Tschechische Eishockey
Ahoi und herzlich willkommen zum Sportreport von Radio Prag. Am Mikrofon begrüßen Sie Gerald Schubert und Lothar Martin.
Das tschechische Eishockey gehört seit Jahr und Tag zur Weltspitze. Neben dem glorreichen Olympiasieg 1998 in Nagano hat Tschechien nicht weniger als 10 Weltmeistertitel errungen. Sechs davon wurden in Kooperation mit den benachbarten Slowaken erkämpft, als man noch gemeinsam im Trikot der damaligen Tschechoslowakei antrat. Die restlichen vier entfallen auf die überaus erfolgreiche Neuzeit, in der man von 1996 bis 2001 nie ohne Medaille von den großen Weltturnieren heimkehrte. Die jüngsten Triumphe der tschechischen Cracks mit ihren Protagonisten Dominik Hasek, Jaromír Jágr, Robert Reichel & Co. sind den meisten Sportfans noch in frischer Erinnerung. Aber wie sieht es mit den WM-Siegen in den Nachkriegsjahren 1947 und 1949 oder aber mit der als erste "goldene Ära" beschriebenen Zeit von Anfang bis Mitte der 70er Jahre aus? Sind Ihnen solche Namen Vladimír Dzurilla, Jan Suchý, Jozef Golonka, Ivan Hlinka, Vladimír Martinec, Václav Nedomanský oder aber Jaroslav und Jirí Holík noch ein Begriff? Wenn ja, und wenn Sie wissen wollen, was aus Ihnen geworden ist, dann sind Sie bei unserer heutigen Sendung genau richtig. Denn sie ist nur diesem einen Thema gewidmet: Der Eishockeygala am 10. November in der Prager T-Mobile Arena, bei der eine Auswahl der tschechoslowakischen Eishockey-Legenden gegen eine Mannschaft von Sparta Prag trifft, die aus ehemaligen Aktiven der Jahre 1962 bis 1976 zusammen gestellt ist. Aus welchem Grund dieses Spiel zustande kam und mit wem man dabei alles ein Wiedersehen feiern kann, das verraten wir Ihnen gleich.
Die mit Vorfreude, vor allem von den älteren Jahrgängen der tschechischen und internationalen Eishockeyfans erwartete Begegnung am 10. November ist von einem verdienstvollen Spieler der 60er und 70er Jahre initiiert und mitorganisiert worden, der am Veranstaltungstag seinen 60. Geburtstag begehen wird. Es ist der ehemalige Goalgetter von Sparta Prag, Jan Havel, der insgesamt 63 Mal in der tschechoslowakischen Auswahl zum Einsatz kam und dabei 34 Tore schoss. Der Jubilar, in hiesigen Eishockeykreisen nur unter seinem Spitznamen Gusta Havel bekannt, war zu seiner aktiven Zeit ein ziemlich beliebter Akteur, sowohl unter den Zuschauern als auch unter Mit- und Gegenspielern. Daher haben ihm bis heute auch all die Großen der tschechischen Eishockeyszene die Treue gehalten und ihm das Versprechen gegeben, sich anlässlich seines Lebensjubiläums noch einmal komplett auf der Eisfläche zu präsentieren. Doch Havel gibt in einem Gespräch für Radio Prag auch zu verstehen, dass diese Partie nicht nur ihm zu Ehren stattfindet:
"Nun, das Spiel wird nicht nur wegen meines 60. Geburtstages ausgetragen, sondern ich habe es das Treffen der Legenden des tschechoslowakischen Eishockeys genannt, weil zu dieser Partie nahezu all jene Spieler noch einmal zusammenkommen werden, die in ihrer Zeit national und international für Furore gesorgt haben und die man getrost als die damaligen Superstars bezeichnen kann. Sei es Golonka, Cerný, Farda, die Holík-Brüder, Suchý oder Augusta - alle haben mir ihre Teilnahme an dieser Begegnung zugesichert, so dass man auch sagen kann: Vielleicht nie wieder wird der Eishockeyfan eine derartig vereinte Ansammlung von ehemaligen Stars auf dem Eis erleben können."
Gusta Havel weiß, wovon er spricht, denn einer aus der Garde der Legenden wird leider fehlen, da er bereits verstorben ist. Er nennt ihn auch beim Namen:
"Es ist Vlado Dzurilla, der mir eigentlich am meisten fehlt. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Immer, wenn ich bei Interviews auf ihn angesprochen werde, sage ich, dass er für mich der beste Keeper seiner Zeit gewesen ist. Ich behaupte sogar: Wenn er heute noch leben und genauso fit und gesund wie damals wäre, dann wäre er ein ebenso bekannter und großer Goalie wie es bin in die jüngste Vergangenheit hinein Dominik Hasek war."
Im Gespräch mit Gusta Havel erfahre ich von dem alten Haudegen auch, warum gerade die tschechoslowakische Nationalmannschaft des Jahres 1969 so ein verschworener Haufen war und sie in der damaligen CSSR eine ungeheure Popularität genoss. "Nun, als wir damals 1969 zur Weltmeisterschaft abgereist sind, da muss man wissen, dass diese zunächst in der Tschechoslowakei stattfinden sollte. Doch wegen der Niederschlagung des Prager Frühlings und wegen des totalitären Regimes, das danach herrschte, wurde sie kurzfristig nach Schweden verlegt. Nach Schweden sind wir dann mit dem festen Vorsatz gefahren, dass wir die Russen unbedingt bezwingen und damit demütigen müssen. Darauf war unsere ganze Vorbereitung ausgerichtet. Wir schworen uns zum Beispiel, dass wir ihnen nach dem jeweiligen Spiel nicht die Hand geben werden, wie das ansonsten üblich ist. Wir wussten auch, dass diese und andere Aktionen gewisse Konsequenzen von Seiten der nationalen Verbandsfunktionäre nach sich ziehen können, wie zum Beispiel den späteren Ausschluss aus dem Nationalteam oder ein generelles Spielverbot."
Ob es dazu gekommen ist und wie die beiden Duelle mit der Sowjetunion ausgegangen sind, das erfahren Sie gleich.
In einer ausführlichen Schilderung erfuhr ich von Gusta Havel, dass die Tschechoslowakei das erste der beiden WM-Spiele gegen die damalige UdSSR mit 2:0 gewonnen hatte. Man hat den sowjetischen Spielern danach tatsächlich nicht die Hand gegeben, das tschechoslowakische Fernsehen sei nach der Partie jedoch sofort vom Sender gegangen, um diese politische Aktion nicht übertragen zu müssen. Vor der zweiten Begegnung, die die Tschechen und Slowaken mit 4:3 gewannen, hatten sich einige Spieler zudem den kommunistischen Stern auf dem Nationaltrikot überklebt und wollten damit demonstrativ nur das Wappen des tschechischen Löwen zur Geltung bringen. Trotz diese zwei Siege, ist die Tschechoslowakei damals nicht Weltmeister geworden, weil der Eishockey-Weltverband kurzfristig das Reglement geändert habe und bei der Platzierung der drei punktgleichen Teams UdSSR, Schweden und CSSR nicht die Addition der direkten Vergleiche, sondern auf einmal das Gesamttorverhältnis zur primären Regel gemacht habe. Danach fehlte den Tschechen und Slowaken nicht nur ein einziges Törchen zum Titelgewinn, sondern sie mussten gar nur mit dem 3. Platz vorlieb nehmen.
In der Heimat aber wurden sie von 25.000 Menschen auf dem Prager Flughafen begeistert empfangen und als die wahren Weltmeister gefeiert. Die Begeisterung der Massen im Heimatland war auch ein entscheidender Punkt mit dafür, dass die Bestrafungen von Seiten der kommunistischen Funktionäre milder ausfielen als befürchtet. Für die WM 1970 war Gusta Havel als einer der Fürsprecher dieser Aktionen jedoch "ausgemustert" worden. Die WM 1972 im eigenen Land, ja im eigenen Stadion, als die CSSR endlich wieder den Titel holte, erlebte Havel ebenfalls nur von der Tribüne. Doch diesmal hatte ihn eine Verletzung um all seine Träume gebracht. Das Fehlen bei jener WM sei die schwerste sportliche Enttäuschung für ihn gewesen, wie er mir erzählte. Aber mit einem leuchtendem Glanz in den Augen bringt er mir noch einmal nah, was die Größe der 69er-Mannschaft damals ausmachte:
"Die Spiele von damals, da ging es nicht nur um den Sport, dass wir zeigen wollten, die Besseren zu sein. Das wollten wir selbstverständlich immer, aber damals stand das Ganze unter den genannten politischen Vorzeichen, auf die wir eine gewisse Antwort geben wollten. Das ist uns, so denke ich gelungen, und auch deshalb kann ich sagen, damals in einem der besten Kollektive gespielt zu haben, die es je für mich gegeben hat."
Fast alle Protagonisten der damaligen Ära geben sich also am Sonntag in einer Woche in Prag noch einmal ein Stelldichein. Dann zählt jedoch nur der Sport und der Spaß allein, die Politik wird außen vor bleiben. Und das ist gut so. Wer sich diese Begegnung nicht entgehen lassen will, hier noch zwei Hinweise: Sie wird um 17 Uhr in der T-Mobile Arena angepfiffen, die Eintrittskarte kostet 100 Kronen. Kinder bis 16 Jahre und Behinderte haben kostenlosen Zutritt.
Und mit diesem Vorgeschmack auf eine sicher tolle Eishockeygala beenden wir unseren heutigen Sportreport. Vom Mikrofon verabschieden sich - Gerald Schubert und Lothar Martin.