Vizepremier Bělobrádek im Sudetendeutschen Haus – Kritik und Lob in Tschechien

Pavel Bělobrádek (Foto: Filip Jandourek, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Der tschechische Vizepremier Pavel Bělobrádek war am Freitag und Samstag zu einer zweitägigen Visite in München. Bei diesem Anlass besuchte er als überhaupt erstes Mitglied einer tschechischen Regierung das Sudetendeutsche Haus und ehrte dort die sudetendeutschen Opfer der Zwangsaussiedlung aus der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit dieser Tat hat er für Aufsehen in der tschechischen Politik gesorgt.

Pavel Bělobrádek  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Der Parteichef der tschechischen Christdemokraten und stellvertretende Ministerpräsident, Pavel Bělobrádek, folgte einer Einladung von Landsmannschaftssprecher Bernd Posselt. Im Gedenken an die Opfer der Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg legte er einen Kranz in den tschechischen Nationalfarben Weiß, Blau und Rot nieder. Scharfe Kritik äußerten daraufhin die tschechischen Kommunisten (KSČM). Der Besuch nehme keine Rücksicht auf die Gefühle derjenigen, die im Zweiten Weltkrieg unter den deutschen Faschisten Familienangehörige verloren hätten, hieß es. Der kommunistische Vizeparteichef Jiří Dolejš sagte gegenüber dem Tschechischen Rundfunk:

Jiří Dolejš  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Zur Abschiebung kam es in Folge der Kriegsereignisse zuvor sowie des Münchner Abkommens, durch beides mussten die tschechischen Einwohner in den Grenzgebieten leiden. Deswegen sehen wir diese Geste als eine einseitige Tat, die viele Menschen auf der tschechischen Seite beleidigt.“

Er habe die sudetendeutschen Opfer in München vor allem als Christ geehrt, betonte Bělobrádek am Sonntag. Eine Kritik weist er zurück:

„Ich sehe keinen Grund für eine Kritik und verstehe sie auch nicht. Es gab natürlich Täter der nationalsozialistischen Willkür, des Terrors und der Brutalität. Die müssen bestraft und verurteilt werden. Man kann sie aber nicht hundertprozentig mit den Deutschen gleichsetzen. Das ist meiner Meinung nach eine prinzipielle Sache.“

Foto: ČT24
Der stellvertretende Regierungschef verwies außerdem auch auf die jüngste Entwicklung in den Standpunkten der Sudetendeutschen:

„Die sudetendeutsche Kommunität ist in der Frage der Beneš-Dekrete und ihrer Eigentumsforderungen wesentlich vorangeschritten. Die Versöhnung muss deswegen beidseitig erfolgen.“

Von anderen Teilen der Opposition gab es hingegen Zustimmung. Miroslav Kalousek, Vizechef der Partei Top 09, sagte, er unterstütze die Versöhnungsgeste. Man solle einen Weg zur Kommunikation und zur endgültigen Versöhnung suchen, forderte der konservative Politiker.

Vertreibung der Sudetendeutschen  (Foto: Post Bellum)
Nach Angaben des Regierungsamtes war Bělobrádeks Reise kein offizieller Staatsbesuch, der von der Regierung hätte gebilligt werden müssen. Premier Bohuslav Sobotka (Sozialdemokraten) lobte dennoch die Initiative seines Regierungspartners. Eine solche Geste der Versöhnung trage zur Verbesserung der gemeinsamen Beziehungen bei und gehöre in das sich vereinigende Europa des 21. Jahrhunderts, so der Regierungschef. Sobotka unterstrich in einer Presseerklärung allerdings auch die Notwendigkeit, zwischen Ursachen und Folgen in der Geschichte der tschechisch-deutschen Beziehungen zu unterscheiden. Es sei das nationalsozialistische Deutschland gewesen, das die demokratische Tschechoslowakei zerschlagen und den Zweiten Weltkrieg entfesselt habe. Die traurigen Ereignisse vom Frühling und Sommer 1945 seien eine Folge Münchens, des Weltkriegs, der Unterdrückung und der Unfreiheit gewesen.