Winfried Toll: Aus der tschechischen Musik strömt Kraft aus

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Vorige Woche wurde in Prag das internationale Festival der Sakralmusik eröffnet, das den Namen des böhmischen Landespatrons, des heiligen Wenzel, trägt. Eines der Konzerte, bei dem das Prager Publikum Kompositionen hören konnte, die in Tschechien kaum aufgeführt werden, fand am vergangenen Sonntag in der Protestantischen Salvatorkirche statt. Das mit mehreren Preisen ausgezeichnete Kammerensemble Camerata vocale Freiburg begeisterte die Prager Musikfreunde mit Werken der deutschen Romantik. Martina Schneibergova fragte den Dirigenten Winfried Toll nach der Stellung dieser Musik im Chorrepertoire:

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"Ich denke, dass das größte Repertoire neben dem Barockrepertoire, das der Romantik ist. Und gerade in der deutschen Kirchenmusik, wenn ich an Mendelssohn-Bartholdy und an Brahms denke, sind das ganz zentrale Werke der Chorliteratur überhaupt. Sie sind in der Chorszene auch beliebt, und jeder Chor lässt sich daran messen. Wenn er Brahms aufführt, dann ist das schon eine Messlatte. Das gehört also zum Wichtigsten im Repertoire bei uns und dadurch ist es auch sehr bekannt."

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Sie haben selbst unter anderem Theologie studiert. In wie weit ist es Ihrer Meinung nach wichtig, etwas von der Theologie zu wissen oder ein Gefühl für das Religiöse zu haben, wenn man Sakralmusik interpretieren will?

"Ich denke, dass man nicht irgendwie theologisch vorgebildet sein muss. Es ist ja Musik, und die Musik spricht eine Sprache, die hinter dem Begrifflichen steht. Das Gefühl für die Form, für das Verstehen von Form ist genauso eine Möglichkeit, in die Musik einzudringen, weil es handelt ja von ganz existenziellen Fragen wie Tod und Leben, Erfüllung des Lebens oder Ende des Lebens, und ich glaube, dass jeder sensible Hörer es auch für sich erfahren kann."

Über seine Beziehung zur tschechischen Musik sagte Winfried Toll:

"Als ich noch Sänger war, habe ich selbst Janacek gesungen, selbst auch Klavier gespielt. Mit meinem Ensemble haben wir zum Beispiel die Kinderreime von Janacek gemacht. Wir machten die geistlichen Stücke - die Messe, wir haben die Elegie für Tenor, die gemischten Chöre gemacht. Es ist eine ganz reizvolle Musik. Letztes Jahr wurde Dvoraks Jubiläum begangen, wir haben Dvoraks Stabat Mater aufgeführt. Das habe ich mit meinem Frankfurter Chor vorbereitet. Die tschechische Musik ist für mich diese Wärme, diese Kraft, die aus dieser Musik ausströmt, die aus der Volksmusik, aus dem Sentiment kommt. Die ist ganz groß. Brahms hat ja auch selbst gesagt, er würde wer weiß was dafür geben, dass ihm so ein Melodienreichtum einfällt wie Dvorak."t