Wie Tschechien auf den Hund kam
Tschechien, ein Land der Hunde. In 40 Prozent der Haushalte leben ein oder mehrere Exemplare, sagen Statistiken. Im internationalen Vergleich ist das einer der vordersten Ränge. Die Vorliebe für die Vierbeiner hierzulande geht zurück bis auf Kaiser Karl IV. im 14. Jahrhundert. Außerdem sind die Tiere prominent in der Literatur vertreten: Schon Schwejk war schließlich Hundehändler.
„Wir können bis in die Zeit von Karl IV. zurückgehen: Damals gab es bereits eine große Tradition der Jagd und auch der Zucht von Jagdhunden. Das sind eigentlich die Ursprünge. Später gehörten die böhmischen Länder zu den größten Jagdrevieren in Österreich-Ungarn. Darum gibt es eine starke Tradition der Kynologie. Es gehörte zu den Hobbys der damaligen Adeligen – also nicht nur die Jagd, sondern auch die Zucht und Ausbildung dieser Hunde.“
Die böhmischen Länder waren also das Jagdrevier von Österreich-Ungarn. Mit der Jagd wurden auch die Hunde in die tschechische Nationalbewegung integriert. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entstanden Jagdvereinigungen und Kynologische Klubs, die sich wiederum der Aufzucht von Jagdhunden widmeten.„Während der ersten Republik wurde der Hund schließlich zu einem Statussymbol. Zuvor war es eine Angelegenheit des Adels. Nur höhere Schichten konnten sich einen Hund leisten, posierten mit ihnen auch auf Gemälden. Nach ihrem Vorbild und auf ganz ähnliche Weise setzte sich das schließlich in der Gesamtgesellschaft fort. In der ersten Republik gehörte es zum guten Ton, einen Hund zu haben.“
Von Dašenka bis Maxipes Fík
Der Hund als der Tschechen Lieblingstier hatte sich etabliert. Das schlug und schlägt sich in der Literatur nieder. Tereza Vondravcová:
„In der Literatur waren es die Gebrüder Čapek mit ihren Büchern ‚Dašenka‘ oder ‚Das Hündchen und das Kätzchen‘. Auch Jaroslav Hašek war ein großer Hundeliebhaber. Schwejk hat ja auch mit Hunden gehandelt. Hunde tauchen in der Literatur einfach immer wieder auf. Zum Beispiel auch in Märchen und neueren Kindergeschichten wie ‚Káťa a Škubánek‘ oder ‚Maxipes Fík‘. Das ist einfach ein sehr präsentes Thema.“
Also auch Schwejk. „Ich hab am liebsten Hunde, weil das für einen, der sie verkaufen kann, ein einträgliches Geschäft is“, erklärt der brave Soldat seinem Oberleutnant Lukasch. Und Hunde blieben in einstigen böhmischen Ländern eine Konstante über Zeiten und Regime hinweg, sagt Tereza Vandrovcová:
„Nach dem Zweiten Weltkrieg, besonders während des Kommunismus, kann man diese Vorliebe für Hunde wiederum damit erklären, dass die Menschen nicht reisen konnten. Es entwickelte sich das Phänomen der ‚chalupy‘, der Wochenendhäuser auf dem Lande, und dazu gehörte auch der Hund. In der Zeit der ‚Normalisierung‘ konzentrierten sich die Menschen eher auf sich selbst, auf die Familien. Es gab sonst nicht so viel, dem man sich zuwenden konnte. Und der Hund war einfach ein Mittel zur Unterhaltung. Auch der Trend zu großen Hundeausstellungen stammt aus dieser Zeit.“Seelentröster der Gesellschaft
Und welche Rolle übernimmt der Hund in der heutigen tschechischen Gesellschaft? Allein wenn man sich das Angebot an Hundespielzeug ansieht, wird deutlich, dass er vermutlich vom Wirtschaftsaufschwung profitiert hat. Zeitungen veröffentlichen regelmäßig Sonderhefte samt Kochrezepten für den Hund. Vladimíra Tichá ist Pressesprecherin bei der Böhmisch-Mährischen Kynologischen Union (ČMKU) – dem Verband für Hundezüchter.„Interessant ist vor allem, dass bei uns überhaupt so viele Hunde gehalten werden. Das liegt wohl an der Zeit, in der wir leben. Der Hund spielt in der menschlichen Gesellschaft eine unermesslich wichtige soziale Rolle, zum Beispiel für ältere Menschen, für Kranke oder auch für Familien mit Kindern. Der Hund ist in der heutigen Gesellschaft überaus wichtig.“
In Tschechien gebe es die meisten Hunde pro Kopf der Bevölkerung in Europa, hieß es vor ein paar Jahren in den Medien. In Prag sollen es 80.000 sein, fürs gesamte Land schwanken die Zahlen von einer bis zwei Millionen. Die größte Konkurrenz kommt aus Belgien, im weltweiten Vergleich sind auch Japan, die USA und südamerikanische Länder vorne mit dabei. Vladimíra Tichá führt die Statistiken beim Hundzuchtverband:„Bei den Hunden mit Stammbaum stehen wir etwa an vierter Stelle bei den nördlichen Staaten. Hinter uns liegen zum Beispiel Deutschland, Österreich oder Polen.Wir sind also schon eine kynologische Großmacht. In Zahlen ausgedrückt: Jährlich tragen wir die Geburt von etwa 40.000 Welpen in unsere Zuchtbücher ein.“
Tschechische Hundehalter zahlen eine relativ niedrige Hundesteuer, dennoch rechnet man mit einer hohen Dunkelziffer von nicht gemeldeten Tieren.Das Problem mit der „reinrassigen Bestie“
Die Hundegroßmacht Tschechien verfügt auch über eigene Rassen, vermeldet Vladimíra Tichá mit Stolz:
„Vom internationalen Verband der Hundezüchter anerkannt ist zum Beispiel der tschechische Terrier oder auch der älteste tschechische Jagdhund, der Böhmisch Raubart. Dann haben wir Rassen in der Entstehung, die aber zum Teil dennoch schon eine lange Geschichte haben, zum Beispiel der Prager Rattler oder der Chodenhund. Er hängt eng mit der Geschichte des tschechischen Staates und dem Chodenland zusammen, wo die Choden unserer Grenzen bewacht haben. Außerdem gibt es den tschechischen gescheckten Hund. Diese Rasse hat auch eine interessante Geschichte, denn sie wurde ursprünglich als Laborhund gezüchtet. Laborhunde sind inzwischen verboten, trotzdem wird dieser Hund wegen seines ganz außergewöhnlichen Wesens weiter gehalten. Das sind unsere großartigen nationalen Rassen, und dann gibt es auch noch den tschechischen Berghund, der auch in bergigen Gebieten gut zu Recht kommt.“
Die Tatsache, dass viele Hundehalter gerne ein edles Rassetier zu Hause hätten, ist heute eines der größten Probleme. Gerade wird in Tschechien über ein Gesetz gegen sogenannte Vermehrer verhandelt. Sie züchten angebliche Rassehunde im großen Stil und unter nicht artgerechten Bedingungen, und verkaufen sie dann billig ohne Herkunftsnachweis. Was wohl der brave Soldat Schwejk dazu sagen würde? Zum Abschluss kommt er nochmals zu Wort:„Hunde, die von sich sagen können: ‚Ich bin eine reinrassige Bestie‘, gibts wirklich wenig. Entweder hat sich die Mutter mit einem Scheusal vergessen oder seine Großmutter, oder hat er mehrere Väter gehabt und von jedem was geerbt. Von einem die Ohren, von einem den Schwanz, von einem andern die Haare am Maul und vom fünften die Gestalt, und wenn er zwölf Väter gehabt hat, so können Sie sich denken, Herr Oberlajtnant, wie so ein Hund ausschaut. Meiner Meinung nach, Herr Oberlajtnant, is ein Stallpinscher ein sehr lieber Hund. Jedem, das is wahr, gefällt er nicht, weil er Borsten hat und so einen harten Bart am Maul, dass er wie ein entlassener Sträfling aussieht. Er is so häßlich, daß er schon wieder schön is und dabei sehr klug. Wie solls so ein blöder Bernhardiner mit ihm aufnehmen? Er is noch gescheiter wie ein Foxterrier.“