Verhandlungsmarathon in Brüssel – Erfolg für tschechische Ratspräsidentschaft
Viel hat sich die tschechische EU-Ratspräsidentschaft vorgenommen für den EU-Ratsgipfel. Und während des Verhandlungsmarathons sah es nicht immer rosig aus mit einer Einigung in den strittigen Fragen. Am Ende werteten die tschechische Ratspräsidentschaft und die Europäische Kommission den Gipfel aber als vollen Erfolg. Daniel Kortschak berichtet aus Brüssel.
Lange sah es so aus, als hätte sich Tschechien mit seiner dicken Agenda ein wenig übernommen. Bereits am Donnerstag, dem ersten Gipfeltag wollten die 27 EU- Staats- und Regierungschefs über den heikelsten Punkt auf der Tagesordnung entscheiden: Die Zugeständnisse an Irland, das im Herbst dieses Jahres noch einmal über den EU-Reformvertrag von Lissabon abstimmen lassen will. Doch der derzeitige Ratsvorsitzende, Tschechiens Premierminister Jan Fischer, musste auf einer nächtlichen Pressekonferenz die Verschiebung dieses Tagesordnungspunktes auf den Freitag bekanntgeben:
„Wir sind davon ausgegangen, dass wir Irland diese Garantien geben können, ohne dabei den Lissabon-Vertrag aufzuschnüren und damit einigen Ländern die Gelegenheit zu geben, ihre Ratifizierung zu überdenken. Da gibt es allerdings noch einiges zu verhandeln und wir sind auf der Suche nach einem Kompromiss.“
Probleme bereitete weniger die Frage nach dem „Was“ der Zugeständnisse denn das „Wie“, also die Frage der rechtlichem Umsetzung. Während Irland einen Zusatz zum Lissabon-Vertrag forderte, wehrten sich die meisten übrigen Staaten gegen ein Aufschnüren des Reformvertrags, das eine wahrscheinlich eine neuerliche Ratifizierung in allen EU-Ländern bedeutet hätte. Freitagnachmittag war der Kompromiss gefunden, wie ein einigermaßen erschöpfter Jan Fischer sichtlich erleichtert berichten konnte:
„Wir sind zu 100 Prozent erfolgreich gewesen. Wir haben einen Kompromiss ausgehandelt, der für beide Seiten - für Irland wie den Rest der EU-Staaten – akzeptabel ist. Es handelt sich um einen Ergänzungstext, der nicht einen Beistrich am Lissabon-Vertrag verändert.“
Dafür gab es auch Lob von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso:„Ich möchte mich bei der tschechischen Ratspräsidentschaft für die gute Arbeit bedanken. Sie haben viel erreicht. Für Jan Fischer war es eine Herausforderung, mitten in der laufenden Präsidentschaft den Vorsitz zu übernehmen. Umso beachtlicher ist der volle Erfolg dieses Ratsgipfels.“
Barrosos Zukunft an der Spitze der Europäischen Kommission war ein weiterer wichtiger Punkt der Verhandlungen auf dem Brüsseler Ratsgipfel. Zwar hatte sich eine breite Unterstützung schon im Vorfeld des Treffens abgezeichnet, aber auch hier gab es noch jede Menge Fragezeichen, was den technischen Ablauf der Nominierung Barrosos betraf. Wie aus Kreisen der Delegationen zu erfahren war, wurde beim Arbeitsessen am Donnerstagabend in dieser Angelegenheit beinahe um jeden Beistrich gerungen. Heraus kam eine einstimmige Unterstützung für den portugiesischen Konservativen, quer über alle Partei- und Landesgrenzen hinweg.
Nun ist das Europäische Parlament am Zug. Und dort ist die parteiübergreifende Harmonie weit weniger ausgeprägt als zwischen den Staats- und Regierungschefs. Sozialdemokraten und Grüne wollen Barroso nicht unterstützen. Auf die Tagesordnung kommen könnte die Abstimmung über Barrosos neuerliche Wahl an die Spitze der Europäischen Kommission frühestens im Juli dieses Jahres.