Tschechische Organisation Zachraň jídlo: Lebensmittel retten und etwas gegen die Verschwendung tun

Etwa ein Drittel aller Lebensmittel weltweit landet im Abfall. Dagegen will die Organisation Zachraň jídlo (Rette Essen) zumindest in Tschechien etwas tun. Seit 2013 veranstaltet sie öffentliche Kochaktionen, klärt über den nachhaltigen Umgang mit Nahrungsmitteln auf oder erdenkt Rezepte zur Resteverwertung. Im September steht nun eine weitere Kampagne an.

Auf dem Wenzelsplatz in Prag wurde für 1000 Leute gekocht | Foto: Johana Kratochvílová,  Zachraň jídlo

Es ist ein sehr praktischer Ansatz, den das Team von Zachraň jídlo verfolgt. Schon die erste gemeinsam organisierte Veranstaltung vor neun Jahren sprach die Menschen in einem ihrer Grundbedürfnisse an: Mitten auf dem Wenzelsplatz in Prag wurde für 1000 Leute gekocht. Dabei wurden nur Zutaten verwendet, die schon in die Tonne kommen sollten, aber noch völlig in Ordnung waren.

Lebensmittelverschwendung, das ist seitdem Thema für die Organisation, die heute neun Mitarbeiter*innen hat. Anna Strejcová hat sie 2013 gegründet, und ihr Anliegen ist immer noch aktuell. Im Gespräch mit Radio Prag International zitiert Strejcová die Ergebnisse einer Studie der Europäischen Kommission von 2019:

„Am meisten wird in Privathaushalten verschwendet. Verbraucher sind für 50 Prozent der weggeworfenen Lebensmittel verantwortlich. Dann folgen Landwirtschaft und produzierende Industrie. Einen relativ kleinen Anteil haben Geschäfte und Supermarktketten. Die britische Organisation Feedback hat allerdings darauf hingewiesen, dass in der Landwirtschaft die Überschussproduktion nicht statistisch erfasst wird. Was auf dem Feld bleibt und nicht abgeerntet wird, fließt auch nicht in solche Studien ein. Darum ist es möglich, dass in dieser Branche noch viel mehr verschwendet wird.“

Foto: Gareth Willey,  Pexels

Innerhalb der EU wurde gerade damit begonnen, konkretere Daten zum Thema zu sammeln. Im Juni musste jedes Mitgliedsland erstmals verpflichtend Zahlen darüber melden, wie viele Nahrungsmittel in welchen Branchen liquidiert werden. Sie sei gespannt auf die Ergebnisse, sagt Strejcová mit Blick auf das kommende Jahr.

Für Tschechien gibt es aber bereits erste Studien, wie etwa die der Mendel-Universität in Brno / Brünn. Dafür wurden 2019 die Restmülltonnen von 900 Haushalten untersucht. Es habe sich gezeigt, dass knapp 19 Prozent des Inhalts noch hätte konsumiert werden können, so ein auswertender Artikel auf der Website von Zachraň jídlo. Welche Lebensmittel genau weggeworfen werden, das würde sich in allen entwickelten Ländern ähneln, berichtet Strejcová:

„Am meisten werden Obst, Gemüse und Brotwaren verschwendet – also rotierende Waren mit kurzer Haltbarkeit. Am meisten wird im Sommer und im Herbst weggeworfen, weil in der Saison ein Überschuss an Obst und Gemüse herrscht.“

Fehler bei der Lagerung von Lebensmitteln

Mit den Gründen für das Wegwerfen von Essen haben sich die Brünner Wissenschaftler*innen in einer begleitenden Umfrage unter Privathaushalten beschäftigt. Die meisten Teilnehmer*innen führten eigene Fehler bei der Lagerung an sowie unklare Angaben zur Haltbarkeit auf den Verpackungen oder auch die schlechte Qualität von Produkten. Zudem würden häufig zu große Mengen an Essen gekocht, heißt es in der Studie.

Verwenden Sie innerhalb... | Foto: Zachraň jídlo

Wie man solche Reste verwertet oder den Kühlschrank richtig füllt, dazu gibt es zahlreiche Tipps und Erläuterungen auf der Homepage von Zachraň jídlo. Für die sogenannten „Rettungsrezepte“ sind zumeist Zutaten erforderlich, die eben oft übrigbleiben. Etwa 100 solcher Anleitungen hat die Organisation zudem in einem Kochbuch veröffentlicht.

Auch wenn noch keine festen Daten für einen direkten Vergleich der einzelnen EU-Länder veröffentlicht worden sind, dürfte Tschechien in puncto Lebensmittelverschwendung nicht allzu schlecht dastehen, vermutet Strejcová. Denn hierzulande bestehe weiterhin eine lebhafte Tradition der Kleingärten und des Einweckens:

„Mit Blick auf das Einkochen und Einmachen würde ich sagen, dass in Tschechien noch relativ viele Nahrungsmittel verarbeitet werden. Diese Tradition hält an, obwohl sie langsam schwächer wird. Mit unseren Rezepten versuchen wir, sie aufrechtzuerhalten. So geben wir etwa viele Tipps zum Konservieren von Obst und Gemüse. Dies ist wichtig zur Vorbereitung auf die Saison, in der es keine Ernte gibt. Denn auch für den menschlichen Körper sind lokale Lebensmittel aus dem eigenen Land gesünder als etwa exotische Früchte, die zudem durch die halbe Welt transportiert werden müssen.“

Dennoch sage die Angewohnheit, Essen wegzuwerfen, einiges über die Gesellschaft aus, meint die Expertin:

Anna Strejcová | Foto: Jana Přinosilová,  Tschechischer Rundfunk

„Das bedeutet natürlich, dass wir reich sind. Zumindest historisch gesehen sind wir reicher als früher. Wir können es uns einfach leisten, einen Teil des Essens wegzuwerfen. Außerdem weist es darauf hin, dass wir recht wenig Zeit haben, uns mit der Zubereitung von Essen und dem Kochen, also den klassischen Tätigkeiten im Haushalt zu beschäftigen.“

Dass es noch ein gewisses Bewusstsein für den Wert von Lebensmitteln bei der Bevölkerung in Tschechien gibt, habe auch die Studie der Mendel-Universität gezeigt, so Strejcová:

„Der Zufall wollte es, dass die erste Runde der Erhebung noch vor der Corona-Pandemie stattfand und die zweite Runde währenddessen. Dabei hat sich gezeigt, dass die Verschwendung im Vergleich deutlich zurückgegangen ist – auch aufgrund einer Infokampagne, die zu der Zeit lief. Weil die Menschen zu Hause waren, hatten sie mehr Zeit für die Zubereitung des Essens und verbrauchten die Reste aus dem Kühlschrank. Damit sank die Menge an Abfall.“

Während der Pandemie gab es hierzulande in der Tat einige Studien und Medienberichte, nach denen die Menschen wieder mehr selbst kochen und weniger in Restaurants gehen würden. Aktuell kommt noch die hohe Inflation hinzu. Weil auch Lebensmittel derzeit immer teurer werden, würden die Leute natürlich versuchen zu sparen, analysiert Strejcová und macht auf einen paradoxen Effekt aufmerksam:

Illustrativesfoto: Gustavo Fring,  Pexels,  CC0 1.0 DEED

„Die Leute kaufen jetzt billigere Waren ein und werden nun hoffentlich auch weniger wegwerfen. Tatsächlich geht die Verschwendung zurück, wenn Lebensmittel teurer werden. Denn dann erkennen die Menschen, dass sich Wegwerfen nicht auszahlt. Es ist zwar schlimm, das zu sagen, aber im Hinblick auf die Verschwendung haben die Teuerungen einen positiven Effekt.“

370 Euro werden pro Jahr und Haushalt verschwendet

Es ist fast schon eine Binsenweisheit, dass es häufiger der finanzielle als der ökologische Aspekt ist, der Menschen zu einem nachhaltigeren Konsum animiert. Und so hat auch Anna Strejcová eine konkrete Berechnung angestellt, inwiefern sich das Retten von Lebensmitteln für die Privathaushalte in Tschechien auszahlen könnte. Dies sei aber nur eine nicht repräsentative Schätzung, räumt sie ein:

„Der Studie aus Brünn zufolge wirft jeder Einwohner in Tschechien im Schnitt jährlich 50 Kilogramm Lebensmittel weg. Wenn ich davon ausgehe, dass ein Mensch im Jahr 800 Kilogramm Nahrung zu sich nimmt, macht der Abfall ein Sechzehntel davon aus. Zudem habe ich errechnet, wieviel Geld eine Person jährlich für Essen ausgibt, und bin auf etwa 60.000 Kronen gekommen. Ein Sechzehntel davon ergibt 3700 Kronen. Gehen wir davon aus, dass ein durchschnittlicher Haushalt zweieinhalb Mitglieder hat, sind es letztlich 8000 bis 9000 Kronen, die im Jahr weggeworfen werden.“

Dies sind umgerechnet bis zu 370 Euro pro Jahr und Haushalt. Auf nachvollziehbaren Angaben wie diesen und praktischen Tipps für den Alltag basiert also die Kampagne von Zachraň jídlo. Dies ist auch bei der neusten Aktion der Fall, die die Organisation im September gestartet hat. Strejcová erläutert:

„Für diesen Monat haben wir einen Wettbewerb namens ‚September gegen Verschwendung‘ vorbereitet. Dafür können sich die Leute auf zachranjidlo.cz registrieren. Während des gesamten Monats bekommen sie dafür einen regelmäßigen Newsletter mit grundlegenden Tipps für den Einkauf, die Lagerung von Lebensmitteln oder die Vermeidung von Resten beim Kochen.“

Gute Gründe, seine E-Mail-Adresse auf der Homepage der Organisation zu hinterlassen, werden dort vier an der Zahl aufgeführt. Zum einen könne mit der Umsetzung der Tipps der Geldbeutel entlastet werden, zum anderen werde etwas gegen die Erderwärmung getan. Außerdem würden für die Fotodokumentationen in den sozialen Netzwerken Preise vergeben. Und gemeinsam wolle man am 29. September den von der UN ausgerufenen Internationalen Tag gegen Lebensmittelverschwendung begehen, so der Aufruf von Zachraň jídlo.