Visionen für die Entwicklung der Tschechischen Republik bis zum Jahr 2015

Ein Autorenteam der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Prager Karlsuniversität hat vergangene Woche der Öffentlichkeit eine Studie mit dem Titel "Visionen für die Entwicklung der Tschechischen Republik bis zum Jahr 2015" vorgelegt. Einzelheiten dazu von Silja Schultheis.

Bei der Studie handelt es sich um das erste Produkt des im August vergangenen Jahres an der Prager Karls-Universität gegründeten "Centrums für soziale und ökonomische Strategien". Über die Motivation, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, äußerte Prof. Martin Potucek, einer der Autoren des Buches, im Gespräch mit Radio Prag:

"Die Hauptinspiration war wahrscheinlich das Gefühl, dass die Tschechische Republik eine solche Vision wirklich braucht. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Menschen, die hier leben, die Repräsentanten verschiedener Institutionen des öffentlichen, politischen, wirtschaftlichen Lebens sich besser in den Gefahren der Zukunft orientieren können "

In der Studie werden drei verschiedene Szenarien für die Entwicklung der Tschechischen Republik bis zum Jahr 2015 entworfen, die im einzelnen so aussehen:

"Das erste Szenario geht davon aus, dass sich der Markt sehr räuberisch ausbreiten wird, sowohl in globaler Hinsicht als auch in Tschechien. Dabei wird die Europäische Union - der wir diesem Szenario zufolge beitreten werden - nur eine Art Vermittler sein für den Einfluss des globalen Marktes und seines Übergreifens auf die Tschechische Republik. Nach dem zweiten Szenario, das wir 'institutionelle Anpassung' genannt haben, kommt es zu einem gewissen Ausgleich und einem gleichmäßigen Wirken der drei Sektoren Staat, Markt und Bürgergesellschaft. Die Tschechische Republik nutzt hier die bewährten Institutionen der Europäischen Union und profitiert maximal von der Mitgliedschaft. Das dritte Szenario geht davon aus, dass es hier wieder - wie bereits wiederholt in der Vergangenheit - zu vielen Kleinkriegen kommen wird und die verantwortlichen Politiker nicht in der Lage sind, sich auf Prioritäten für dieses Land zu einigen."

Bemerkenswert an den vorgestellten "Visionen für die Entwicklung der Tschechischen Republik" ist die Tatsache, dass es sich dabei nicht nur - und auch nicht in erster Linie - um eine wissenschaftliche Arbeit handelt. Vielmehr wollen die Autoren ihren Text ausdrücklich als Aufforderung an die breite Öffentlichkeit verstanden wissen, gemeinsam über die Zukunft ihres Landes zu diskutieren. Dementsprechend handelt es sich bei den "Visionen", so Potucek, auch nicht um eine abgeschlossene Studie, sondern vielmehr um einen ersten Schritt auf einem weiten Weg.

Und die tschechische Öffentlichkeit? Die wurde zunächst durch die Medien besser als von den Autoren erwartet über das Erscheinen des Buches informiert. Am vergangenen Freitag standen die Autoren der "Visionen" interessierten Bürgern ferner in einer Internet-Konferenz für Fragen und Anmerkungen zur Verfügung. Martin Potucek zog anschließend folgende Bilanz:

"Ehrlich gesagt, war das für mich die erste derartige Erfahrung und ich war sehr positiv überrascht. Das war in gewisserweise eine Herausforderung. Ich musste mich sehr konzentrieren, um schnell und kurz auf die verschiedensten Fragen antworten zu können."

Zu einem Zusammenbruch des Servers, wie unlängst bei der ersten Internet-Konferenz von Staatspräsident Vaclav Havel, sei es - so Potucek - bislang glücklicherweise nicht gekommen. Und damit besteht eigentlich auch kein ernsthafter Grund, die Diskussion über die Zukunftsvisionen für die Tschechische Republik nicht fortzusetzen. Das Autorenteam jedenfalls möchte die Reaktionen der Öffentlichkeit in ihre weitere Arbeit mit einbeziehen und plant noch für dieses Jahr die Herausgabe eines Prioritäten-Handbuches für die Tschechische Republik.