Wo Fußball die Völker verbindet - Partisan Prague

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Fußballvereine gibt es jede Menge in Prag. Doch nur in wenigen spielen Ausländer. Eine Handvoll Vereine will aber genau das: Menschen aus anderen Ländern ansprechen. Sie haben meist englische Namen und heißen IFC oder Dynamo Zizkov. Es sind reine Freizeitklubs. Der vielleicht internationalste von ihnen ist Partisan Prague - er ist mittlerweile sogar mehr als ein Zusammenschluss von Fußballbegeisterten aus aller Herren Länder von Chile bis Weißrussland.

Es ist Halbzeit. Kapitän Chris Johnson ist unzufrieden über den Spielstand und die Einstellung seiner Mitspieler. 1:1 ist zu wenig. Sergej aus Weißrussland soll ins Tor gehen, Anders aus Schweden in den Sturm. An diesem Morgen im November wird gegen die eigenen Leute gespielt, denn die letzte Begegnung im Jahr ist bei Partisan Prague traditionell das Spiel der Klubmitglieder gegen die Klubmitglieder. Anschließend folgt am Abend wie in jedem anständigen Verein die Weihnachtsfeier mit über 70 Leuten, alle Frauen und Freundinnen eingerechnet. Aber den Misserfolg seiner Auswahl am Morgen kann Chris Johnson nicht abhalten: Nach 90 Minuten steht es 1:3 für sein Team.

Auch Außenstürmer Christoph Reichmuth ist kein weiteres Tor gelungen, obwohl er sich gerne mit einem Treffer von Partisan verabschiedet hätte. Er kehrt zu Weihnachten zurück in die Schweiz, nach Luzern. Seine rund einjährige Hospitanz bei einer kleinen deutschsprachigen Wochenzeitung in Prag geht zu Ende. Für ihn, der sich als fußballverrückt bezeichnet, war der Verein eine gute Anlaufstelle. Ein tschechischer Klub wäre hingegen für ihn keine Alternative gewesen, und zwar:

"Weil ich die Sprache nicht kann. Ich bin hierher gekommen und wusste, ich will Fußball spielen und habe mich auch ein bisschen darüber informiert, wo ich hingehen kann. Dann hat mir ein Kumpel, der auch Ausländer hier in Prag ist, gesagt: Komm doch mal mit. So hat sich das per Zufall ergeben. Es ist aber eigentlich auch besser - der Sprache wegen. Die internationale Sprache hier ist Englisch, und alle können es mehr oder weniger. In einem tschechischen Klub mit meinen Tschechischkenntnissen - das wäre schwierig geworden."

Und in dieser Situation ist Christoph Reichmuth in Prag nicht der einzige. Bei Partisan traf er Gleichgesinnte mit denselben Schwierigkeiten als zeitweilige Gäste der tschechischen Hauptstadt.

"Es sind im Prinzip alles Leute, die auch fremd sind in der Stadt, die hier arbeiten oder studieren", sagt er. "Daher ist es gut, dass einerseits der Sport Spaßmacht und man andererseits so Leute kennen lernt. Es verbindet, dass alle irgendwie in einer ähnlichen Situation sind."

Partisan Prague ist um das Jahr 2000 als so genannter Klub von Expats entstanden. Expats ist die Abkürzung von Expatriots, wie auf Englisch diejenigen genannt werden, die außerhalb ihrer Heimat leben. Der Ire Gerard Keaty, der einer von drei Gründungsmitgliedern ist, erzählt, warum es dazu kam:

"Mein Gedanke war, dass eine Menge Leute für ein oder zwei Jahre nach Prag kommen oder hier heiraten und länger bleiben, aber nicht so gut Tschechisch sprechen und kaum einen tschechischen Verein finden, in den sie passen. Das Niveau im tschechischen Fußball ist zudem sehr hoch und die Vereine sind sehr mit der jeweiligen örtlichen Gemeinde verbunden. Deswegen ist es für Ausländer schwer, in einem Sportverein aufgenommen zu werden."

Gerard Keaty, der seit über zehn Jahren in Prag lebt, in einer Marktforschungsfirma arbeitet und hier verheiratet ist, begann mit seinen Vereinskollegen nach weiteren Mitspielern zu suchen mit Aushängen beim British Council sowie Annoncen auf mehreren Web-Seiten mit Veranstaltungskalendern für Prag. Ohne dass es geplant war, meldeten sich aber längst nicht nur englische Muttersprachler, sondern genauso Leute aus Chile, Italien oder wie Torwart Anton Polishchuk aus der Ukraine. Heute ist das Team eine richtige Multi-Kulti-Truppe, so dass selbst das berühmte und als besonders international bekannte Arsenal London dagegen wie ein englischer Verein wirkt. Tatsächlich trat Partisan im März dieses Jahres zu einem Spiel mit einer Elf aus elf Nationen an.

Nur eines hat bisher noch nicht so hervorragend geklappt: auch tschechische Spieler für einen so internationalen Klub zu gewinnen. Immer mal wieder sei ein Tscheche dabei, aber nie dauerhaft. Gerard Keaty führt das zum Teil darauf zurück, dass sie in ihr Umfeld aus Familie, Wochenendhaus und genügend Freunden eingebettet sind. Und so wird der Kontakt zu den Landesbewohnern eben bei Spielen gegen tschechische Teams aufgefangen, so unter anderem im Rahmen von gelegentlichen Wochenendfahrten aufs Land.

"Das ist immer ein großer Spaß", sagt Gerard Keaty, "weil die Dorfmannschaften sehr gastfreundlich sind und uns mit großem Respekt behandeln. Nach den Spielen gibt es meistens eine Party, und wir werden mit hausgemachtem Slivovice und Würsten bewirtet. Das wird dann immer eine lange Nacht, bei der man eine Menge erlebt."

Seit einiger Zeit ist Partisan Prague über das reine Dasein eines Fußballklubs hinausgewachsen. Bei und am Rand der zwei Trainingsabende in der Woche und den Spielen am Wochenende werden beispielsweise auch berufliche Kontakte geknüpft. Stürmer Sergej Zhmako aus Weißrussland etwa suchte nach seinem Studium diesen Herbst eine Arbeit und kam vorläufig im Callcenter einer seiner Mitspieler unter. Ein weiteres Partisan-Mitglied betreibt einen Umzugsdienst und kann sich allein durch die Fußballkontakte über einen Mangel an Aufträgen nicht beklagen. Beispiele gibt es noch weitere.

Dass bereits ein feines soziales Netz gewoben ist, zeigte sich aber gerade, als einer der Mitspieler, der Schotte Martin Shields, sehr schwer erkrankte. Mitte August war er bei einer Kanufahrt in Südböhmen gewesen und hatte sich danach unwohl gefühlt. Nur wenige Tage später begann er ein Kribbeln in den Beinen zu spüren. Innerhalb von 24 Stunden konnte er nicht mehr gehen, wurde in ein Prager Krankenhaus gebracht. Er bekam Atemprobleme, kollabierte und wurde von den Ärzten ins künstliche Koma versetzt. Man diagnostizierte das Guillain-Barre-Syndrom bei ihm, eine seltene Krankheit, deren Ursachen wenig erforscht sind und bei der das Immunsystem die Nerven angreift. In Deutschland wurde über dieses Leiden berichtet, weil es der deutsche Ex-Nationalspieler Markus Babbel gegen Ende seiner Karriere bekam und eine Zeit lang mit Lähmungen in den Beinen kämpfte.

Martin Shields mit Mutter im Krankenhaus
Der Verlauf bei Martin Shields war allerdings schwerer. Mehrere Wochen war er komplett gelähmt, wurde künstlich ernährt und beatmet. Familie Shields ist seitdem im Dauereinsatz. Um sie finanziell zu unterstützen, begannen einige Partisan-Spieler Sammelaktionen zu starten. Erst taten sie dies bei der Teilnahme am Prag-Lauf Anfang September. Im Oktober organisierte Partisan dann einen Benefizabend in einer großen Sportbar nahe des Wenzelsplatzes, bei dem rund 60.000 Kronen (etwa 2100 Euro) zusammenkamen. Auch bei der Weihnachtsfeier am letzten Novemberwochenende wurde noch einmal gesammelt.

Martins Bruder Andrew Shields, der seit August in regelmäßigen Abständen in Prag ist und sich dabei mit seiner Mutter ablöst, ist froh über diese Hilfe:

"Das Team von Partisan war hervorragend. Auch all die Besuche, die er bekommt - das macht ihn glücklich und es macht die Familie glücklich."

Noch mehr freut ihn aber, dass sein Bruder seit kurzem große Fortschritte in der Genesung gemacht hat. Immer noch ans Bett gefesselt, würde Martin langsam wieder Gefühl in Arme und Hände bekommen. Er könne auch wieder reden, sagt Andrew. Dabei hatte es Anfang November noch so ausgesehen, als ob der Rücktransport nach Glasgow, den sich die Familie sehnlich wünscht, nur mit großem Aufwand und Kosten in der Höhe von 22.000 britischen Pfund möglich gewesen wäre. Unter den jetzigen Umständen wäre nur noch ein gechartertes Spezialflugzeug zum halben Preis nötig. Und wenn Martin noch etwas an Kräften zulegt, könnte sogar ein Krankenwagen reichen. In jedem Fall hofft Andrew, dass sein Bruder schon bald wieder zurück in Schottland ist:

"Wir hätten ihn gern an Weihnachten zu Hause."