Tschechische Nationalbibliothek: Geschichte im Klementinum, Zukunft auf Letná

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Wie die meisten Länder der Welt, hat auch die Tschechische Republik eine Institution, in der ihr Reichtum an Büchern und Schriftdenkmälern gepflegt wird: eine Nationalbibliothek. Welche Aufgaben die Nationalbibliothek der Tschechischen Republik erfüllt, welche Probleme sie zu lösen hat und welche Pläne ihr neuer Direktor schmiedet, erfahren Sie im folgenden Kultursalon von Markéta Kachlíková.

Die Nationalbibliothek der Tschechischen Republik ist eine der ältesten und nach dem Umfang ihrer Sammlungen eine der größten öffentlichen Bibliotheken im Staat. Sie bewahrt an die 6 Millionen Dokumente, d.h. Bücher, Zeitschriften, Sonderdrucke und andere Schriftlichkeiten. Ihren wertvollsten Teil bilden fast 15.000 Handschriften und fast 200.000 Altdrucke. Sie ist aber auch eine moderne Institution, in der Begriffe wie Digitalisierung, elektronische Daten und Internet eine immer größere Rolle spielen. Was bedeutet es eigentlich, die Nationalbibliothek zu sein? Ich habe danach den Direktor Vlastimil Jezek gefragt:

"Manche Leuten mögen denken, dass diese Bezeichnung in die Zeit der Nationalen Wiedergeburt gehört, als das Wort national beliebt war, als das Nationaltheater oder das Nationalmuseum entstanden sind, und dass es mit der Nation im patriotischen Sinne etwas zu tun hat. Das gilt jedoch im Falle der Nationalbibliothek überhaupt nicht: Die Bibliothek ist wesentlich älter. Wenn ich sehr bescheiden bin, geht unsere Geschichte mindestens ins Jahr 1777 zurück, als Maria Theresia die Kaiserlich-königliche öffentliche Universitätsbibliothek durch ein Dekret gegründet hatte. Das ist unumstritten der Anfang der Bibliothek im Klementinum. Sonst können wir aber natürlich vom 14. oder 15. Jahrhundert sprechen, als die Grundlagen der heutigen Bestände der Nationalbibliothek im Zusammenhang mit der Gründung der Karlsuniversität entstanden."

Heute ist die Nationalbibliothek eine einzigartige Institution des Staates, die einzige Bibliothek hierzulande, die verpflichtet ist, den so genannten nationalen Konservierungsfonds aufzubauen, d.h. alles, was hierzulande herausgegeben wird, aufzubewahren.

Klementinum
"Nationalbibliotheken gibt es heute in der ganzen Welt, z. B. den heute so geprüften Irak eingeschlossen. Und Sie werden staunen: Obwohl der Irak heute andere Sorgen hat und vor den Wahlen steht, führen wir mit Repräsentanten des irakischen Staates seit schon einem halben Jahr Verhandlungen über die Erneuerung der irakischen Nationalbibliothek. Wenn man sich dort der Bedeutung solcher Institution bewusst ist, wäre es schade, wenn sich Leute im friedlichen Teil der Welt deren nicht bewusst wären. Es ist eine sehr nützliche und unersetzliche Institution im Bereich der Bildung und des Wissens."

Die Nationalbibliothek der Tschechischen Republik ist im Barock-Komplex des ehemaligen Jesuitenkollegs Klementinum in der Prager Altstadt untergebracht. Dieses Gebäude ist zwar schön und historisch außerordentlich wertvoll, für eine moderne Bibliothek allerdings wenig geeignet. Außerdem sind seine räumlichen Möglichkeiten recht begrenzt. Vlastimil Jezek:

"Dieses Problem betrifft nicht nur die Tschechische Republik, sondern musste in den letzten 20 Jahren überall in der Welt gelöst werden. Alle Staaten mussten sich mit Raumproblemen ihrer Nationalbibliotheken auseinandersetzen, und zwar durch den Bau eines neuen Gebäudes oder durch eine grundlegende Rekonstruktion und Erweiterung des bestehenden Gebäudes. Die tschechische Nationalbibliothek hat dies Anfang der 90er Jahre durch den Bau eines Depositars am Rande Prags gelöst, dessen Kapazität aber im Jahr 2010 erschöpft sein wird. Wenn wir kuriose Projekte wie die Vertiefung des Klementinums um acht unterirdische Etagen ablehnen, so scheint die Entscheidung, ein neues Gebäude zu bauen, fast die einzig mögliche zu sein."

Für den Bau wurde ein Grundstück auf dem Letná-Plateau über dem historischen Kern Prags gefunden, das sich im Besitz der Stadt befindet. Der Prager Magistrat scheint dem Projekt zugeneigt zu sein, und so wurde bereits im Dezember ein Memorandum zwischen der Stadt und der Bibliothek unterschrieben, in dem das Projekt voraussichtlich unterstützt wurde. Das neue Gebäude, dessen Kosten auf etwa 2 Milliarden Kronen (umgerechnet etwa 70 Millionen Euro) geschätzt werden, soll nicht nur mehr Raum, sondern auch bessere und modernere Bedingungen sowohl für die Arbeit der Bibliothekare wie auch für die Nutzer bringen. Was wird das also für die Leser bedeuten?

"Also Schnelligkeit, bessere Dienstleistungen, einen höheren Anteil an elektronischen Medien, mehr Internetanschlüsse, deren Zahl heute beschränkt ist, und angenehmere Bedingungen beim Gebrauch der Bestände. Wir planen z.B. einen wesentlich größeren Umfang der Bücher im frei zugänglichen Bereich."

Die neue Bücherei soll nach Vorstellung ihres Direktors im Jahre 2010 zur Verfügung stehen. Was im historischen Gebäude des Klementinums bleibt und entsteht, davon spricht Vlastimil Jezek weiter:

"Es bleiben hier alte Drucke und Handschriften, die hierher gehören. Es bleibt hier die Musikabteilung. Übrigens - das ist eine interessante Sache: Das älteste Mozart-Denkmal der Welt, das so genannte Mozarteum entstand hier im Klementinum im Jahr 1837 und ist ein Teil der Musikbibliothek. Darauf möchten wir vor allem im kommenden Jahr hinweisen, in dem ein großes doppeltes Mozart-Jubiläum begangen wird. Und weiter bleibt hier die Slawische Bibliothek mit Slavistik-Literatur aus der ganzen Welt. Diese Lösung bietet sich als effektiv an, weil sie hauptsächlich von Studenten der in der Nachbarschaft stehenden Philosophischen Fakultät genutzt wird."

Das Klementinum soll auch als ein gesellschaftliches und kulturelles Zentrum mit einem Angebot an Theatervorstellungen, Konzerten, Ausstellungen und weiteren Veranstaltungen dienen. Außerdem wird man im Klementinum-Museum die einzigartigen renovierten Barockräume besichtigen können. Das Jesuitenkolleg Klementinum ist schließlich das zweitgrößte nationale Kulturdenkmal in Prag und hat viele Schätze anzubieten:

"Es ist allgemein bekannt, dass im Klementinum seit 1775 Temperatur, Druck und Niederschläge gemessen werden. Die Leute sollen aber auch erfahren, dass hier dank den Jesuiten eine sehr interessante astronomische Beobachtungsstelle entstand. Und übrigens, für das Radio ist Folgendes interessant; als das Radiojournal im Jahr 1923-24 das Zeitsignal zu senden begann, kam die Anzeige dazu gerade von hier aus dem Astronomischen Turm des Klementinums."

Soweit der Direktor der Nationalbibliothek Vlastimil Jezek. Er hat die Leitung der Bücherei im September vergangenen Jahres übernommen und seine Pläne nun offiziell vorgestellt. Es handelt sich dabei aber natürlich nicht um seinen ersten Kontakt mit der Nationalbibliothek. Dieser geht in seine Studienzeit in der ersten Hälfte der 90er Jahre zurück:

"Ich kann mich an eine Begegnung mit dem Klementinum ganz gut erinnern. Sie betraf allerdings nicht direkt die Bücher. Es störte uns damals, dass der Rebenhof, ein herrlicher Entspannungsraum vor dem allgemeinen Lesesaal, geschlossen war. Die damalige Bibliotheksleitung teilte uns mit, dass er mit Gras bewachsen ist und aus Sicherheitsgründen nicht zugänglich sein darf. Wir haben eine Gruppe von etwa 15 Leuten zusammengebracht, Gartenhacken genommen und den Rebenhof gereinigt. Dank dieser Aktion konnten wir ihn dann nutzen. Meine größte Überraschung nach der Rückkehr in die Bibliothek am 15. September 2004 war, dass vor diesem Hof eine Tafel hing: 'Aus technischen Gründen geschlossen'. Der Grund war diesmal nicht Gras, sondern herabfallende Dachziegel. So etwas dürfen wir einfach nicht machen. Das sind Räume, die offen stehen müssen."