Verschärfter Lockdown in Tschechien – aber reicht das?
Seit Montagmorgen ist der Lockdown in Tschechien noch einmal verschärft. So wurde für drei Wochen die Bewegungsfreiheit weiter eingeschränkt und die Maskenpflicht ausgedehnt. Damit soll die dritte Corona-Welle abgeschwächt werden. Kritiker auch innerhalb der Regierung warnen jedoch, dass die Maßnahmen nicht ausreichen könnten. Sie drängen zusätzlich auf eine befristete Schließung der Industriebetriebe.
Die Corona-Lage in Tschechien ist sehr ernst. Premier Andrej Babiš (Partei Ano) rief daher am Freitagabend nach der Regierungssitzung mit drastischen Worten dazu auf, die verschärften Corona-Maßnahmen einzuhalten:
„Wenn wir dies nicht machen, dann werden wir der Welt ein zweites Bergamo bieten. Denn unser Gesundheitssystem wird der Belastung nicht mehr standhalten.“
Seit Montagmorgen sind insgesamt 30.000 Polizisten und Soldaten im Einsatz, um im ganzen Land die Einhaltung der neuen Einschränkungen zu kontrollieren. So dürfen die Menschen hierzulande zu Arbeitszwecken oder auch für Einkäufe nur noch in begründeten Fällen den jeweiligen Bezirk verlassen. Dieser sogenannte „okres“ ist vergleichbar mit dem deutschen Landkreis. Dazu sagte Innenminister Jan Hamáček (Sozialdemokraten) bei der Pressekonferenz nach der Regierungssitzung:
„Wir werden beim Verlassen des Bezirks von den Bürgern eine Selbsterklärung verlangen. Für diese kann entweder ein Internet-Formular ausgefüllt oder eigenhändig ein Stück Papier beschrieben werden. Darauf muss dann stehen, wohin man fährt und von wann die Unterschrift stammt.“
Die Inspiration für diese Selbsterklärung kommt aus Frankreich, wo dies angeblich gut funktioniert hat. Bei Freizeit-Unternehmungen wie Spazierengehen oder Joggen sind die Einschränkungen noch schärfer. Da muss man sogar auf dem Gebiet der jeweiligen Gemeinde bleiben.
Außerdem wurde die Maskenpflicht erweitert. So müssen auch am Arbeitsplatz, wenn man keinen eigenen Büroraum hat, und im Freien innerhalb von Städten und Gemeinden mindestens OP-Masken getragen werden. Beim Einkaufen oder im öffentlichen Verkehr sind sogar FFP2-Masken vorgeschrieben.
Des Weiteren sind seit Montagmorgen alle Kindergärten und Schulen geschlossen. Und der Verkauf von Waren wurde weiter eingeschränkt.
All dies soll dabei helfen, die dritte Corona-Welle zurückzudrängen. Vor allem wegen des Vormarschs der britischen Mutation sind zuletzt die Zahlen der Neuinfizierten hierzulande wieder stark angestiegen. Nun stehen viele Krankenhäuser an der Belastungsgrenze.
„Derzeit nähert sich die Zahl der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen einem höchst riskanten Wert an. Auch wenn die neuen Maßnahmen voll greifen, werden wir in der kommenden Woche bei rund 20.000 Corona-Neuinfizierten am Tag landen“, so Gesundheitsminister Jan Blatný (parteilos).
Ob die Maßnahmen aber wirklich reichen, um die Zahlen wieder deutlich zu senken, daran bestehen Zweifel. Und die kommen nicht nur aus der Politik, sondern auch von Fachleuten. So haben Mediziner der Prager Karlsuniversität ein Modell erstellt zur Wirksamkeit der neuen Einschränkungen. Jan Trnka leitet dort den Lehrstuhl für Biomedizin und sagte am Montag in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Zwar sind die Eingriffe in unseren Alltag ziemlich stark, aber leider reduzieren wir damit nur einen relativ kleinen Anteil der Kontakte. Für wichtiger halte ich jene Maßnahme, die nicht umgesetzt wurde, und das ist eine Einschränkung der Kontakte am Arbeitsplatz.“
Mehr Homeoffice, so lautet dabei eine der Forderungen. Doch Tschechien hat viele Fertigungsbetriebe, in denen dies nicht möglich ist. Deswegen sagte Trnka:
„Derzeit wäre die beste Lösung, die Industriebetriebe für einige Wochen zu schließen. In dieser Zeit sollte dann ein wirklich gutes System regelmäßiger Corona-Tests am Arbeitsplatz eingeführt werden.“
Vor allem Premier Babiš sowie Industrie- und Handelsminister Karel Havlíček (parteilos) warnen jedoch davor, die Bänder in Tschechien abzuschalten. Sie befürchten, dass Firmen deswegen pleitegehen könnten. Deswegen setzt Havlíček schon jetzt auf die regelmäßigen Corona-Tests in den Firmen.
„Am Montag beginnt dies auf freiwilliger Basis. Wahrscheinlich machen wir dies aber schon am Freitag für Betriebe ab 250 Beschäftigten zur Pflicht“, so der Minister.
Dabei wollen der Staat und die Krankenkassen 60 Kronen (2,30 Euro) zu jedem Test beisteuern. Dies halten Vertreter von Wirtschaftsverbänden jedoch für zu wenig. Weitere Kritik besteht daran, dass jeder Beschäftigte nur einmal pro Woche auf Corona getestet werden soll. Der Biochemiker Jan Trnka empfiehlt mindestens zwei Tests in der Woche. Außerdem sei die Kontrolle der Testpflicht nicht geregelt, meint der Uni-Professor:
„Da von Grund auf begonnen werden muss, befürchte ich, dass die ideale Form der Massentests in den Firmen frühestens in einem Monat beginnt. Das können wir uns aber eigentlich nicht erlauben.“
Die Sozialdemokraten als Juniorpartner in der Regierung schlagen mittlerweile vor, zumindest weniger wichtige Industriebetriebe für drei Wochen zu schließen.