Von Möpsen und Menschen - Tschechen und Werbung im Jahr 2007
Das Ende des Sozialismus brachte für die Tschechen tief greifende Neuerungen wie zum Beispiel die freie Marktwirtschaft. Mit ihr schwappte aber auch die Werbung ins Land - die schöne neue Warenwelt muss schließlich an den Mann und an die Frau gebracht werden. Christian Rühmkorf berichtet im Medienspiegel, wie Werbung in Tschechien heute gemacht und von der Bevölkerung wahrgenommen wird.
Sie sehen ihren Leib- und Magenkrimi am Samstagabend. Es ist richtig spannend! Ihnen stockt der Atem und dann - hält Ihnen plötzlich am ausgetreckten Arm eine blonde dynamische Mittdreißigerin einen Joghurt entgegen. - Werbung! Die Bürger der Tschechischen Republik fühlen sich mit Reklame übersättigt und das vor allem in Bezug auf TV-Reklame und Postwurfsendungen. Auch die Akzeptanz von Internet-Werbung und so genannten Spam-Mails ist rapide gesunken. Das geht aus einer von der Marktforschungsagentur Factum Inventio am Mittwoch veröffentlichten Untersuchung hervor. Die Studie sei wichtig, wie Jitka Vysekalova erklärt, eine der Autoren von der tschechischen Marketinggesellschaft CMS. Gerade deshalb, weil sie seit vielen Jahren kontinuierlich Daten liefere über die Wahrnehmung von Werbung. Aber was hat sich aktuell verändert?
"Natürlich die Haltung der Menschen hinsichtlich der Intensität der Werbung. Das ist verständlich, denn Werbung hat enorm zugenommen. Und mit der Entstehung der neuen Medien sinkt das Verlangen der Menschen nach neuen Informationen. Man ist übersättigt. Und das beginnt nun auch bei jüngeren Menschen, wie wir bei der Untersuchung festgestellt haben. Vor allem natürlich, was die Internet-Reklame betrifft."
Allen voran steht jedoch laut Studie das Fernsehen. Zwischen 70 und 80 Prozent der Befragten kritisieren die Reklame auf den privaten Fernsehkanälen TV Nova und Prima. Gegenüber der Werbung im öffentlich-rechtlichen Sender Ceska televize haben hingegen 45 Prozent eine kritische Haltung. Gut zwei Drittel der Befragten haben genug von der Werbung, die ihnen tagtäglich die Briefkästen vollgestopft. Und dass Zigarettenwerbung verboten werden müsste, der Ansicht ist über ein Drittel der Menschen. Trotz dieser kritischen Haltung gegenüber Werbung, stellt Jitka Vysekalova fest, dass auch diese Medaille zwei Seiten hat:
"Dass die Menschen zunehmend von der Werbung genervt sind, das liegt meiner Ansicht nach nicht nur an der steigenden Intensität der Reklame, an den Wiederholungen, sondern auch daran, dass eine ganze Reihe von Werbungen nicht besonders packend und interessant gestaltet ist. Auf der anderen Seite werden sich die Menschen der Notwendigkeit von Werbung bewusst. Sie nehmen sie als Teil des heutigen Lebens wahr und auch als eine Voraussetzung für die Existenz der Medien. Die Medaille hat zwei Seiten: Werbung geht den Menschen auf die Nerven, vor allem dann, wenn sie drei, vier Mal unseren Samstagabend-Krimi unterbricht. Auf der anderen Seite sind sie sich im Klaren darüber, dass sich die Medien durch die Werbung finanzieren und dass sie deshalb notwendig ist. Das ändert aber nichts daran, dass sie mit Werbung einfach übersättigt sind."
30 Prozent aller Befragten haben angegeben, dass sie in den letzten drei Monaten ein Produkt aufgrund einer Werbung gekauft haben. Eine relativ geringe Zahl, wenn man bedenkt, dass für Fernsehwerbung im Jahre 2006 in Tschechien über 23 Milliarden Kronen (ungefähr 820 Millionen Euro) ausgegeben wurden. Das findet auch Jitka Vysekalova. Aber sie hat eine Erklärung dafür:
Und dennoch: Die Menschen sind nicht nur Opfer tagtäglicher Werbeattacken. Sie haben auch gewisse Erwartungen an die Machart von Werbung:
"Was die Erwartungen der Leute an Reklame betrifft, so steht seit Beginn der Untersuchungen an erster Stelle die Erwartung, dass Reklame wahr bzw. Wahrheitsgetreu ist, dass sie verständliche und vertrauenswürdige Informationen liefert. Auch wenn die Werbeagenturen das nicht gerne hören wollen. Wichtig ist den Menschen auch, dass die Reklame anständig und gewaltfrei ist. Ich halte das für eine Reaktion auf das gesamte Erscheinungsbild der Gesellschaft. Und die Leute projizieren diese Hoffnungen auch auf die Werbung, denn Werbung ist eine gesellschaftliche Erscheinung."
Aber auch Witz hält Jitka Vysekalova für eine Eigenschaft, die Werbung unbedingt mit sich bringen sollte. Befragt man hiernach die Tschechen, so fällt fast allen auf Anhieb die Werbung eines Mobilfunkanbieters ein. Ein Mann mittleren Alters in einem Karo-Pullunder schreitet von rechts ins Bild, macht eine autistisch anmutende Drehung in die Kamera und beginnt mit seinem Text, während von links ein Haufen kleiner Möpse sich ins Bild trollt. Alle mit einem Rentiergeweih aus Stoff auf dem Kopf:
"Jawohl! Wir hätten für Sie eine normale Weihnachtswerbung drehen können. Und eine schöne noch dazu! Künstlicher Schnee, falsche Rentiere und dann irgendso ein Lockmittel für neue Kunden. Aber wir haben uns gesagt: nein! Keine Köder! Und wenn schon Geschenke, dann für alle."
Die Reaktionen auf diese Werbung zeigten sich in einer Wucht von Zitaten und Text-Adaptionen in allen möglichen Lebensbereichen, ob in der Schule, im Büro oder in der Fabrik. Das belegen die unzähligen Parodien auf diese Werbung, die man im Internet findet:
"Jawohl! Wir hätten für Euch eine normale Klassenarbeit machen können. Und eine leichte noch dazu! Leichte Formeln, gute Ergebnisse und dann so eine super Note für die Streber. Aber wir haben uns gesagt: Nein! Keine Köder! Und wenn schon Fünfen, dann für alle."
Aber nicht nur Lehrer bekommen ihr Fett weg. Auch die Politiker werden angeschmiert. So zeigt ein Billboard den Premier Mirek Topolanek mit einem Karo-Pollunder. Darüber folgender Schriftzug:
"Jawohl! Wir hätten für Sie eine normale Regierung aufstellen können. Und eine schöne noch dazu... Aber wir haben uns gesagt: NEIN!"
Wozu Werbung alles gut sein kann?!