Tschechische Cowboys

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Letzte Woche in der Metro – ich war auf dem Heimweg von der Arbeit – saß mir plötzlich wieder einer von ihnen gegenüber: Holzfällerhemd, darüber eine Lederweste mit Fransen, Blue Jeans mit Ledereinlagen, glattlederne, spitze Stiefel mit hohem Absatz. Und das markanteste: ein Stetson, der berühmte Hut, bekannt aus zahllosen Westernfilmen.

Der Kerl, der mir da gegenüber saß, war kein texanischer Tourist, sondern ein echter, tschechischer Cowboy, ein kovboj, wie man hierzulande sagt. Mit seiner Aktentasche in der Hand, natürlich auch aus Leder. Vermutlich kam er auch gerade von der Arbeit.

Als ich sechs war bin ich auch als Cowboy gegangen, zu Karneval. Ich komme aus dem Rheinland. Die tschechischen Cowboys trifft man aber das ganze Jahr über. Und ihr Altersdurchschnitt ist eher 60 als sechs. Wirklich viele sind sie nicht, aber doch genug, dass ich mich schon oft fragen musste: Woher kommt eigentlich dieses skurrile Modephänomen? Die Antwort in der kommunistischen Vergangenheit zu suchen lag nahe. War diese offensichtliche Hommage an die amerikanische Prärie vielleicht ein Stück Wirklichkeitsflucht? Ein bisschen Wilder Westen im Osten? Die tschechischen Cowboys also hängen gebliebene Binnenflüchtlinge des real existierenden Sozialismus? Das ist nur die halbe Wahrheit.

Der Wildwest-Kult hierzulande entstand nämlich bereits kurz nach der Gründung der Tschechoslowakei im Jahre 1918. Man nannte das aber damals Tramping. Und die Tramps, die trampové, waren mehr Pfadfinder als Cowboys. Jedes Wochenende erlebten die tschechischen Städte einen wahren Exodus junger Menschen in eigens errichtete Wildwest-Siedlungen in den tschechischen Wäldern. Den ab 1939 über die Tschechoslowakei hereinbrechenden Diktaturen lag viel daran die Trampingbewegung einzudämmen. Trotzdem erlebte sie in den 60er Jahren eine Renaissance. Sie wurde eine regelrechte subkulturelle Bewegung, die den Kommunisten gar nicht gefiel. Kein Wunder, vereinte die Tramps doch ein ausgeprägter Freiheitssinn und die Bewunderung der westlichen, sprich amerikanischen Kultur. Einige der damals jungen Leute, die sich in den 60ern jeden Samstagmittag auf den Weg zum wilden Zelten in den tschechischen Wäldern machten, sind die alternden tschechischen Großstadtcowboys von heute.

Der Wild-West-Kult scheint auszusterben. Aber vielleicht scheint er nur. Im Dezember 2007 noch lag das Wort „Cowboy“ in Tschechien auf Platz 6 der meistgestellten Google-Suchanfragen. Vielleicht formiert sich gerade die Tramping-Szene vor den heimischen PCs zu einer weiteren Renaissance.