personen, die sich entschieden haben, an einer der Sommerschulen der slawischen Studien in Prag oder Brünn teilzunehmen. Sie haben ein Wörterbuch eingepackt und wollen die Sommerzeit für die Verbesserung ihrer Tschechisch-Kenntnisse nutzen. Bara Prochazkova hat mit den Teilnehmern und mit den Organisatoren gesprochen:
"Weil ich gerne eine Sprache sprechen möchte, die nicht jeder in Österreich spricht.""Meine Vorfahren kommen aus Böhmen und Mähren, allerdings wohnen sie seit mehreren Generationen in Österreich. Das heißt zwar, dass bei mir außer dem Namen nicht viel Tschechisches ist, aber warum nicht mal `back to the roots` gehen.""Ich lerne Tschechisch einerseits weil es sehr interessant ist und ich Prag besonders mag, aber ich arbeite auch mit vielen Leuten aus Tschechien zusammen.""Weil ich gerne Tschechisch lernen möchte und Prag kennen lernen möchte.""Meine Mutter ist Tschechin und ich habe mir überlegt, da ich auch einen tschechischen Reisepass habe, dass es auch ganz gut wäre, wenn ich auch die Sprache sprechen könnte." "Weil ich mir vorstellen könnte, einfach in Prag zu leben und zu arbeiten."
Die Vielfalt der Hintergründe bestätigt auch der Direktor der Sommerschule an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität, Jan Kuklik. Viele studieren Slawistik und müssen eine zweite slawische Sprache lernen, es kommen auch Kinder von bilingualen Familien oder junge Leute, die einen tschechischen Partner haben und sich daher mit ihm besser verständigen wollen, sagt Kuklik aus einer 15-jährigen Erfahrung als Direktor der Sommerakademie. In den letzten Jahren gebe es immer mehr Studenten, die aus beruflichen Gründen den Sommer gerne mit einem Tschechisch-Lehrbuch in der Hand verbringen. Zu ihnen gehört auch der Jurist Oliver Ruppel aus München:
"Darüber hinaus habe ich in der letzten Zeit beruflich auch mit Tschechen und Slowaken zu tun. Ich bin Rechtsanwalt, arbeite als Unternehmensberater in München und habe festgestellt, dass es womöglich von Vorteil sein könnte, die Sprache etwas besser zu beherrschen, um meinen Geschäftspartnern dahingehend vergleichbar dazustehen."Jan Kuklik betont jedoch, dass die Gründe zum Tschechisch-Lernen auch regional sehr unterschiedlich sein können:
"Ich kann Ihnen aus meiner langjährigen Erfahrung sagen, dass zum Beispiel für Japaner der Grund zu uns zu kommen, die tschechische Musik ist. Die Bohemistik in Japan hing damit zu einem großen Teil zusammen. Und wir haben in der Sommerschule jedes Jahr Teilnehmer aus Japan, die nach Tschechien gekommen sind, um hier Musik zu studieren."
Das war aber nicht immer so! Die Zeiten - und damit auch die Gründe - ändern sich. Das bestätigt Zdenek Marecek, der die Sommerschule der slawischen Studien in Brünn, in diesem Jahr für 178 Teilnehmer, mitorganisiert:
"Die Sommerschule, die heute zum 38. Mal stattfindet, entstand aus einer Spezialausbildung für Slawisten, die in den freien 60er Jahren zum ersten Mal stattgefunden hat. In der 70er Jahren war es manchmal schwierig, weil die Stasi sich ihre Opfer unter den Studenten suchte, aber in den 80er Jahren ist es immer besser und freier geworden. Heutzutage sind wir in der Situation, dass immer mehr Nicht-Slawisten zu uns kommen. Das Fachpublikum beschränkt sich jetzt auf einige Hochschulassistenten und Dolmetscher aus Brüssel, die bei uns ihr Tschechisch ein bisschen auffrischen wollen."
Aber nicht nur junge Leute verbringen ihre Sommerferien in Tschechien. Der Germanist Zdenek Marecek denkt an besondere Teilnehmer, die sich in den letzten Jahren in sein Gedächtnis geprägt haben:
"Es gibt auch Leute, die ich besonders schätze, die zu den Vertriebenen gehören. Ich habe in Wien eine Dame kennen gelernt, die auch einmal zu der Sommerschule nach Brünn gekommen ist. Sie wurde aus Teplitz-Schönau vertrieben. Sie hatte zwar Hemmungen, überhaupt nach Teplitz-Schönau zu fahren, aber sie hat sehr intensiv Tschechisch gemacht. Ihr eigentliches Fach war Krankenpflege, sie unterrichtete in Linz, wohnte in Wien, besuchte literarische Kurse und las tschechische Literatur. Das war für mich der beste Beweis, dass die Sprache und die Sprachkenntnis diese Kluft zwischen den Nationen, die sich Böses angetan haben, überbrücken kann."
Die Heterogenität der Gruppen liegt nicht nur in dem Alter und den Gründen, warum die Studenten nach Tschechien gekommen sind, sondern auch in ihrem Sprachniveau. Neben Tschechisch-Lehrern und Fortgeschrittenen kommen auch Anfänger nach Prag und Brünn. Die Organisatoren haben in ihrem Unterrichts- und Freizeitprogramm an alle gedacht. Sprachstunden, wechseln mit Fachexkursionen sowie Ausflügen. Jedes Jahr treffe er bekannte Gesichter aus den vergangenen Jahrgängen der Sommerakademie, bestätigt Jan Kuklik von der Karlsuniversität. Er setzt eine große Hoffnung in die Teilnehmer:"Auch wenn die Organisatoren nicht die Illusion haben sollten, dass jeder von diesen Teilnehmern sich im seinem Leben wirklich fachlich mit der Bohemistik befassen wird. Doch selbst wenn es nur einige Prozent wären, ist das sehr wichtig. Denn durch sie wird dann eine Perspektive entstehen, dass sich die Bohemistik auch im Ausland weiter entwickelt."
Die Übersetzer bekommen eine Möglichkeit, in der Bibliothek für ihre wissenschaftlichen Arbeiten zu recherchieren, die Anfänger lernen ihre ersten Vokabeln. So auch der Physik-Student Christian Stepanek aus Bayreuth:
"Ich finde die Aussprache sehr schwer, mit den ganzen ´Hatscheks´ und den anderen Aussprachezeichen. Außerdem kann ich es mir im Moment als Anfänger nicht so ganz vorstellen, wirklich fließend Tschechisch zu sprechen, weil man zum Beispiel die Fälle am Anfang doch noch konstruieren muss. Es erinnert mich ein bisschen an das Lateinische, aber das mussten wir nur schriftlich ablegen, wir hatten also Zeit zum Überlegen. Aber im Gesprochenen muss es ja sehr schnell und spontan sein."
Die Pädagogik-Studentin Marlene Gross, die zur Sommerschule aus Wien gekommen ist, hat auch noch einige Probleme mit der tschechischen Sprache:
"Es ist nicht so schwierig die Wörter zu lernen, sondern die Sätze zu konstruieren. Mit den verschiedenen Endungen, die sich daraus je nach Fall, Geschlecht oder Person ergeben. Das ist nicht so einfach, das zu lernen."
Die Teilnehmer des Anfängerkurses der Sommerschule in Prag sind sich jedoch einig, dass sie dieser Herausforderung gewachsen sind und weiter lernen wollen. Häkchen hin oder her, denn die Sprache ist schön, sagt für alle Oliver Ruppel:
"Ich finde sie sehr klangvoll und sie ist sehr facettenreich, sie ist also in keiner Weise langweilig. Das bedeutet gleichermaßen auch eine Herausforderung für uns. Die Aussprache hat natürlich gewisse Schwierigkeiten in sich, aber sie ist sehr melodisch."Vielleicht könnte irgendwann auch der Studentin Gesche Wischmann aus Hamburg ihr Wunsch für die vier Wochen in Prag in Erfüllung gehen:
"Vielleicht meine Familie noch ein bisschen besser zu verstehen, wenn sie sich unterhalten. Ich glaube, dass ich dann nicht wirklich kommunizieren kann. Ich möchte einfach die Stadt erleben, in der meine Mutter groß geworden ist."
Die 215 Teilnehmer der 49. Sommersprachschule in Prag wurden im alten Rathaus auf dem Altstädter Ring vom Stadtrat Jan Strof begrüßt, und er war von ihren Tschechisch-Kenntnissen begeistert. Strof erhofft sich, dass das Interesse der Menschen für die tschechische Sprache und die Kultur auch in der Zukunft bestehen bleibt:
"Die Leute, die sich entschieden haben, diese Sprache zu lernen, und die bis jetzt mindestens ein bisschen gelernt haben, haben phantastische Ergebnisse erbracht. Wenn sie mit der Sprache anfangen, hoffe ich, dass sie immer wieder gerne zurückkehren und auch die tschechische Kultur intensiv kennen lernen, die meiner Meinung nach der Welt noch viel zu bieten hat."
Die Teilnehmer der Sommersprachschule sollen nicht nur Spaß am Lernen und an der Tschechischen Republik haben, sie erfüllen langfristig auch eine wichtige Aufgabe, sagte der Historiker Jak Kuklik:
"Sie stellen in ihren Heimatländern oft nicht nur Fachleute mit perfekten Kenntnissen der Kultur, Literatur und Sprache, sondern auch, wie ich es nennen würde, `nicht ernannte Honorarkonsule` dar."