Viertagewoche: Mehrheit der Tschechen dafür, aber nur wenige Firmen setzen sie um
Die Work-Life-Balance – sie ist heute auch für junge Menschen in Tschechien immer wichtiger. Das bedeutet unter anderem, vielleicht nur noch vier Tage in der Woche zu arbeiten. Aktuelle Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Arbeitnehmer hierzulande für diese Reduzierung der Wochenarbeitszeit ist. Erste Firmen in Tschechien haben die Neuerung auch schon eingeführt. Dennoch dürfte der Weg im Land noch weit sein.
Die Firma Phonexia aus Brno / Brünn stellt Spracherkennungssoftware her. Das Interessante ist, dass das Unternehmen im Februar die Viertagewoche eingeführt hat – erst einmal testweise. Die rund 50 Angestellten arbeiten nur noch von Montag bis Donnerstag. Das bedeutet eine Umstellung im Arbeitsrhythmus. Sabína Gregušová ist bei Phonexia beschäftigt…
„Wir müssen uns schon am Montag von Beginn an die Arbeit etwas anders einteilen. Zum Beispiel dann, wenn ich weiß, dass wir große Mengen an Daten verarbeiten werden und die anderen darauf warten“, gesteht die Angestellte in einer Reportage der Inlandsendungen des Tschechischen Rundfunks.
Doch das verlängerte Wochenende begrüßt Gregušová:
„Den zusätzlichen freien Tag kann man nicht nur zur Erholung nutzen, sondern auch für die Besorgungen in Geschäften oder den Gang zu Behörden. Das würde man sonst nach der Arbeit machen, und wir alle wissen, wie anstrengend das sein kann.“
Umfragen in Tschechien zeigen, dass immer mehr Arbeitnehmer hierzulande gerne eine Viertagewoche hätten. Laut einer Erhebung vom Mai sprechen sich 80 Prozent dafür aus – und damit um sechs Prozentpunkte mehr als noch vor zwei Jahren.
Die Umfrage hatte die Unternehmensberatungsgesellschaft Moore Czech Republic in Auftrag gegeben, und zwar beim Meinungsforschungsinstitut Ipsos. Marcela Hrdá ist Partnerin von Moore in Tschechien und sagte am Dienstag in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks zu den Gründen für die Entwicklung:
„Vor allem ändert sich die Struktur der Beschäftigten. Das heißt, jüngere Jahrgänge kommen auf den Arbeitsmarkt. Und je jünger die Arbeitnehmer sind, desto größer ist ihre Unterstützung für die Viertagewoche. Zugleich wird hierzulande eine Diskussion über die Digitalisierung und die zunehmenden Möglichkeiten der Arbeit im Home-Office geführt. Immer mehr Menschen denken also, dass sie ihre Arbeit mit modernen Hilfsmitteln besser meistern können. Ebenso dürfen wir nicht vergessen, dass in der tschechischen Gesellschaft der Gedanke der Work-Life-Balance wächst.“
Auch die Arbeitsvermittlungsagentur Manpower Group hat schon mehrfach ähnliche Umfragen in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse waren ähnlich. Jiří Halbrštát ist Analytiker bei Manpower:
„Nach unseren Erhebungen hat in den vergangenen Jahren hierzulande die Zustimmung zur Viertagewoche stark zugenommen – aber nicht bei den Arbeitgebern, sondern nur bei den Arbeitnehmern. Der Trend, dass sich die Prioritäten bei den Angestellten ändern, wurde durch die Corona-Pandemie noch einmal beschleunigt. Wir sehen immer häufiger, dass Bewerber nicht mehr so sehr auf höhere Löhne drängen, sondern mehr Seelenfrieden haben wollen. Sie leiden vermehrt unter Burn-out, erfahren auf der Arbeit nur wenig Wertschätzung und sind nicht motiviert. Und so ändern sich ihre Lebenspräferenzen hin zu mehr Freizeit.“
Die meisten tschechischen Firmen scheuen sich aber noch vor dem Schritt. Oder sie sind in einer Branche tätig, in der die Viertagewoche nur schwer eingeführt werden kann – wie etwa im Gesundheitswesen, in der Produktion, im Einzelhandel oder in weiteren Dienstleistungsbereichen. Jiří Halbrštát betont zudem, dass auch firmenintern die Bereitschaft zu dem Schritt vorhanden sein müsse. Deswegen würde er derzeit in Tschechien keine staatlichen Vorstöße zur Viertagewoche empfehlen.
„Falls in einer Firma die Vertrauenskultur zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht korrekt eingestellt ist, dann dürfte das zu keinem guten Ergebnis führen. Deswegen würde ich die Reduzierung der Wochenarbeitszeit derzeit auf freiwilliger Basis belassen. Ich denke, die Firmenkultur muss sich in vielen Unternehmen hierzulande noch weiterentwickeln“, sagt der Analytiker von der Manpower Group.