Tschechische Beteiligung an der Leipziger Buchmesse
Vom 20.-23. März hat in Leipzig die Buchmesse stattgefunden, auf der sich auch achtzehn tschechische Verlage präsentierten und in verschiedenen Lesungen neun tschechische Autoren vorgestellt wurden. Hören Sie mehr über die tschechische Präsenz zur Leipziger Buchmesse im heutigen Kultursalon von Martina Zschocke.
Alljährlich gibt es in Deutschland zwei Buchmessen: im Herbst in Frankfurt und im Frühjahr in Leipzig. Vom 20.-23. März fand die diesjährige Leipziger Buchmesse statt. Unter 1900 Ausstellern befanden sich auch 18 tschechische Verlage. Nach Dana Kalinová, der Leiterin der tschechischen Buchmesse Svet knihy -Welt des Buches-, sei die Übersetzung von Büchern tschechischer Autoren ins Deutsche die Brücke zu deren Erscheinen in weiteren Weltsprachen und damit der beste Weg, sie auf den internationalen Buchmarkt zu bringen. Die Leipziger Buchmesse sei auch eine gute Möglichkeit für tschechische Verlage Kontakte zu knüpfen, betont sie weiter. Zur Buchmesse in Leipzig gehören immer auch zahlreiche Lesungen. In diesem Jahr wurden auf Autorenlesungen neun tschechische Dichter und Schriftsteller vorgestellt. Zur Auswahl der Autoren äußert sich der Übersetzer und Moderator vieler tschechischer Lesungen Mirko Kraetsch:
"Na, die Auswahl der Autoren wird vom Kulturministerium getroffen, mir obliegt es dann wirklich nur die Moderation zu machen, allerdings kenne ich die Leute vom Kulturministerium und gebe da meine Meinung auch kund. Und ich glaube, dass die Auswahl, das Spektrum - wie man heute gesehen hat - sehr, sehr breit war und relativ glücklich getroffen ist."
Von tschechischen Verlagen wurden die Dichter Petr Borkovec, Katerina Rudcenkova und Zbynek Hejda und die Schriftsteller Emil Hakl, Josef Nesvadba und Jaroslav Rudis, sowie die Autobiographie der Opernsängerin Sona Cervena vorgestellt. Der deutsche Aufbauverlag präsentierte darüber hinaus Lenka Reinerova und der österreichische Czernin-Verlag die deutsche Übersetzung von Patrik Ouredniks "Europeana." Außerdem las der Autor Milos Urban im Rahmen der Reihe "Willkommen zu Hause - Europa im Übergang" einen Essay zu diesem Thema. Hören Sie daraus jetzt einen Auszug:
"Sehr geehrte Damen und Herren. Eine Warnung vorab. Ich spreche hier weder für Politiker noch für Geschäftsleute, nicht für Fernsehzuschauer oder Fans von Karel Gott, sondern für Intellektuelle, Künstler und Ökologen, anders kann ich es nicht. Ich rechne mich selbst zu Ihnen und halte sie, mich inbegriffen, für eine bedrohte Art. Darauf mache ich im Voraus aufmerksam, damit keiner auf die Idee kommt, dass ich hier im Namen aller Tschechen das Wort ergreife."
Die Buchmesse war zwar gut besucht, aber auch überschattet vom Beginn der Irakkrieges, worauf einige Autoren - u.a. Lenka Reinerová - in ihren Lesungen deutlich Bezug nahmen.
"Und jetzt bin ich ein bisschen überrascht zu sehen, dass dieser riesengroße Saal sogar voll ist. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie gekommen sind, denn ich glaube, es ist leider kein Tag wie jeder andere. Denn wir sind konfrontiert damit, dass - glücklicherweise noch nicht auf unserem Kontinent - aber in unserer Welt, wieder einmal ein Krieg ausgebrochen ist. Ehrlich gesagt, ich habe gehofft, dass ich einem solchen Erlebnis nicht mehr Zeuge sein muss. Aber wir wollen heute nicht über diesen Krieg sprechen. Doch ich denke, wir können auch nicht so tun, als ob wir nicht wüssten, was passiert ist."
Dennoch war die Buchmesse, was die Besucherzahlen und die Anzahl der Aussteller anging ein großer Erfolg. Auch die Lesungen wurden regelmäßig gut besucht. Am Samstag las die tschechische Mezzosopranistin Sona Cervena aus ihrer Autobiographie. Cervenas Name durfte - nach ihrer Flucht in den Westen - in der ehemaligen Tschechoslowakei jahrzehntelang nicht genannt werden. Sie sang an vielen großen Opernhäusern Westeuropas und der USA und arbeitete nach der Beendigung ihrer Karriere als Opernsängerin als Schauspielerin am Thalia-Theater Hamburg. Dort wirkte sie zuletzt in "Poetry" von Robert Wilson und Lou Reed mit. Über die Atmosphäre der Leipziger Buchmesse zeigt sie sich begeistert:
"Und ich finde das faszinierend, diese Atmosphäre und dieses Interesse an Büchern und Kultur. Es ist einfach eine ganz andere Welt, als sonst in der Welt herrscht. Man wird hier sehr glücklich und sauber."
Neben vielen ins Deutsche übersetzten Büchern wurden auch drei Ausschnitte aus Texten vorgestellt, die eigens für die Buchmesse übersetzt wurden und noch nicht in Deutsch erschienen. Dazu gehörten die Bücher "Hölle Benes" von Josef Nesvadba, "Der Himmel unter Berlin" von Jaroslav Rudis und die Erzählung "Amerika ist halt einfach Amerika" von Emil Hakl. Hören Sie jetzt einen Ausschnitt aus dieser Erzählung von Emil Hakl, die bisher nur in der Zeitschrift "Tyden" erschien.
Bei vielen dieser Lesungen wurde vom Publikum mehrfach deutlich der Wunsch geäußert, die Bücher mögen doch bitte ins Deutsche übersetzt werden. Obwohl die Lesungen oft nur kurz waren und die Autoren eher skizzenhaft vorstellten, wurde vielfach Interesse an den vorgestellten tschechischen Autoren geweckt. Hören Sie zur Auswahl und zum Ziel der Lesungen noch einmal den Übersetzer und Moderator Mirko Kraetsch:
ot;Es ist immer zu wenig Zeit. Die Lesungen sind zu kurz, das ist natürlich klar, aber das werden wahrscheinlich alle sagen, auch die Länder, die jeden Tag 5 Stunden Autorenlesungen hier veranstalten, werden immer noch sagen, dass es zu wenig ist, wir haben eigentlich mehr zu bieten. Natürlich hat die tschechische Literatur noch viel mehr zu bieten, aber ja man muss sich eben immer beschränken. Das sind so äußere Zwänge, aber wir versuchen immer das Beste daraus zu machen, ein möglichst vielschichtiges Bild zu geben von der tschechischen Literatur und wie gesagt, Informationen kann man dann immer auch am Stand kriegen. Aber natürlich sind solche Lesungen zugkräftig, weil da Leute angeregt werden, sich damit zu beschäftigen, die es vielleicht noch nicht kennen."
Das letztgenannte Ziel wurde eindeutig erreicht. Die Resonanz aus dem Publikum war durchweg groß. Die Besucher nahmen sich Zeit für die Lesungen und die Autoren, was zum Teil sicher an der besonderen Atmosphäre der Leipziger Buchmesse liegt. Mirko Kraetsch beschreibt diese wie folgt:
"Also ich finde das immer sehr nett, was aber prinzipiell an Leipzig liegt, dass in Leipzig ein Publikum da ist, das erwartet, das überall gelesen wird, dass sich dafür interessiert, dass auch deshalb herkommt, um sich Sachen anzuhören, um was weiß ich. Autoren kennen zu lernen, um irgendwas zu erleben. Also ich kann das selber auch sehr gut nachvollziehen, denn es ist toll, wenn man hier den ganzen Tag sich erschlagen lässt von diesem Angebot, dann einfach sich mal eine halbe Stunde hinzusetzen und jemand erzählt einem eine Geschichte, das ist total prima."
Inwieweit die Leipziger Buchmesse auch wirtschaftlichen Erfolg mit sich bringt oder Übersetzungen nach sich zieht, wird sich wohl erst in den folgenden Monaten zeigen. Kontakte sind auf jeden Fall geknüpft und Interesse geweckt. Die Präsenz tschechischer Literatur auf der Buchmesse konnte es durchaus mit der Schweiz oder Österreich aufnehmen, was immerhin ein guter Schritt in Richtung europaweiter Präsenz tschechischer Bücher - jenseits bereits namhafter Autoren - bedeutet. Hören Sie zum Abschluss noch einmal den Moderator der meisten tschechischen Lesungen Mirko Kraetsch:
"Und deshalb bin ich einfach froh, daß es das in Leipzig gibt. Eigentlich ist es egal, wie viele Leute kommen - wir hatten Glück, dass es immer voll war, sogar die Lyriklesungen am Freitag Mittag um 12.00 Uhr, was eigentlich erst mal per se eine komische Zeit ist. Es war eigentlich voll und die Leute haben zugehört. Es ging 1 ½ Stunden, 3 Lyriker. Es macht einfach Spaß, wenn man merkt, dass sich Leute dafür interessieren, was man so gemacht hat, was man vorbereitet hat, wenn man sich Mühe gibt. Vielleicht, wenn man auch wieder geschäftlich denkt, saß ja auch der Eine oder die Andere darunter, die das vielleicht in Kanäle lenkt, wo dann vielleicht auch geschäftlich was draus wird, dass man vielleicht irgendwelche tschechischen Autoren dann auf dem deutschen Markt unterbringen kann."
Das war ein Überblick über die Buchmesse, die kürzlich in Leipzig stattfand. Fürs Zuhören bedankt sich ganz herzlich Martina Zschocke.