Warnschuss für Regierung, kleine Sympathiewelle für Sozialdemokraten

Senatwahlen 2010 (Foto: ČTK)

Fast ein halbes Jahr nach dem für sie enttäuschenden Ausgang der Wahlen zum Abgeordnetenhaus und der harten Landung auf der Oppositionsbank, sind die tschechischen Sozialdemokraten nach dem vergangenen Wochenende zurück im Spiel.

Senatwahlen 2010  (Foto: ČTK)
Die Senatswahlen in Tschechien sind geschlagen und sie endeten auch für so manchen politischen Beobachter mit einer dicken Überraschung: Die oppositionellen Sozialdemokraten haben die von ihnen erhofften zwölf neuen Sitze erkämpft. Sie haben damit ihr gutes Ergebnis aus der ersten Runde vor einer Woche in einen Sieg umgemünzt und können nun das Geschehen im Senat kontrollieren. Erstmals seit der Entstehung der zweiten Parlamentskammer, werden die Sozialdemokraten diese beherrschen. Der Senat wird in den kommenden beiden Jahren damit höchstwahrscheinlich ein politisches Gegengewicht bilden zu der bürgerlich dominierten ersten Kammer, dem Abgeordnetenhaus. Auch wenn der Senat bei einfachen Gesetzen von der politisch wichtigeren ersten Kammer überstimmt werden kann, ist seine Rolle nicht gering.



Petr Nečas  (Foto: ČTK)
So sind die Senatoren zum Beispiel alleine für die Bestellung der Verfassungsrichter zuständig. Auch bei der Ratifizierung von Völkerrechtsverträgen oder bei der Verabschiedung von Auslandseinsätzen – zum Beispiel von tschechischen Truppen - ist eine Zustimmung des Senats unumgänglich. Und nicht zu vergessen, spielt der Senat eine wichtige Rolle bei der Wahl des Staatspräsidenten.

Schon einmal in der Geschichte des Senats gelang es einer einzigen Partei, 41 von 81 Sitzen zu erreichen und der Kammer politisch den eigenen Stempel aufzudrücken. Dies waren vor vier Jahren die rechtsliberalen Bürgerdemokraten (ODS). Die wichtigste Konsequenz war wohl die fast obstruktionsartige Haltung der Partei zum Lissabon-Vertrag, welche in einer Unterbrechung des Ratifizierungsprozesses und einer Klage gegen das Dokument vor dem Verfassungsgericht gipfelte.

Steht nun Tschechien etwas Ähnliches auch nach dem Sieg der Sozialdemokraten bei den Senatswahlen bevor? Dazu Politikwissenschaftler Zdeněk Zbořil vom Prager Institut für internationale Beziehungen:

“Was die Konsequenzen betrifft, sehe ich das nicht so tragisch wie etwa die Zeitung Lidové noviny einen Tag vor den Wahlen. Sie hatte eine Liste veröffentlicht, was alles die neue linke Mehrheit im Senat blockieren würde. An erster Stelle war die Rede von einem klaren Nein zur Aufstockungrigh des tschechischen Militärkontingents in Afghanistan und an zweiter Stelle von einer Verzögerung der geplanten Reformen. Weder das Eine, noch das Andere halte ich in Wahrheit für so wichtig. Es würde sich höchstens um eine Verzögerung von ein paar Wochen handeln. Wichtiger scheint mir aber eine Botschaft der Wähler, die man als moralische Lektion in Richtung ODS als stärkster Regierungspartei verstehen kann: dass die Unterstützung für die erst ein halbes Jahr zuvor gewählte neue Regierungsmehrheit sinkt.”

Senatwahlen 2010  (Foto: ČTK)
Zdeněk Zbořil sieht also in dem Votum für die Kandidaten der sozialdemokratischen Partei in erster Linie den Ausdruck einer gewissen Abkehr der Wähler von der bürgerlichen Regierungskoalition, deren Parteien noch vor einem halben Jahr so unerwartet stark punkten konnten. Diese Sichtweise, die in den Medien weit verbreitet ist, wird allerdings nicht von allen Experten geteilt. Zu dieser Gruppe gehört zum Beispiel der Politologe Josef Mlejnek jr. von der Prager Karlsuniversität. Auf die Frage, wie stark der sozialdemokratische Triumph vom vergangenen Wochenende tatsächlich ist, wiegt er ab:

„Wenn ich das Ergebnis mit den Senatswahlen vor zwei Jahren vergleiche, dann lässt sich nicht von einem triumphalen Sieg sprechen, weil die Sozialdemokraten damals 23 Senatoren erhielten. Die zwölf zusätzlichen Senatoren vom vergangenen Wochenende stellen daher nicht einmal die Hälfte des Ergebnisses des Jahres 2008 dar. Ich halte auch die Interpretation für fraglich, wonach die Wähler massiv ihren Unmut über die geplanten Reformen der bürgerlichen Regierung geäußert haben – auch das war vor zwei Jahren ganz anders, als die Wähler ihrem Protest gegen die Gesundheitsreform der damaligen Regierung Luft verschafften. Ich würde daher nicht von einer Welle des Unmuts sprechen, sondern - wenn überhaupt - lediglich von einer kleinen Welle, da es sich um nichts wirklich Massives handelte.“

Der Sieg der Sozialdemokraten bei den jüngsten Senatswahlen ist auch deshalb erstaunlich, weil der Senat lange Zeit als politische Bastion der bürgerlichen Parteien galt. Beim gegenwärtigen Wahlmodus, der eine Stichwahl zwischen den beiden erfolgreichsten Bewerbern aus der ersten Runde vorsieht, konnten die bürgerlichen Parteien bisher im Zweifelsfall ihre Kräfte besser bündeln und durch gegenseitige Wahlempfehlungen die sozialdemokratische Konkurrenz ausstechen.

Senatwahlen 2010  (Foto: ČTK)
Zu erwähnen ist aber auch, dass die Anhänger der Sozialdemokraten dem Senat gegenüber traditionell eher negativ eingestellt waren. Das hat sich Jahre lang auch in der geringen Beteiligung ihrer Wähler geäußert. Diesmal aber scheinen sie besser motiviert gewesen zu sein. Dennoch lag insgesamt die Beteilung an der Stichwahl unter 25 Prozent.

Die geringe Teilnahme an der zweiten Runde der Senatswahl ist ein weiteres Argument für diejenigen, die den jüngsten Erfolg der tschechischen Sozialdemokraten nicht überbewerten wollen. So zum Beispiel der Kommentator des Tschechischen Rundfunks, Adam Drda:

Adam Drda
„Aus Wahlen, an denen 25 Prozent der Wähler teilnehmen, die zudem nur in einem Drittel aller Wahlkreise stattfinden, lässt sich nur sehr schwer interpretieren, was die Wähler sagen wollten. Und überhaupt problematisch finde ich den Versuch, daraus eine Legitimation für die sozialdemokratische Politik gegenüber der Regierung zu ziehen und gerade auf das Ergebnis dieser Wahlen zu verweisen.”

Bleibt noch eine Frage offen: Welche Folgen hat der Ausgang der Senatswahlen für die bevorstehende Neubesetzung der Parteispitze bei den tschechischen Sozialdemokraten? Der amtierende Vorsitzende Bohuslav Sobotka, der einer der wichtigsten Bewerber ist, kann den neuesten Erfolg sicherlich für sich verbuchen. Dazu merkt der Politikwissenschaftler Zdeněk Zbořil an:

Bohuslav Sobotka  (Foto: ČTK)
“Die Sozialdemokraten haben eine Taktik des Zuschauens gewählt, die im Gegensatz zur aggressiven Kampagne vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus Früchte zu tragen scheint. Manchmal ist es sogar ganz gut, wenn vor den Wahlen einige Kandidaten lieber schweigen und nur von den Plakatwänden herunterlächeln. Ich gehe aber davon aus, dass das Wahlergebnis auf das Innenleben der Partei keine direkte Auswirkung haben wird. Die Sozialdemokraten waren ja sehr realistisch und haben ursprünglich von acht bis neun Senatoren als Ziel gesprochen. Erst mit der Zeit wurde die magische Zahl zwölf ins Spiel gebracht, was sich als ein geeignetes Instrument zur Mobilisierung der Wähler gezeigt hat.”