Von Sophies Entscheidung bis zu Wichterles Kontaktlinsenmaschine

Ausstellung ‚Sophies Entscheidung auf Tschechisch‘ (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums Wien)

Eine Reihe von Ausstellungen präsentiert das Tschechische Zentrum Wien in den nächsten Wochen. Im Blickpunkt steht das Gedenken an das Kriegsende vor 70 Jahren. Aber auch einzigartige Bilddokumente aus dem Ersten Weltkrieg werden zum ersten Mal gezeigt. Und nicht nur in Wien gibt es Ausstellungen aus tschechischer Perspektive, sondern auch in Oberösterreich und Zürich. Martin Krafl, Leiter des Tschechischen Zentrums in Wien, gibt einen Überblick.

Ausstellung ‚Sophies Entscheidung auf Tschechisch‘  (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums Wien)
Das tschechische Zentrum setzt in den nächsten Wochen einen Schwerpunkt auf 70 Jahre Kriegsende. Dazu läuft in Wien eine Ausstellung mit dem Titel ‚Sophies Entscheidung auf Tschechisch‘. Sie behandelt die Geschichte von 80 jüdischen Kindern aus Prag, die 1939 vor den Nationalsozialisten gerettet werden konnten. Eine tschechische Journalistin hat sich auf die Spur dieser Kinder begeben. Was hat sie herausgefunden, was zeigt die Ausstellung?

„Diese Ausstellung, die wir übrigens in unserer komplett neu renovierten Galerie in der Wiener Herrengasse zeigen, arbeitet mit Fotos und Briefen von Zeitzeugen. Außerdem sind Interviews mit den Zeitzeugen zu sehen, die über ihre Erinnerungen sprechen. Bei den Kuratoren um Judita Matyášová handelt es sich eigentlich um Journalisten der Zeitung Lidové noviny. Sie haben sich über viele Jahre mit dem Schicksal dieser Gruppe befasst, Judita Matyášová wird bei der Vernissage anwesend sein.“

Judita Matyášová  (Foto: YouTube)
Und einige der geretteten Kinder von damals konnte sie wieder aufspüren?

„Ja, das ist sehr interessant, denn unter den Kindern waren auch einige aus Wien. Deshalb liegt der Schwerpunkt dieser Ausstellung nun auch auf diesen Wiener Kindern. Und wir werden uns dem Thema weiter widmen und planen eine Fortsetzung. Denn Judita Matyášová hat nicht nur ein Buch über das Thema geschrieben, sondern arbeitet momentan auch an einer Verfilmung. Wir möchten diesen Film im Herbst in Wien zeigen und Judita Matyášová wieder nach Österreich einladen.“

Zur Ausstellung „Sophies Entscheidung“ gibt es auch ein filmisches Begleitprogramm. Welche Filme werden Sie in Wien präsentieren?



‚Operation Silver A‘  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Wir zeigen zwei Spielfilme, die sich auf traumatische Schlüsselereignisse der tschechischen Geschichte beziehen. Der erste Film ist am 11. Mai der Streifen ‚Habermann‘ von Regisseur Juraj Herz. Er thematisiert die Errichtung und das Endes des ‚Protektorates Böhmen und Mähren‘ anhand der Geschichte einer Familie im Sudetenland zwischen 1938 und 1945. Regisseur Jiří Strach hat sich dem Theme des Heydrich-Attentates angenommen. Der Film heißt ‚Operation Silver A‘ und gibt Einblick in die Vorbereitungen des Heydrich-Attentates 1942, das vom tschechoslowakischen Widerstand verübt wurde. Dem Attentat folgte die Vernichtung der Dörfer Lidice und Ležáky durch das NS-Regime. Jiří Strach wird am 8. Juni nach Wien kommen, um nach der Filmvorführung mit dem Publikum über den Film und das Thema zu sprechen.“

Adam Vačkář  (Foto: ČT24)
Am 29. Mai eröffnet auch in Zürich eine Ausstellung, die sich sowohl mit der Zeit des Zweiten Weltkriegs als auch mit dem darauffolgenden kommunistischen Regime befasst. Es nennt sich „Projekt Citizen Archivist“. Der Autor hat dafür einen sehr subjektiven Zugang gewählt.

„Richtig. Der junge Künstler Adam Vačkář wurde 1979 in der damaligen Tschechoslowakei geboren. Er lebt in Frankreich und Japan und hat seine Werke schon weltweit ausgestellt, zum Beispiel bei der Art Basel oder im Centre Pompidou in Frankreich. Dieser Künstler konfrontiert allgemeine Zeitumstände mit seiner eigenen Familiengeschichte. Er kombiniert Informationen des nationalen Gedächtnisses mit Briefen, Gedichten, Fotographien, Musik und Videos aus seinem Privatarchiv. Dabei widmet er sich zwei konkreten Narrativen: Den Schicksalen seiner Vorfahren im Zweiten Weltkrieg und im kommunistischen Regime. Die Ausstellung wird in Zürich in der Galerie Counter Space gezeigt.“

Ausstellung „Fotografen des Krieges 1914-1918“  (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums München)
Eine weitere Ausstellung, die ab Juni wiederum in Wien zu sehen ist, heißt „Fotografen des Krieges“ – damit ist nun der erste Weltkrieg gemeint. Hier ist dem Kurator wohl ein ganz besonderer Fund gelungen?

„Ja. Dank glücklicher Umstände ist der Kurator der Ausstellung Jaroslav Kučera auf hunderte Glas- und Planfilmnegative von Gustav Brož und Jan Myšička gestoßen. In dieser Ausstellung ergänzt er sie mit dutzenden Fotopostkarten von Jenda Rajman. Diese Fotographen des Krieges waren eigentlich Soldaten der k.u.k. Armee. Sie nahmen am Kriegsgeschehen teil und dokumentieren ihren Kriegsalltag mit Hilfe ihrer Fotoapparate. Die Sonderausstellung dieser Fotographien wird im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien gezeigt. Initiiert wurde sie von der Botschaft der Tschechischen Republik in Österreich, das Tschechischen Zentrum Wien unterstützt die Ausstellung.“

Illustrationsfoto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Nach ihrem Schwerpunkt im Bereich der Geschichtswissenschaften wenden wir uns nun der Wissenschaft, genauer gesagt der Chemie zu. Ab Juni zeigen sie eine Ausstellung über einen Mann, der eine äußerst wichtige Erfindung gemacht hat. Wer war dieser Otto Wichterle, was muss man über ihn wissen?

„Dem tschechischen Forscher Otto Wichterle gelang es 1961 mit einer selbstgebauten Apparatur aus dem Kinderchemiebaukasten ‚Merkur‘, einem Plattenspielermotor und einem Fahrraddynamo die erste Kontaktlinse aus Hydro-Gel zu produzieren. Wir haben diesem tschechischen Chemiker eine Ausstellung gewidmet, die in Oberösterreich im Softwarepark Hagenberg gezeigt wird. Die Ausstellung befasst sich in Form von Comics mit seinem Leben, seinem Schaffen und seinen Erfolgen. Dafür bringen wir auch den Prototyp der Kontaktlinsenmaschine nach Österreich und zeigen außerdem einen animierten Kurzfilm von Zuzana Bahulová aus Zlín, der den Wissenschaftler vorstellt.“

Otto Wichterle  (Foto: ČT24)
Die Ausstellung richtet sich also explizit an ein ganz junges Publikum?

„Ja, es geht uns darum dass sich auch Kinder mit diesem wissenschaftlichen Thema beschäftigen. Deshalb machen wir im Juli im Rahmen der Kinderuni Hagenberg einen Workshop. Kinder können dann mit Baukasten und Schrauben der Spielzeugfirma Merkur basteln, und zwar unter dem Motto: Wer schraubt ärgert nicht.“

Alle Termine und Veranstaltungen sowie weiter Details finden sich auf der Website des Tschechischen Zentrums Wien unter http://wien.czechcentres.cz

Autor: Annette Kraus
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