Von der Moldau umarmt und der Industrie geprägt: der Prager Stadtteil Holešovice

Messegelände im Stadtteil Holešovice (Foto: Archiv des Museums der Hauptstadt Prag)

Fast der ganze Stadtteil Holešovice gehört zum siebten Prager Stadtbezirk. Vor rund 130 Jahren wurde er eingemeindet. Seitdem hat Holešovice rasante Verwandlungen erlebt. Die Metamorphosen des Stadtteils zeigt derzeit eine Ausstellung im Museum der Hauptstadt Prag. Zu sehen sind über 1400 Fotografien und 100 dreidimensionale Exponate.

Museum der Hauptstadt Prag  (Foto: Kristýna Maková)
Der Name des heutigen Stadtteils Holešovice leitet sich aller Wahrscheinlichkeit nach vom tschechischen Adjektiv „holý“ – zu Deutsch „kahl“ – ab. Denn das Gebiet in der Moldauschleife war fast bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nicht bebaut, und bis auf zwei kleine Dörfer auch kaum besiedelt. Im Süden lag Malé Bubny, das auch nur Bubny genannt wurde. Dort befanden sich eine Brauerei und ein Bauernhof. Im Norden lag ein noch kleineres Dorf namens Staré Holešovice, in dem es nur eine einzige Straße gab. Die Bewohner waren vor allem Fischer oder Bauern, sagt Historiker Jan Jungmann. Er hat die Ausstellung im Stadtmuseum zusammengestellt:

„An die alten Dörfer erinnern in Holešovice bis heute einige Straßennamen – wie beispielsweise die Straße Na Ovčinách – zu Deutsch etwa ‚An der Schafweide‘. Der Name der Straße U průhonu wurde vom Verb ‚hnát‘ abgeleitet – das bedeutet so viel wie ‚das Vieh auf die Weide treiben‘. Früher soll es eine wilde Gegend gewesen sein. Davon zeugt der Ortsname ‚Na čertoušku‘ – zu Deutsch etwa ‚Zu den Teufeln‘. Einer Legende nach soll sich an dem Ort eine Schlucht befunden haben, in der Teufel wohnten. Der Charakter der Gegend begann sich ab dem Jahr 1850 zu verändern. Damals wurde die Bahnstrecke Prag – Dresden errichtet, die über dieses Gebiet führte. Bis 1890 hielten die Züge aber nicht in Holešovice.“

Jan Jungmann: Holešovice – Bubny: v objetí Vltavy  (Foto: Archiv des Museums der Hauptstadt Prag)
Während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verwandelten sich Holešovice und Bubny zu Industrievorstädten von Prag. Die überhaupt erste Fabrik, die dort errichtet wurde, war Max Dormitzers Textilfabrik. Sie wurde 1823 in der Nähe des heutigen Bahnhofs Holešovice erbaut. Der wichtige Impuls zur Bauentwicklung in dieser Gegend kam erst 1868, sagt Jan Jungmann:

„Damals wurde die nach Kaiser Franz Josef benannte Kettenbrücke erbaut. Sie befand sich dort, wo heute die Štefánik-Brücke steht. Zudem wurde im selben Jahr ein Streckenabschnitt der Buštěhrader Eisenbahn errichtet, der über den Baumgarten (Stromovka-Park) nach Bubny führte. Die Trasse wurde an die Strecke Prag – Dresden angeschlossen, was den Transport von Kohle ermöglichte. Das war damals die Grundbedingung für die industrielle Entwicklung. Hinzu kam, dass das Gebiet immer noch wenig bebaut war. Es gab dort aber ausreichende Wasserressourcen. Zudem war es nicht weit vom Prager Stadtzentrum. Die Bedingungen für den Aufschwung der Gegend waren ideal.“

Plakat der bürgerlichen Bierbrauerei  (Foto: Martina Schneibergová)
Sehr schnell entstanden dort verschiedene Industrieunternehmern. 1882 gab es in Holešovice insgesamt 37 Betriebe. Meistens handelte es sich um Metall verarbeitende Fabriken wie Gießereien und Maschinenbauwerke. In Holešovice entstanden zudem einige Einrichtungen, die für ganz Prag von Bedeutung waren. 1895 wurde der Schlachthof errichtet, 1897 die bürgerliche Bierbrauerei, 1900 die Elektrizitätswerke. 1894 wurde der Hafen von Holešovice erbaut, der aber erst nach 1910 mit der Eisenbahn verbunden wurde. Prag hatte noch nach dem Zweiten Weltkrieg eine hervorragende Schiffsverbindung nach Hamburg.

1891 wurde im Norden von Prag das Messegelände errichtet. Formal liegt es zwar schon im Stadtteil Bubeneč, doch für die Entwicklung von Holešovice war es sehr wichtig. Jan Jungmann:

Prager Mustermessen / Pražské vzorkové veletrhy  (Foto: Archiv des Museums der Hauptstadt Prag)
„Auf dem Messegelände fanden Ende des 19. Jahrhunderts einige Ausstellungen statt, die für das tschechische Volk von großer Bedeutung waren. 1891 wurde dort die berühmte Jubiläumsausstellung organisiert. Danach gab es eine ethnographische Ausstellung sowie eine Ausstellung zur Architektur und über das Ingenieurwesen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden auf dem Messegelände zweimal im Jahr die sogenannten Prager Mustermessen (Pražské vzorkové veletrhy) veranstaltet. Dazu reisten Interessenten aus der ganzen Welt nach Prag. Ende der 1920er Jahre wurde zudem der Messepalast erbaut.“

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Moldauufer unweit der Insel Štvanice reguliert. Danach wurden zwei Moldaubrücken erbaut – die Čech- und die Hlávka-Brücke. In der Zeit der Ersten Republik führten die Stadtplaner den wahrscheinlich größten Einschnitt in der Prager Geschichte durch: Sie verlegten das Flussbett der Moldau. Die Bauarbeiten am neuen Flussbett wurden 1927 beendet. Als ein Resultat davon konnte der Hafen von Holešovice besser genutzt werden. In der Folge entstanden zwei weitere Brücken – die Libeňský- und die Barikádníků-Brücke.

Insel Štvanice mit dem Eisstadion  (Foto: Archiv des Museums der Hauptstadt Prag)
Seit 1850 heißt das Gebiet, dessen Geschichte in der Ausstellung dargestellt wird, Holešovice – Bubny. Denn damals wurden die beiden zuvor selbstständigen Dörfer zusammengelegt. 1884 erfolgte schließlich die Eingemeindung nach Prag als siebter Stadtbezirk. Seit 1960 ist für den Stadtteil nur noch der Name Holešovice gebräuchlich. Typisch für den Stadtteil ist seine Vielfalt. Die Gegend um Letná galt früher als ein nobles Stadtviertel. Bis heute findet man dort wertvolle Architektur vom Ende des 19. Jahrhundert sowie aus der Zeit der Ersten Republik. Jan Jungmann:

„In Holešovice gibt es zudem die Gegend um den Bahnhof Prag – Bubny. Ich nenne sie die ‚Eisenbahnstadt‘. Das ehemalige Industrieviertel befand sich rund um die Moldauschleife. Bis in die 1970er Jahre blieb zudem ein Teil des alten Holešovice – der Ort Zátory – erhalten. Er wurde jedoch abgerissen, als der Bahnhof Prag-Holešovice erbaut wurde. Ich bin davon überzeugt, dass es kein glücklicher Schritt war, den alten Ortsteil abzureißen. Denn bis heute gibt es dort leere Flächen, die von Unkraut überwuchert sind. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Entwicklung widersprüchlich. Zwei architektonisch beachtenswerte Bauten von der Weltausstellung von 1958 in Brüssel wurden in Holešovice platziert: der Brüsseler Ausstellungspavillon auf dem Messegelände und das Restaurant Expo 58 im Stadtviertel Letná. Zudem entstanden einige moderne Gebäude wie zum Beispiel das Parkhotel.“

Nach 1989 änderte sich der Charakter von Holešovice erneut, denn die Mehrheit der Industrieunternehmen musste schließen. Einige Fabriken wurden in Büros, Ausstellungsräume oder in Wohnungen umgewandelt, andere wurden abgerissen.


Die Ausstellung Mit dem Titel „Holešovice – Bubny: v objetí Vltavy“ ist im Museum der Hauptstadt Prag bis zum 19. April zu sehen. Das Museum ist täglich außer montags von 9 bis 18 Uhr geöffnet.