Völkerverständigung leicht gemacht

Kurz nach der deutsch-tschechischen Grenze verlassen sie einen: die deutschen Worte auf den Schildern, die deutschen Worte der Verkäuferin und das deutsch im Radio. Statt "Hallo" heißt es jetzt "Ahoj", statt Mann und Frau muss man sich vor dem Toilettenbesuch entscheiden, ob man zu den "muzi" oder "zeny" gehören will. Oder vielleicht hat sie sogar zavreno, geschlossen, die Toilette. Skoda! Schade! Doch sie wollen nicht nur erfolgreich die Toilette aufsuchen, sondern auch mit den Tschechen in Kontakt treten. Kein Problem - Rettung naht! Melanie Thun weiß wo und wie.

45 Kronen, also nicht einmal zwei Euro kostet die Völkerverständigung in Form eines 16 Seiten starken Heftchens: Neben Postkarten, Jutebeuteln und tschechischen Kochbüchern verbirgt sich die kleine Nationen verbindende Kostbarkeit im Souvenirshop der Prager Burg. Der Titel: Leichtes Tschechisch für die Touristen, Ausländer und Begriffsstutzige!

Und so nimmt das kleine Blättchen auch kein Blatt vor den Mund. So führen zur Einführung ein paar Worte über die Tschechen in dieses sehr liebenswerte Volk ein. Schließlich sei es den Tschechen egal, so heißt es wörtlich, ob man schwül sei, einen Geliebten oder eine Geliebte habe oder ob man ein Adeliger oder Politiker sei. Na, dann kann einer tiefen Freundschaft doch nichts mehr im Weg stehen. Vor allem wenn man dann weiter lesen darf, dass die angebotenen Sexualdienste insgesamt den osteuropäischen hygienischen Durchschnitt übertreffen und zudem auch noch verhältnismäßig billig sind.

So verrät Autor Dr. Ivan Douda, dass die tschechischen Mädel angemessen intelligent, gesund und in sexueller Hinsicht zutunlich seien. Nur bei der Beschreibung der männlichen Vorzüge ist man kurz überlegt, wie innig die deutsch-tschechische Freundschaft werden wird: Denn - so wörtlich - die tschechischen Männer sind angemessen potent - darin übertreffen sie das westeuropäische Niveau. Deutsche Männer als Schlappschwänze? Dr. Douda ruft zum europaweiten Potenzvergleich auf:

"Wir können es einfach ausprobieren und vergleichen. Es ist für ein besseres Sex-Leben in Prag - vor allem für die Touristen. Die Motivation ist dadurch für manchen vielleicht höher."

Bevor wir uns aber der körperlichen Völkerverständigung widmen, wenden wir uns lieber der Sprache zu, damit auch bei jeglicher Form der Kontaktaufnahme nichts schief gehen kann: So erfährt der geneigte Leser natürlich, wie er sich auf Tschechisch richtig vorzustellen hat, wie er Preise in Erfahrung bringen kann und sich ein Hotelzimmer besorgen kann.

Doch vielleicht steht es gerade um das gesundheitliche Befinden nicht zum Besten und hindert ein wenig, der neue Liebe, Tschechien und seinen Menschen, näherzukommen - auch da weiß unser kleiner Führer durch die Irrungen und Wirrungen der tschechischen Sprache zu helfen: "Mam zacpu" - "Ich habe Stuhlverstopfung". Oder vielleicht betrifft es auch die andere Richtung: "Zvracim" - "Ich breche!" Und wenn es gar ganz schlimm ist: "Mam otravu!" - Die wörtliche Übersetzung: "Ich habe Vergiftung!" Für Dr. Douda durchaus im Bereich des möglichen, wenn man die Tschechische Republik besucht:

"Man kann Pilze gegessen haben zum Beispiel oder man kann Gangster sein und jemand möchte einen mit Gift liquidieren. Man könnte es brauchen."

Wenn aber wieder alles da bleibt und ist, wo es hingehört, der eigene Körper frei von Gift und Geschlechtskrankheiten ist, sollte man seiner Freude darüber nicht ungehemmt Ausdruck verleihen. Der gemeine Tscheche - so potent und libidinös er auch sein mag - gehört mehr der Kategorie Tiefstapler an - oder wie Dr. Douda es formuliert: Sobald sie an den Tag geben, dass es ihnen zu gut geht, werden sie als verdächtig wahrgenommen. Darum sagen Sie doch einfach: "Nejsem ve sve kuzi." - "Mir ist heute nicht wohl in meiner Haut" oder "Nemam dnes dobrou naladu." - "Ich bin heute schlecht aufgelegt!" Denn genau das scheint auch die Lieblingsemotion der tschechischen Verkäufer zu sein.

So warnt unser kleines Heftchen: In den Geschäften begegnen sie oft der saueren Miene; nehmen sie es nicht persönlich - es ist fast gang und gäbe. Mal wieder ein Beweis, wie ähnlich unsere Völker sich doch sind. Doch sollte ihnen die Völkerverständigung doch einmal zu barsch kommen: Reagieren Sie einfach entsprechend angemessen: Ein "Ty strevo!" - "Du Dickdarm!" oder gerne auch "Nech se vycpat" - "Laß Dich aufstopfen" wird der neuen Liebe schon keinen Abbruch tun.

Autor: Melanie Thun
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