Zur langen Geschichte der Tramp-Kultur gehören die Lagerfeuerlieder

Siedlung Ztracená naděje (Foto: Petr1888, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)

Das Singen und Spielen von Liedern zur Gitarre am Lagerfeuer hat in Tschechien eine jahrzehntelange Tradition. Es war und ist ein Teil des sogenannten Trampings, weshalb man die bei jeder Freizeitgelegenheit gespielten Songs hierzulande auch als Tramp-Lieder bezeichnet.

Siedlung Ztracená naděje  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Der Tramp stand früher im englischen Sprachraum für Wanderarbeiter oder Tagelöhner, der dauerhaft umherzieht, um sich mit Gelegenheitsarbeit zu verdingen. Unter demselben Begriff hat sich Anfang des 20. Jahrhunderts auf dem Gebiet Böhmens und Mährens eine Wanderbewegung etabliert, bei der viele Tschechen ihre Freizeit oft und gern in freier Natur verbrachten. Das sogenannte Tramping brachte auch mehrere Siedlungen hervor, die erste von ihnen – Ztracená nadeje (deutsch: Verlorene Hoffnung) – entstand 1918 im Tal der Moldau unterhalb der heutigen Talsperre Štěchovice. Demzufolge feiert die hiesige Tramp-Bewegung gegenwärtig auch ihren 100. Geburtstag.

Die ersten Tramp-Lieder hatten eine einfache Melodie und einen schlichten, einprägsamen Text. Ein führender Vertreter dieses Stils war Jarka Mottl.

Viele Tramp-Songs gelten heute als Volkslieder, die besonders von jungen Leuten immer wieder gern am Lagerfeuer gesungen werden. Zu ihrer Verbreitung hat auch der Tschechische Rundfunk beigetragen, obwohl ein Teil der Tramps, vor allem aus der Vorkriegsgeneration, sich weigerte, die Lieder im Radio zu spielen.

Wabi Ryvola  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
In den 1960er Jahren entstand eine moderne Strömung der Tramp-Musik. Zu den herausragenden Protagonisten dieser Welle gehört Wabi Ryvola. Sein Lied „Zvláštní znamení touha“ (deutsch: Ein besonderes Zeichen der Begierde) gilt bis heute als die heimliche Hymne des tschechischen Trampings. In dieser Zeit begannen die ersten Amateurgruppen auch amerikanische Country-Musik zu spielen.

Die Tramps haben ebenso ihre Musikfestivals, das berühmteste von ihnen ist Porta. Es entstand 1967 in Ústí nad Labem / Aussig. Die wohl aufregendsten Porta-Festivals fanden 1988 und 1989 statt, man sagt, sie läuteten das Ende des kommunistischen Regimes ein. Auf dem Festivalareal in der Pilsener Vorstadt Lochotín drängten sich damals 30.000 Menschen.

Mit drei Songwriter- und zwei Sängerpreisen des Festivals ist Wabi Daněk dekoriert. Das erste Album des in diesem Jahr verstorbenen Interpreten hieß „Rosa na kolejích“ (deutsch: Rosa auf den Schienen). Es erschien im Jahr 1984, eine Viertelmillion Mal ging es über den Ladentisch. Neben Wabi Daněk gehören Jan (Honza) Nedvěd und seine Band Brontosauři, die Gruppe Nezmaři, KTO oder die Greenhorns zu den festen Größen der tschechischen Folk- und Country-Szene. Größere Tramp-Treffen werden auch weiterhin veranstaltet, doch bei ihnen finden sich heutzutage vor allem die Vertreter der älteren Generation ein.

Autor: Lothar Martin
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