Wertvoll und konfliktbeladen - Pavel Dostal in einem Gespräch über die Kunstmäzenin Meda Mladkova

Kunstmäzenin Meda Mladkova (Foto: CTK)
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Prag ist seit dem Spätherbst 2003 um ein bedeutendes Kunstmuseum reicher. Das Kampamuseum am Moldauufer der Prager Kleinen Seite besitzt die wichtigste Privatsammlung moderner Kunst aus ganz Osteuropa. Die Existenz des Museums ist allen voran zwei wichtigen Menschen zu verdanken: Meda Mladkova und Pavel Dostal. Pavel Dostal verstarb am vergangenen Sonntag, den 24. Juli 2005, nach schwerem Krebsleiden mit nur 62 Jahren. Die Redaktion hat für den heutigen Kultursalon ein Interview ausgewählt, das Kristin Schneider im Oktober 2003 mit dem Kulturminister führte. Die Autorin arbeitete damals an einem Radiofeature über die Kunstmäzenin Meda Mladkova. Durch sein tatkräftiges Engagement hat Pavel Dostal Künstlern und Kulturschaffenden zu internationalem Ansehen verholfen. Er bleibt seinem Land unvergessen.

Kunstmäzenin Meda Mladkova  (Foto: CTK)
Die heute 85-jährige passionierte Kunstmäzenin Meda Mladkova kehrte nach über 40 Jahren, die sie im Exil in den USA verbracht hatte, mit einer großzügigen Geste in die tschechische Kulturlandschaft zurück. Sie schenkte ihre gesamte Sammlung mit über 1000 Werken moderner Kunst aus Tschechien, Polen, Ungarn und Ex-Jugoslawien der Stadt Prag. Anders als erwartet löste sie damit eine heftige Diskussion über die Bestimmung eines Museumsstandortes für die Sammlung aus. Damals beschloss der Kulturminister Pavel Dostal, sich persönlich in die Debatte einzuschalten, jedoch weniger als Minister, um so mehr aber als Zivilperson aus Leidenschaft für das künftige Kampamuseum in Prag. Ich fragte Pavel Dostal, wie er Meda Mladkova in ihrer Person beschreiben würde.

"Sie verkörpert für mich jenen Typus von Menschen, der konfliktbeladen ist, und gerade weil sie so konfliktbeladen ist, ist sie so wertvoll und kann so unglaubliche Dinge erreichen. Sie ist zielbewusst, sie ist sehr arbeitssüchtig und fleißig, sie ist sehr stur und dickköpfig mit einer wunderbaren Herkunft, sie ist ein bisschen wie ein Hund, der eine Spur riecht und ihr nachspürt, bis er zum Ziel kommt. Und sie ist natürlich, durch alle diese Eigenschaften, für viele Menschen unangenehm geworden."

Ganze zehn Jahre lang hatte Meda Mladkova, die US-Bürgerin tschechischer Herkunft, dafür gekämpft, in der ehemaligen städtischen Sova-Mühle aus dem 14. Jahrhundert ihre Sammlung zeigen zu können. Schließlich durfte die Kollektion, die sie der Stadt Prag schenkte, auf der Moldauinsel Kampa ihr Zuhause finden. Warum gab es so viele Verzögerungen?

"Die ganze Angelegenheit wurde dadurch erschwert, dass Frau Mladkova ein ganz besonderes Gebäude für ihre Sammlung und ihr späteres Museum haben wollte. Das hat viel Zeit gekostet. Als wir dann das geeignete Gebäude gefunden haben, musste es sehr aufwendig restauriert und umgebaut werden. Das Museumsgebäude gehört zu unseren nationalen Kulturdenkmälern und wir haben in Bezug darauf sehr strenge Gesetze."

Doch Meda Mladek wollte ihre Sammlung nicht in ein in die Jahre gekommenes, historisches Gebäude stecken. Sie nahm sich vor, den Turm mit einem Glaswürfel zu überdachen, das Erdgeschoss um ein Stockwerk zu erhöhen und eine gläserne Brücke zu errichten, die zwei Gebäudeteile miteinander verbindet. Mit diesen Ideen, erntete sie heftige Proteste tschechischer Denkmalschützer, die den Umbau der Mühlen in ein Museum aus Glas und Stahl schlichtweg verhindern wollten. Das Bauvorhaben kam als Streitfall auf den Schreibtisch des Ministers. Wie hat er damals reagiert?

Sova-Mühle
"Keiner wollte den architektonischen Eingriff in das historische Gebäude zulassen und vor allem die Denkmalschutzbehörde hat gegen diesen Eingriff protestiert. Ich habe mich damals mit einigen Künstlern und bedeutenden Theoretikern beraten, um Argumente für das Museum zu sammeln. Im Prinzip habe ich meinen Posten als Minister genutzt, um dem Protest nicht stattzugeben und um den Bau zu befürworten. Es stimmt, dass bis dahin kein Minister eine derartige Entscheidung getroffen hat und ich habe damit auch meine Karriere aufs Spiel gesetzt. Sowohl die Sammlung, als auch das Lebenswerk von Frau Mladkova haben es verdient, so ein Museum zu bekommen."

Aus der Schlacht voll von Zweifeln, Missgunst und Uneinigkeiten ging die Kunstmäzenin dank der Unterstützung des Ministers als Siegerin hervor. Wie ausdauernd und hartnäckig muss man sein, um in Tschechien etwas Neues voranbringen zu können, wie Meda Mladkova es mit Ihrem Kampamuseum geschafft hat?

Kampamuseum
"Ein vernünftiger Mensch könnte die Dinge und die Welt nicht nach vorne bewegen, ein vernünftiger Mensch, wenn er vor den Sova-Mühlen gestanden hätte, hätte gesagt: Mein Gott das kann ich nie in Ordnung bringen, ich kann das Geld niemals dafür auftreiben. Nur ein Narr würde sich vor diesen Trümmerhaufen stellen und sagen: In fünf Jahren wird hier ein wunderschönes Museum stehen und ich werde das dafür Geld finden. Nur ein Narr kann sich gegen alles stellen, wie sie es getan hat. Und nur ein Narr kann im ewigen Streit mit den Denkmalschützern liegen und sagen: Ich werde den Widerstand der Denkmalschützer brechen. Mit anderen Worten, Meda Mladkova ist für mich eine gelungene Synthese, in der die guten Eigenschaften eines Menschen über die schlechten überwiegen."

Auf drei Geschossebenen zeigt Meda Mladkova heute Kunst aus Zeiten des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei, Ungarn, Polen und Jugoslawien, geschaffen im Untergrund, im Widerstand, trotz Verbot und Verfolgung. Den Kern der Ausstellung bilden über 200 Werke von zwei tschechischen Klassikern der Moderne: des Malers Frantisek Kupka und des kubistischen Bildhauers Otto Gutfreund. Welche Bedeutung haben Kupka und Gutfreund für das kulturelle Erbe Tschechiens?

"Frau Mladkova hat durch die Sammlung der Objekte von Kupka und Gutfreund die Sammlung der modernen Kunst der Nationalgalerie ergänzt. Es ist jedoch das wichtigste, dass die Exilanten mittels ihrer Werke nach Hause zurückkehren. Das bedeutet, dass das Kulturerbe dahin zurückkehrt, wo es herkommt, nämlich nach Hause."

Kampamuseum
Am Anfang unseres Gesprächs hatte der Minister Frau Mladkova mit großer sprachlicher Kraft mit einem Hund verglichen, der eine Spur aufspürt, um ans Ziel zukommen. Das klingt puristisch gut und vor allem klingt es ungeschönt. Am Ende unseres Interviews hatte er noch eine Metapher in petto, um Frau Mladkova zu charakterisieren.

"Ich denke, wäre Frau Mladkova ein General, würde sie jeden Krieg gewinnen. Sie hat einfach eine unglaubliche Kraft, eine unglaubliche Stärke. Ich habe sie kennen gelernt, zu Beginn der 90er Jahre, als ich noch Journalist war und gar nicht geahnt habe, dass ich Kulturminister werde. Falls ich ihr geholfen habe, ist es, weil ich sie schätze und weil ich sehe, wie qualifiziert sie ist. Und jetzt möchte ich im Tschechischen ein Wort benutzen, aber ich weiß nicht, wie es im Deutschen klingt: Sie ist wirklich eine große Patriotin."