Eine Familie gegen die besten Fußballvereine der Welt – darum geht es im Roman „Klapperzahns Wunderelf“ von Eduard Bass. Dabei ist das Buch, das erstmals im Jahr 1922 erschien ist, viel mehr als nur Jungen-Lektüre.
Klapperzahns Wunderelf erschien 2008 in einer neuen deutschen Übersetzung im Wuppertaler Arco Verlag. Der Herausgeber war der Bonner Sporthistoriker Stefan Zwicker. Christoph Haacker ist Geschäftsführer des Arco Verlags. Er beteiligte sich an der Übersetzung von „Klapperzahns Wunderelf“. Die Bohemistin Daniela Pusch hat die Übersetzung begutachtet. In den folgenden Minuten hören Sie ein Gespräch mit Christoph Haacker und mit Daniela Pusch.
Herr Haacker, was war der Beweggrund für die Herausgabe von „Klapperzahns Wunderelf“ in Ihrem Verlag?„Ein Verleger ist, bevor er an das Verlegen denken darf, ein Leser. Ich war begeistert, als ich ,Klapzubova jedenáctka‘ in die Hände bekam. Ich fand, dass es ein großartiges Buch ist. Das war ein paar Jahre vor der Fußball-WM 2006 in Deutschland. Ich las eine Ausgabe, die in der DDR herausgegeben wurde. Das war meine erste Begegnung mit diesem Buch, das 1935 ins Deutsche übersetzt wurde und dann ab den 1950er Jahren in einer anderen Übersetzung erschien.“
Es gab also zuvor zwei Übersetzungen ins Deutsche. Erkennt man an der Ausgabe aus der DDR die Spuren des ideologischen Einflusses?
„Interessanterweise gilt das unbedingt für die DDR-Ausgabe, aber es gilt auch für die tschechischen Ausgaben nach dem Zweiten Weltkrieg. Das widerspricht dem Geist des Buches von 1921. Eine verblüffende Sache: Wie kann ein auf den ersten Blick als harmloses Kinderbuch geltendes Buch politischen Anstoß erregen? Ich nennen ein Beispiel: Es gibt die Szene des berühmten Fußballspiels zwischen Klapperzahns Elf und dem damals berühmten Klub Huddersfield in London und es gibt bei dieser Gelegenheit ein Gespräch zwischen dem englischen König und dem alten Klapperzahn, das wunderbar ist. Und der englische König äußert in dieser Situation den Gedanken, man möge doch Kriege abschaffen und durch Fußballspiele ersetzen. Woraufhin der alte Klapperzahn enthusiastisch ist und sagt – jetzt sinngemäß: ,Grandiose Idee, wir hauen dann die Ungarn 123 zu 0 weg.‘ Das durfte weder in den tschechischen Ausgaben stehen, noch in der DDR-Ausgabe, die bis in die 1980er Jahren nachgedruckt wurde. Das wäre ein Beispiel für eine ideologische Retuschierung.“
Es gab in dem Text bestimmt viele Ausdrücke, die für die Übersetzer nicht einfach waren. Der alter Klapperzahn benutzt beispielsweise für „Englisch“ das Wort ,englicky‘ dass es im Tschechischen nicht gibt. Wie sind Sie mit ähnlichen Wörtern umgegangen?„Das ist ein schönes Beispiel. Es ist doch so, dass gerade das für Übersetzer einen besonderen Reiz darstellen kann. Es ist sehr komisch, dass der Klapperzahn immer ,englický‘ sagt. Wir haben das in unserer Übersetzung mit ,anglisch‘ übersetzt. Es ist ein Stilelement, wo auch die formale Kunst von Eduard Bass eine Rolle spielt. Es gibt sehr viel Wortwitz, der begeistert, Wortwiederholungen, Gleichklang, sehr ungewöhnliche Metaphern. Darüber ließe sich viel sagen.“
Meinen Sie, dass sich die Tatsache, dass Eduard Bass auch Kabarettist war, auf diese spezielle Sprache auswirkte?
„Da würde ich unbedingt zustimmen. Eduard Bass gehört dem Kreis an, der sich im Café Union traf – also einem tschechischen Treffpunkt – obwohl er deutsch-böhmischer Herkunft war. Noch zum Einfluss des Kabaretts: Es gibt beispielsweise eine sehr schöne Szene der Ansprache des neuen englischen Königs, der zuvor auch in der Klapperzahns Elf mitspielte. Die Rede beginnt mit den Worten ,Mým národům‘. Das sind die Worte, mit denen Kaiser Franz Josef die Kriegserklärung an Serbien am 28. Juli 1914 äußerte. Das heißt, wir haben ein sehr pathetisches Vorbild, und dann folgt eine Rede mit Ausdrücken aus der Fußballsprache, eine sehr launige Rede, die man sich vielleicht heute vorstellen könnte. Das zeigt auch die unglaubliche Dimension dieses Buchs, die heute etwas aus dem Blick gerät. Das Werk ist acht Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs herausgekommen. Es ist mutmaßlich drei Jahre nach dem Ende des Kriegs geschrieben worden – in einer Zeit, in der es noch ziemlich bewegt war. Im Untertitel heißt es ,Eine Geschichte für kleine und große Jungen‘ und man sollte diese erwachsene Dimension durchaus ernst nehmen. Diese Idee, lasst uns doch Fußballspiele machen anstatt gegeneinander Kriege zu führen, ist aus der katastrophalen Erfahrung des Ersten Weltkriegs entstanden. Es ist ein sehr beziehungsreiches, faszinierendes Fußballbuch, in dem die Frage gestellt wird: Darf der Fußball dem Profit untergeordnet werden oder verliert er damit seine Unschuld? Es geht zudem um Fankultur, um Training. Es ist bis heute ein zeitlos aktuelles Fußballbuch, wie es in der Weltliteratur vergleichbar sonst vielleicht gar nicht gibt.“
Frau Pusch, was bedeutet für Sie das Buch 'Klapperzahns Wunderelf'? Sie haben vor einigen Jahren sich an der Übersetzung beteiligt beziehungsweise diese begutachtet.
„Ich habe die Übersetzung begutachtet beziehungsweise ich bin dabei beratend zur Seite gestanden. Damals hat der Argo-Verlag beschlossen, dieses Buch in sein Programm aufzunehmen und herauszugeben. Ich hatte mich in meinem Studium zuvor mit Kinder- und Jugendliteratur beschäftigt, so dass das Buch mir schon etwas sagte. Ich habe es zwar nicht gelesen, aber der Kontext von ‚Klapperzahns Wunderelf‘, dass dieses Buch sehr bekannt ist, war mir schon klar. Als ich es dann gelesen hatte, hat es mir wirklich gefallen. Es ist ein niedliches Buch. Es hat so ein ungewöhnliches Thema, wobei Märchenmotive mit dem Fußball kombiniert werden.“
Meinen Sie, dass dieses Buch auch die heutige Generation kleiner Fußballfans begeistern könnte?
„Also mein Sohn hat dieses Buch kennengelernt. Er war noch sehr klein, als ich es ihm vorgelesen habe, er war noch nicht in der Schule. Und heute spielt er leidenschaftlich Fußball. Als wir es gelesen haben, hat er es sehr gemocht. Wir haben dieses Buch innerhalb kurzer Zeit einmal durchgelesen, und das waren richtige Helden für ihn. Jetzt liegen einige Jahre dazwischen, gestern hat er das Buch bei uns auf dem Tisch liegen gesehen und hat sich daran erinnert, dass wir das doch mal gelesen haben. Die Klapperzahns haben doch in dem Buch gegen den Club Barcelona gespielt, das ist heute sein Lieblingsverein. Na ja, es ist ihm schon in irgendeiner Weise in Erinnerung geblieben. Dieser Teamgeist, diese Brüder, die die Welt mit dem Fußball erobert haben, das hat schon was, was eben auch die heutige Jugend begeistern könnte. Allerdings merkt man natürlich auch die Jahre, die die der Text auf dem Buckel hat.“Der Text ist vier Jahre nach der Entstehung der selbständigen Tschechoslowakischen Republik entstanden, und er ist daher schön patriotisch...
„Natürlich, das merkt man durch und durch. Bei Kindern ist das vielleicht noch etwas anderes, die nehmen andere Dinge wahr. Aber mit erwachsenen Augen merkt man diese Jahre dazwischen.“Inwieweit ist Eduard Bass als Schriftsteller in Deutschland bekannt?
„Sehr wenig. Genauso wie die tschechische Literatur an sich. Es gibt nur ein paar Namen, die Leuten etwas sagen, und zwar Leuten, die wirklich belesen sind. Das sind meistens die Namen aus den 1960er und 1970er Jahren, also Hrabal oder Kundera zum Beispiel. Wenn es weiter zurückgeht, dann wäre vielleicht noch Karel Čapek zu nennen als Schriftsteller, den man hier kennt.“
Sie haben auch Alena Zemančíková oder Sylva Fischerová übersetzt. Woran arbeiten Sie jetzt?
„Zurzeit schließe ich den Roman ‚Bizom‘ von Sylva Fischerová ab, ich bin in der abschließenden Phase. Ich hatte ziemlich lange daran gearbeitet, das war ein sehr herausforderndes Buch. Und danach weiß ich noch nicht.“
Über den tschechoslowakischen Fußball in der Zwischenkriegszeit werden wir mit dem Herausgeber von „Klapperzahns Wunderelf“, dem Sporthistoriker Stefan Zwicker am kommenden Samstag in unserer Sendereihe Kapitel aus der tschechischen Geschichte sprechen.