Tschechische Geschichte von innen und außen - IX. Historikertag in Pardubice

Pardubice

Rund 300 Historiker fanden sich in der vergangenen Woche für drei Tage in Pardubice / Pardubitz ein, um am tschechischen Historikertag teilzunehmen. In drei Sektionen referierten und diskutierten die Teilnehmer über die Beschäftigung mit der tschechischen Geschichte in all ihren Epochen. Das Themenspektrum reichte von der tschechischen Geschichte im internationalen Kontext über den Geschichtsunterricht an Schulen bis zum Verhältnis der Geschichtswissenschaft zu anderen wissenschaftlichen Disziplinen. Aus Pardubice informiert sie Andreas Wiedemann.

Das moderne Gebäude der Universität im ostböhmischen Pardubice bot den Teilnehmern ein angenehmes Tagungsklima, während draußen das Thermometer die 30-Gradmarke überschritt. Zum diesjährigen Historikertag waren auch Fachvertreter aus Frankreich, England und Deutschland angereist, die darüber informierten und debattierten, wie die tschechische Geschichte in der Historiographie ihrer jeweiligen Länder reflektiert wird. In Deutschland konzentrierte sich die Beschäftigung mit der tschechischen Geschichte lange Zeit auf die deutsche Bevölkerung in der Tschechoslowakei bzw. auf das Verhältnis der Deutschen und der Tschechen zueinander. Da in der kommunistischen Tschechoslowakei bestimmte Themen nicht oder nur eingeschränkt behandelt werden durften, waren aber die Arbeiten einiger Historiker in der Bundesrepublik Deutschland auch für die Geschichtswissenschaft in der Tschechoslowakei besonders wichtig. Prof. Dr. Jiri Pesek, vom Institut für Internationale Studien der Karlsuniversität in Prag, hebt die Bedeutung dieser Arbeiten in der Zeit des Kommunismus hervor:

"Die deutschen Forscher schlossen in einem gewissen Maße besonders in den Jahren des Kommunismus die wichtigsten Lücken in der tschechoslowakischen Geschichtsschreibung. D.h. sie forschten über das, was die Tschechen im Kommunismus nicht erforschen konnten."

Gerade in den letzten zehn bis 15 Jahren zeichnet sich in Deutschland eine verstärke Beschäftigung mit der tschechischen bzw. tschechoslowakischen Geschichte nach 1945 ab, die sich nicht mehr nur an den deutsch-tschechischen Beziehungen orientiert, wie der deutsche Historiker Privatdozent Dr. Volker Zimmermann aus Düsseldorf betont:

"Ich würde sagen, dass vor allem in letzter Zeit ein richtiger Boom festzustellen ist, bezüglich der Geschichte nach 1945. Da gibt es tatsächlich eine Beschäftigung mit tschechischer Geschichte, während sich die Zeit vorher hauptsächlich auf Fragen des Mehrheit - Minderheitenkonflikts und die Frage der NS-Herrschaft über Böhmen und Mähren konzentriert hat."

Prof. Pesek weist darauf hin, dass es in Deutschland durchaus Historiker gab und gibt, die sich auch mit rein "tschechischen" Themen beschäftigen. Dies gilt in besonderem Maße für die jüngere Generation.

"Besonders die Forschungsgemeinde im Rahmen des Collegium Carolinum hat große Leistungen vorgebracht. Diese sind ein klares Zeugnis dafür, dass sich die deutschen Forscher gerade mit den brennenden Fragen der tschechischen Gesellschaft auseinanderzusetzen wussten und wissen."

Insbesondere die Themenwahl vieler Dissertationen und Magisterarbeiten in Deutschland lassen deutlich erkennen, dass es vor allen Dingen bei jungen Historikern ein Interesse an der tschechischen Geschichte gibt, das sich auch jenseits der rein deutsch-tschechischen Beziehungsgeschichte bewegt.