Wie leicht es ist, Politiker an der Nase herumzuführen, hat dieser Tage der jüngste Skandal um das tschechische Kunstwerk Entropa in Brüssel gezeigt. Ein Feuilleton von Jitka Mládková.
Künstlerische Darstellung Italien's im Kunstwerk 'Entropa' (Foto: ČTK)
Offen gesagt, die Wahl des Themas für das heutige Radiofeuilleton ist mir diesmal etwas schwer gefallen. Nicht etwa deswegen, weil da ein Mangel an Themen besteht. Im Gegenteil! Die Themen liegen doch überall auf der Straße. In diesem Sinne war es eher die Qual der Wahl also. Letztendlich habe ich mich entschlossen, „ein Wort“ zum Skandal zu sagen, den sich Tschechien zum Auftakt seiner EU-Ratspräsidentschaft eingebrockt hat. Sie wissen wohl Bescheid. Gemeint ist das EU-Kunstwerk namens „Entropa“, das angeblich bekannte Vorurteile über die 27-EU-Länder in Form eines Riesenpuzzles darstellt. An sich keine schlechte Idee! Außerdem sollten sich an dessen Umsetzung 27 Künstler aus den jeweiligen EU-Staaten beteiligen. So hat es bis Anfang dieser Woche der Bildhauer und Projektleiter David Cerny präsentiert.
David Černý (Foto: ČTK)
Dann aber kam eine überraschende Information von ihm: Die ironische Darstellung Europas sei kein Ergebnis einer europäischen Teamarbeit gewesen, sondern seine eigene und die zweier weiterer Kollegen. Man habe gewusst, so die offizielle Erklärung Černýs von dieser Woche, dass die Wahrheit enthüllt werden würde, doch vorher wollte man noch wissen, ob es Europa versteht, sich über sich selbst lustig zu machen. Ein Schock für die politischen Schirmherren in Tschechien. Sie sollen nämlich nichts davon gewusst haben. Die Künstlertroika erklärte: Man habe nicht gewollt, die Politiker für die „politisch unkorrekte Satire“ verantwortlich zu machen. Die Frage, ob es politisch korrekt war, Tschechien mit einem Kunstwerk auf internationalem Forum repräsentieren zu wollen und dabei seine Schirmherren zu Hause an der Nase herumzuführen, hat sich Černýs Team offenbar nicht gestellt.
Darstellung der Slowakei im Kunstwerk David Černý's 'Entropa' (Foto: ČTK)
Nachdem sich am Donnerstag kaum jemand bei der offiziellen Vorstellung des gerne pfiffig wirken wollenden Kunstwerkes in Brüssel krumm gelacht hatte, musste sich Tschechien bei allen EU-Partnern entschuldigen. Bulgarien, auf dem Puzzle Entropa als eine Ansammlung von Hocktoiletten dargestellt, besteht auf dessen Entfernung. Beschwert hat sich auch die Slowakei, die wie eine mit der ungarischen Trikolore verschnürte Salami abgebildet ist.
Wie konnte die Blamage entstehen, muss man sich fragen. Wie einst nur Hofnarren Unangenehmes vor fremden Gesandten sagen durften, um dem Herrn König diplomatische Probleme zu ersparen, wurde das tschechische Enfant terrible provokanter Kunstdarstellungen, David Černý, nach Brüssel geschickt. Sein Auftragsgeber, Vizepremier und Europaminister Alexandr Vondra, hatte ihm bei der Umsetzung des deklarierten Vorhabens freie Hand gelassen. Es wäre doch toll, einen Briten, einen Franzosen oder einen Bulgaren, sich lustig über die Briten, Franzosen oder die Bulgaren machen zu lassen. Das ist bekanntlich anders ausgegangen. Die Tschechische Republik will es Europa laut dem offiziellen Motto ihrer EU-Ratspräsidentschaft „versüßen“. Nun, „Entropa“ hinterlässt allerdings einen bitteren Nachgeschmack.