Tschechisches Bier – vom Klimawandel bedroht
Auch viele ausländische Besucher wissen es nur allzu gut: Bier gehört in Tschechien einfach zur Kultur. Doch der Klimawandel bedroht auch dieses so beliebte Getränk. Die Zutaten zu züchten wird derzeit nämlich immer schwieriger und teurer.
Die Tschechen gelten weltweit als die größten Konsumenten von Bier. Den Statistiken nach trinken sie pro Jahr rund 160 Liter Gerstensaft. Der Grund ist zum einen die Tradition, zum anderen halten die relativ niedrigen Preise den Verbrauch hoch. Doch Wissenschaftler glauben, dass sich dies schon bald ändern könnte – und zwar wegen des Klimawandels. Denn die Gerste, also das Getreide, das gemälzt wird, leidet unter Hitze und Trockenheit – und das Gleiche gilt für den Hopfen.
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Wissenschaftler von Universitäten in Großbritannien, China und den USA haben vor einiger Zeit die Auswirkungen des Klimawandels auf den Bierkonsum untersucht. Dabei geht es vor allem um die künftige Preisentwicklung. Dabo Guan ist Wirtschaftswissenschaftler und befasst sich am renommierten University College London mit den Folgen des Klimawandels. Er hat an der internationalen Studie mitgearbeitet. Gegenüber Radio Prag International erläutert er die Zielrichtung des Projekts:
„Wir untersuchen die Folgen des Klimawandels, also auch der extremen Wetterlagen mit Hitze und Trockenheit, auf den Bierkonsum. Wir haben uns für Bier als Studienobjekt entschieden, weil es ein relativ guter Indikator ist – beim Blick auf das Konsumverhalten in der westlichen Welt.“
Im Mittelpunkt des Problems stehen dabei zwei Aspekte. Zum einen, dass die Bierpreise in Zukunft deutlich ansteigen könnten, weil die traditionellen Anbaugebiete von Gerste und Hopfen unter Klimadruck geraten. Zum anderen, dass sich der Geschmack vor allem des Hopfens verändern könnte – und damit auch der des typischen tschechischen Biers.
Veränderter Geschmack des Hopfens
Diese Entwicklung beschäftigt die Wissenschaftler, aber noch viel mehr die Brauereien selbst. Ivan Tučník ist bei Pilsner Urquell für nachhaltige Entwicklung zuständig. Er erforscht derzeit, wie sich die Klimaveränderungen auf die Ernte von Gerste und Hopfen auswirken.
„Es lassen sich immer stärkere Schwankungen beobachten. Das heißt, in einem Jahr ist die Ernte sehr gut, im nächsten sehr schlecht. 2021 hatten wir vielleicht die beste Hopfenernte in der Geschichte. Und das vergangene Jahr war eines der schlechtesten. Diese Unvorhersagbarkeit ist sowohl für die Bauern ein Problem, als auch für uns Brauer“, erläutert Tučník.
Die Pilsner Brauerei hat deswegen das Projekt „For Hops“ ins Leben gerufen – auf Deutsch also „für den Hopfen“. Schließlich ist Tschechien nach den USA und Deutschland der drittgrößte Produzent dieses Grundstoffes für das Bier. Auf rund 5000 Hektar Anbaufläche werden hierzulande etwa 6000 Tonnen an Dolden jährlich geerntet.
An „For Hops“ sind auch Microsoft und weitere IT-Firmen beteiligt sowie das Hopfen-Forschungsinstitut (Chmelářský institut) und der Verband der Hopfenbauern (Svaz pěstitelů chmele). Denn es geht darum, eine Software zu entwickeln, die die Landwirte anleiten kann, wie sie auf Hitze und Trockenheit reagieren sollten. Ivan Tučník:
„Rund 80 Prozent der Hopfenbauern in der Region von Žatec, dem größten tschechischen Anbaugebiet, haben keinen Zugang zu Wasser. Für sie ist die einzige Möglichkeit, große Becken anzulegen, um ganzjährig Regenwasser aufzufangen. Das heißt aber auch, dass sie nur begrenzte Wasserressourcen haben und diese sehr vorsichtig einsetzen müssen. An diesem Punkt kommen wir ins Spiel, indem wir ihnen zeigen, zu welcher Zeit im Jahr die Berieselung den größten Nutzen bringt für Ernteergebnis und Qualität.“
Um die entsprechenden Informationen zusammenzutragen, werden die Daten von sechs Hopfenfarmen an unterschiedlichen Orten Tschechiens gesammelt. Dies geschieht mithilfe von Kameras, Sensoren und Wetterstationen. Denn Hopfen ist mengenmäßig zwar nur eine kleine Zutat für Bier, aber gerade er gibt den tschechischen Sorten ihre typische fein-bittere Note. Veränderte Wetterbedingungen können aber auch dazu führen, dass sich der Geschmack wandelt…
Weniger Gerste fürs Mälzen
Während das Ziel ist, mit „For Hops“ für die Bauern einen Prognose-Service zu schaffen, haben die Daten aus der ersten Erhebungsphase bereits eines bestätigt: Trockenheit und Wetterwechsel sind die Hauptursache für die schwankenden Ernteerfolge. Dies deckt sich auch mit den Ergebnissen der Studie zum Bierkonsum und der Zukunft des Gerste- und Hopfenbaus in Tschechien. Der Londoner Wirtschaftswissenschaftler Dabo Guan:
„Gerste gedeiht an relativ kühlen Orten. Die ost- und ostmitteleuropäischen Länder, Kanada und Russland sind die Hauptanbaugebiete. Unser Klimamodell zeigt, wo künftig die Gefahr von Hitzestress am größten sein wird. Daraus lässt sich erkennen, dass den meisten ost- und ostmitteleuropäischen Ländern große Verluste drohen bei der Produktion von Gerste.“
Rund ein Fünftel der weltweiten Gerste-Produktion wird für das Bierbrauen verwendet. In Tschechien sind es aber gleich 30 Prozent der Wintergerste, und diese dominiert hierzulande. Ivan Tučník kann aus der Praxis berichten, wie sehr die Bauern mittlerweile unter den Folgen des Klimawandels leiden. Oft würde es sich für sie nicht mehr lohnen, neben Hopfen auch noch Gerste anzupflanzen…
„Deswegen suchen wir auch nach Wegen, um diejenigen zu unterstützen, die Gerste ziehen. In den vergangenen 30 Jahren ist die Anbaufläche von Gerste für das Mälzen in Tschechien auf die Hälfte geschrumpft. Das bedeutet, dass der Markt für diese Getreidesorte immer stärker unter Druck gerät“, verrät Tučník.
Dabo Guan und seine Kollegen von den Universitäten in den USA und China knüpfen eben genau an diese Entwicklung an. Vom Rückgang in der Produktion von Hopfen und Gerste ziehen sie eine Linie zu den Spannungen zwischen Angebot und Nachfrage auf den Märkten für diese landwirtschaftlichen Güter. Denn die Verknappung des Angebots lässt letztlich die Preise steigen – und am Ende müssen die Brauer ihr Bier teurer verkaufen, um noch wirtschaftlich produzieren zu können.
Die Studie sieht für die Zukunft im Schnitt eine Verdoppelung des Preises. Doch in den typischen Biertrinkerländern wird der Anstieg deutlich höher sein als anderswo…
„Für die Tschechische Republik bedeutet dies, dass sich die Preise verfünffachen könnten. Wenn wir von derzeit 50 Eurocents je Bierdose ausgehen, könnten als Folge extremen Hitzestresses irgendwann drei bis vier Euro verlangt werden. Dies dürfte letztlich dann auch die tschechische Trinkkultur beeinflussen“, sagt Dabo Guan.
Und das gilt unbestreitbar in einem Land, in dem in vielen Kneipen und Restaurants Bier sogar billiger ist als Wasser. Ein Positives hätte eine solche Entwicklung allerdings: Ganz allgemein dürfte der Alkoholkonsum sinken.