Vertreibung als Vorzeichen des weiteren Totalitarismus

Petr Uhl mit Zdeněk Bárta

Während dieser Woche wird bei verschiedenen Historikertagungen, Treffen mit ehemaligen politischen Gefangenen sowie Gedenkveranstaltungen an die Ereignisse vor 60 Jahren erinnert, als die Kommunisten die Macht in der Tschechoslowakei übernahmen. Das Geschehen kurz vor dem Februar 1948 wurde auch während einer Diskussion angesprochen, die sich mit der evangelischen Kirche und den tschechisch-deutschen Beziehungen befasste.

An der Diskussionsrunde, die vom Prager Sudetendeutschen Büro und der Konrad-Adenauer-Stiftung organisiert wurde, nahmen einige ehemalige tschechoslowakische Dissidenten teil – beispielsweise der Publizist Petr Uhl oder der ehemalige Senator Zdeněk Bárta. Der evangelische Pfarrer Miloš Rejchrt ging in seinem Vortrag auf die Haltung der evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder gegenüber den Sudetendeutschen ein. Der einstige Sprecher der Charta 77 Rejchrt war bemüht die Standpunkte der Christen aus der Sicht der Menschenrechte zu betrachten. Er machte dabei auf zwei wenig bekannte Dokumente aufmerksam – auf einen Artikel vom evangelischen Pfarrer und Historiker Rudolf Říčan aus dem Jahr 1946 und auf ein späteres Schreiben des Theologen J. B. Souček. Sie äußerten sich Rejchrt zufolge damals beide kritisch über die Vertreibung der deutschen Bevölkerung, in der sie ein Vorzeichen der Entwicklung zum Totalitarismus in der Tschechoslowakei gesehen hatten:

„Professor J. B Souček und Professor Rudolf Říčan waren meine Professoren, ich habe sie persönlich gekannt, denn ich war noch ihr Schüler. Diese beiden Theologen waren in unseren Kirchenkreisen, soviel ich weiß, nach dem Krieg die einzigen, die nicht nur die so genannten Exzesse kritisierten, sondern auch das Prinzip der Vertreibung in Frage stellten. Für Professor Říčan, der Historiker war, hatten die Tschechen mit den Deutschen eine 700 Jahre lange gemeinsame Geschichte. Die Tschechen wurden seiner Meinung nach von den Deutschen stark beeinflusst. So war beispielsweise einer der Initiatoren der so genannten tschechischen ´nationalen Wiedergeburt´, Bernard Bolzano, ein deutscher Priester. Seine Gedanken hatten für die Tschechen eine große Bedeutung. Professor Říčan sagte über die Vertreibung, es sei ein Versuch gewesen, nicht nur das Böse, die schlimmen Erfahrungen mit den Deutschen, sondern auch das Positive aus der gemeinsamen Geschichte zu entfernen. Professor Souček sprach darüber, dass die Vertreibung und insbesondere die Ideologie und die nationalistische Stimmung, die nach dem Krieg herrschten, für die künftige Entwicklung ausschlaggebend waren. Damals war alles erschüttert, alle ethischen Normen wurden erschüttert, es gab keine Gesetze mehr. Als die Kommunisten im Februar 1948 die Macht ergriffen, waren die Leute moralisch müde, um Widerstand zu leisten.“

Wann schrieb J. B. Souček dem Weltkirchenrat dieses Schreiben, von dem die Rede ist?

„Dies schrieb Professor Souček eben im März 1948. Seine Worte waren sehr prophetisch, denn er warnte in seinem Brief: Jetzt beginnt eine harte, dunkle und lange Ära.“

Fotos: Sudetendeutsches Büro in Prag