Umweltministertreffen in Prag: EU will bei weltweiten Klimagesprächen führen

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Schmelzende Gletscher in Grönland, Trockenheit in der Sahelzone, Tornados in der Karibik und Überschwemmungen in Mitteleuropa. Die globale Erwärmung der Erde hat weltweit fatale Folgen. Wissenschaftler sagen, eine Umkehr sei nur durch eine globale Reduktion der klimaschädlichen Treibhausgase möglich. Deswegen wird im Dezember in Kopenhagen die zweite Weltklimakonferenz abgehalten. Die Europäische Union will bei den Verhandlungen vor und während der Konferenz die Führungsrolle einnehmen.

Die EU will die weltweiten Verhandlungen führen – und der Vorsitzende des Rates der europäischen Umweltminister ist dabei wichtig. Das ist derzeit noch der tschechische Umweltminister Martin Bursík. Beim informellen Treffen mit seinen 26 Kollegen aus Europa in der vergangenen Woche in Prag fasste Bursík zusammen, welche Ziele in Kopenhagen erreicht werden müssen:

„Wir müssen ein Abkommen aushandeln, das die Emissionen der Treibhausgase stabilisiert und die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius begrenzt gegenüber dem Durchschnittswert vor Beginn der Industriellen Revolution. Das Abkommen muss auch das Abholzen des Regenwaldes beenden. Und die Weltwirtschaft muss zur kohlenstoffarmen Produktion übergehen.“

Oder anders gesagt: Die Weltklimakonferenz in Kopenhagen muss deutlich mehr erreichen als ihr Vorgänger in Kyoto. In der japanischen Stadt hatten sich die Industrieländer darauf geeinigt, die Treibhausgas-Emissionen bis 2012 um insgesamt fünf Prozent zu senken. Als Ausgangswert galt das Jahr 1990. Die EU versprach mit acht Prozent Reduktion beizutragen.

„Kopenhagen müsste eigentlich zu dem führen, was die Wissenschaft als notwendig erachtet: eine Reduktion der Treibhausgasemissionen von 50 Prozent bis 2050. Im Kyoto-Protokoll hatten sich etwa 30 Staaten zu Reduktionen verpflichtet. Diesmal sollten aber alle Staaten dabei sein“, so der schwedische Umweltminister Andreas Carlgren.

Schweden wird im Juli den EU-Ratsvorsitz von Tschechien übernehmen und Europa nach Kopenhagen führen.

Die Aufgaben für die EU sind also groß, doch wie viel wurde bisher überhaupt erreicht? Glaubt man den Umweltverbänden, dann ist es wenig. Industrieländer wie die USA oder Japan lassen bislang konkrete Zahlen vermissen. Für das so genannte Klimapaket der EU wiederum hagelte es Kritik von den Umweltverbänden. Im Klimapaket haben sich die EU-Mitgliedsländer verpflichtet, bis 2020 insgesamt die Treibhausgase um 20 Prozent zu reduzieren – im Vergleich zu 1990. In einer gemeinsamen Presseerklärung schrieben WWF, Oxfam, Greenpeace und weitere Organsiationen:

„Dies ist ein schwarzer Tag für die europäische Klimapolitik. Die Staatsoberhäupter und Regierungen Europas haben ihr Versprechen gebrochen und sich vom weltweiten Kampf gegen den Klimawandel abgewandt.“

Die Kritik zieht ihre Berechtigung aus den Forderungen der Wissenschaftler. Die Fachleute des Uno-Klimarates halten eine Reduktion von 25 bis 40 Prozent nötig. In Prag betonten die europäischen Umweltminister aber immer wieder: Die EU sei bereit ihre Ziele auf 30 Prozent zu korrigieren, wenn andere Industrieländer mitziehen und auch endlich verbindliche Zahlen nennen. EU-Umweltkommissar Stavros Dimas betonte zudem, dass die Europäer ihre Verpflichtungen aus Kyoto erreichen werden.

Deswegen sieht sich die Europäische Union auch weiterhin in der führenden Rolle für ein neues Weltklimaabkommen in Kopenhagen. Derzeit heißt dies vor allem, mit den anderen Ländern Gespräche zu führen und sie zu ihrem Beitrag zum Klimaschutz zu bringen. Die EU hat die Gespräche zu Beginn des Jahres aufgenommen, also mit Beginn der tschechischen Ratspräsidentschaft. Umweltminister Bursík erläuterte bei einer Pressekonferenz am Mittwoch am Beispiel von Japan und den USA, dass dies aber schon demnächst zu konkreten Zahlen führen sollte.

„In Japan wird die politische Entscheidung noch diesen Monat fallen. Das heißt, dann erhalten wir höchstwahrscheinlich die mittelfristigen Klimaziele Japans. Das wiederum ist verknüpft mit dem Entscheidungsprozess in den Vereinigten Staaten.“

Im Hinblick auf die USA verwies der tschechische Umweltminister auf eine Gesetzesinitiative, die demokratische Kongress-Abgeordnete gestartet haben. Sie schlägt eine Reduktion des CO2-Ausstoßes in den Staaten um 20 Prozent vor. Dies geht über die Ankündigungen von US-Präsident Barack Obama hinaus. Die EU jedenfalls wartet darauf, dass andere wichtige Industrieländer nun ebenfalls Verantwortung übernehmen und hofft auf Hilfe bei der Vorbereitung von Kopenhagen. Martin Bursík:

„Wir bieten den Vereinigten Staaten und anderen wirtschaftlich starken Ländern an, sich an der Führungsrolle zu beteiligen. Doch bisher sind wir der einzige Zusammenschluss von Staaten, der sich rechtlich bindend zur Reduktion von Emissionen verpflichtet hat.“

Ein weiteres Thema in Prag war die Finanzierung des Klimaschutzes. Dazu sind laut der Europäischen Kommission ab 2013 pro Jahr 175 Milliarden Euro nötig. Doch woher nehmen in Zeiten der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise? In Prag wurden mehrere Quellen genannt: öffentliche Gelder natürlich, dazu Finanzmitteln von Privatfirmen und laut Umweltkommissar Dimas die Einnahmen aus der europaweiten Versteigerung von Emissionsrechten:

„50 Prozent der Einnahmen aus der Versteigerung der Emissionsrechte könnten für Maßnahmen gegen die Folgen des Klimawandels benutzt werden und für die Anpassung an den Wandel.“

Eine Einigung scheint es indes dazu in der Europäischen Union noch nicht zu geben. Anfang Mai sollen in Prag Gespräche zwischen Vertretern der Umwelt- und Finanzministerien aus den 27 Mitgliedsländern geführt werden. Auch dann werden aber keine konkreten Zahlen erklingen. Denn die EU pokert. Zuerst will sie finanzielle Zusagen aus anderen Ländern hören, bevor sie ihre Karten aufdeckt.

Auf die EU kommen in den nächsten Monaten beim Thema Klima also entscheidende Gespräche zu. Die jedoch wird Martin Bursík nicht mehr führen können. Die aktuelle tschechische Regierung tritt am 9. Mai zurück, weil sie im März die Vertrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus verloren hat. Noch ist nicht klar, wer Bursíks Nachfolger wird. Bedeutet dies nun einen Bruch und zwei Monate des Banges, bis der schwedische Umweltminister Carlgren übernimmt? Bursík verneint. Zwar trete er zurück, aber sein Team an Mitarbeitern werde im Umweltministerium bleiben:

„Das Team ist international und hervorragend besetzt. Bei unseren europäischen Partnern hat es sich großen Respekt erarbeitet. Das sollte eine Garantie sein, dass wir die tschechische Ratspräsidentschaft zu Ende führen. Aber ohne Zweifel ist die Position der Tschechischen Republik als vorsitzendes Land durch den Sturz der Regierung geschwächt worden.“

Und Andreas Carlgren verweist darauf, dass Schweden schon vorher an vielen Verhandlungen der tschechischen Ratspräsidentschaft teilgenommen hat:

„Wir haben viele dieser Kontakte zusammen wahrgenommen und das ist so auch in der nächsten Zukunft. Schweden wird also mit dabei sein.“

Auf die Ergebnisse der Verhandlungen wartet die Welt mit Spannung.