Wie die Steinzeitmenschen lebten: Neolithische Siedlung in Mittelböhmen entdeckt
Hier siedelten sich die ersten Bauern in Mittelböhmen an: In der Gemeinde Dobřeň haben tschechische Archäologen eine bisher unbekannte Siedlung aus der Jungsteinzeit entdeckt.
Vor mehr als 7000 Jahren wurden Bauern aus Südosteuropa auch in Mittelböhmen heimisch. Eine neu entdeckte Siedlung ihrer Kultur ist nun der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Archäologen der tschechischen Akademie der Wissenschaften haben sie erforscht. Und sie fanden zahlreiche Gegenstände aus dem Neolithikum. Für den Laien sind sie nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen…
„Anhand der Form und des Schliffs lässt sich bestimmen, wozu dieser Stein gedient hat. Es handelt sich um eine geschliffene Steinaxt. Interessant ist aber auch die Analyse des Materials. Dieses stammt nämlich aus über 100 Kilometer Entfernung vom Fundort in Mittelböhmen“, erläutert Daniel Pilař, der an den Ausgrabungen beteiligt war.
Deutlich größer ist ein weiterer Stein, den die Forscher sicherstellen konnten. Auch er ist für sie wie ein offenes Buch, aus dem sich über das Leben der Steinzeitmenschen lesen lässt.
„Es ist ein Teil einer steinzeitlichen Mühle. Mit solchen Steinen wurde Getreide gemahlen, aber auch weitere Früchte zerkleinert“, so Pilař.
Das Besondere an der Siedlung ist, dass später an ihrer Stelle kein Dorf und keine Stadt entstanden sind. Deswegen sei sie perfekt erhalten, sagen die Archäologen. Dazu gehören auch die Grundrisse von vier sogenannten Langhäusern. Diese waren sechs Meter breit und bis zu 40 Meter lang. Sie boten Unterkunft für jeweils 20 bis 40 Menschen. Kontrovers diskutiert wird unter den Wissenschaftlern ganz allgemein, ob die Häuser aus der Zeit vielleicht schon Stockwerke hatten. Direkt beweisen oder widerlegen lässt sich das nicht, weil die Gebäude aus Holz waren und von den Aufbauten nichts mehr existiert.
Dafür sind weitere Dinge aussagekräftiger: so etwa Geschirr von damals – oder zumindest die Reste davon. Aus den Scherben ließe sich das jeweilige Behältnis rekonstruieren, beteuert Daniel Pilař:
„Durch die Krümmung und die Randstücke können wir sagen, wie groß das jeweilige Geschirr war. Und heutzutage lässt sich mit der Analyse von Lipiden auch bestimmen, wozu es diente. Ob es also zum Kochen benutzt wurde oder zur Lagerung von Lebensmitteln. Bei den offenen Schüsseln gehen wir davon aus, dass sie zum Servieren dienten.“
Schüsseln, die zerbrochen waren oder anderweitig ausgedient hatten, und unbrauchbares Werkzeug entsorgten die Menschen der Steinzeit nahe ihrer Häuser. Diese Art Mülldeponien sind laut Jaroslav Řídký von der Akademie der Wissenschaften die reinste Fundgrube für die Archäologen. Denn daraus ließen sich viele Informationen über das Leben der damaligen Zeit gewinnen, sagt er:
„Wir wissen, dass die Menschen steinerne Werkzeuge benutzten, um zum Beispiel Bäume zu fällen und Holz zu bearbeiten, aber wohl auch, um Fleisch zu portionieren. Mit Sicherheit haben sie einen Teil ihrer Nahrung aus eigenem Anbau bezogen. Zudem haben sie Tiere gehalten wie Rinder, Kühe, Schafe, Ziegen und Schweine. Aber sie sind ebenso auf Jagd gegangen. Mit Sicherheit mussten sie sich um ihre Gärten kümmern – dies ist der treffendere Begriff als Äcker.“
Die Archäologen haben ihre Ausgrabungen in Dobřeň bereits beendet. Mehrere Hundert Zeichnungen entstanden dabei und mehrere Zehntausend Fotos wurden gemacht. Alles soll in den kommenden Monaten und Jahren noch weiter ausgewertet werden.
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