Zeitgenössische Musik, Prosa und Film

Markéta Pilátová (Foto: Archiv des Instituts Cervantes)

Bereits in der zweiten Januarwoche geht es im Tschechischen Zentrum in Berlin wieder los. Und zwar mit ernster Musik von heute. Was sonst noch zu Jahresbeginn auf dem Programm steht, das erläutert die stellvertretende Leiterin des Zentrums, Christina Frankenberg, im Interview.

Solaris 3  (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums Berlin)
Frau Frankenberg, ins neue Jahr starten Sie mit einer neuen Serie. Die dreht sich um moderne Klassik. „So klingt die Gegenwart“ heißt diese Reihe, die jetzt am Mittwoch bereits startet…

„In dieser neuen Reihe wollen wir mehrere Ensembles aus der Tschechischen Republik vorstellen, die sich zeitgenössischer ernster Musik widmen. Denn Böhmen und Mähren sind eigentlich bekannt als Regionen großer Komponisten wie Smetana und Dvořák beziehungsweise Janáček und Martinů. Aber im heutigen Tschechien tut sich auch sehr viel in der zeitgenössischen ernsten Musik. Und genau darauf wollen wir bei den nächsten Konzerten bis zum Sommer einen Schwerpunkt legen. Dabei haben wir gleich am 9. Januar ein junges Trio zu Gast: Solaris 3 mit Martin Levecký am Klavier, Anna Veverková an der Violine sowie Štěpán Filípek am Violoncello. Auf dem Programm stehen Kompositionen von jungen tschechischen Komponisten wie František Chaloupka, Lukáš Sommer und Jakub Rataj. Dazu kommt aber noch das Klaviertrio Nr. 2 von Dmitri Schostakowitsch.“

Miroslav Srnka  (Foto: Vojtěch Havlík,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Können Sie auch schon etwas sagen zu den weiteren Konzerten der Reihe?

„Diese Kombination aus zeitgenössischen Komponisten und Klassikern greifen wir auch beim nächsten Konzert am 13. Februar auf. Da erklingen dann Stücke von Miroslav Srnka und Jan Klusák, die beide nicht ganz unbekannt sind, und eine Komposition von Joseph Haydn. Aufgeführt wird alles vom Fama Quartet. Die Reihe „So klingt die Gegenwart‘ wird erst einmal bis zum Sommer weitergeführt, vielleicht auch bis Ende des Jahres. Sie ist ein gemeinsames Projekt des Tschechischen Zentrums und der Tschechischen Botschaft in Berlin.“

2018 war in Tschechien von vielen Jahrestagen geprägt. 2019 geht das zwar nicht in derselben Folge weiter, aber gerade im Januar wird an ein wichtiges Ereignis erinnert: an die Selbstverbrennung von Jan Palach vor 50 Jahren. Was plant das Tschechische Zentrum dazu?

Unsere Gäste werden auch erörtern, welche Bedeutung Palachs Selbstverbrennung heute noch hat.“

„Wir planen am 23. Januar um 18 Uhr eine Diskussion und eine Filmvorführung, in der wir an Jan Palach erinnern wollen. Dies findet zusammen mit der Tschechischen Botschaft und der Deutschen Gesellschaft statt. Zu der Diskussion haben wir deutsche und tschechische Historiker eingeladen, die nicht nur über Jan Palach sprechen werden, sondern den Faden aufnehmen und bis in die Gegenwart schauen. Die Veranstaltung heißt dann auch ‚Jan Palach 1969 – 1989 – 2019‘. In der Diskussion wird zum einen erinnert an die Selbstverbrennung von Jan Palach, mit der er ja gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 protestieren und seine Mitbürger aufrütteln wollte. Im Januar 1989 gab es in Prag dann die ‚Palach-Woche‘. Damals erinnerten junge Studierende zum 20. Jubiläum an die Tat und sahen sich einem massiven Polizeiaufgebot gegenüber. Dies läutete das politische Wendejahr in der damaligen Tschechoslowakei ein. Und unsere Gäste werden auch erörtern, welche Bedeutung Palachs Selbstverbrennung heute noch hat. Nach der Diskussion führen wir den Film ‚Burning Bush‘ von Agnieszka Holland vor. Die bekannte Regisseurin hat in den 1960er Jahren an der Prager Filmhochschule Famu studiert und dort auch den Prager Frühling und seine Niederschlagung erlebt. Ihr zweistündiger Film, den wir in der deutschen Fassung zeigen, beruht auf einem zuvor gedrehten, sehr authentischen Dreiteiler.“

Markéta Pilátová  (Foto: Archiv des Instituts Cervantes)
Wir haben es schon mehrfach in den vergangenen Monaten bei uns in den Sendungen gesagt: Tschechien ist im März Gastland bei der Leipziger Buchmesse. In Berlin starten Sie dazu eine Literaturreihe. Was steht dabei auf dem Programm?

„Wir haben ja schon im Herbst mit der Reihe ‚Tschechien erlesen‘ begonnen. Und in dieser werden wir ab Januar auch eine spezielle Edition des tschechischen Verlages Větrné mlýny und des österreichischen Wieser-Verlages vorstellen. Die Edition heißt ‚Tschechische Auslese‘, Dazu hat der Verlag aus Brünn bekannte Autoren des Landes ausgewählt, die Prosawerke kleinerer Form geschrieben haben. Es sind insgesamt zehn Texte, die jetzt in deutscher Übersetzung erscheinen. Wir werden am 30. Januar Markéta Pilátová bei uns zu Gast haben. Sie stellt ihre Novelle ‚Der Held von Madrid‘ vor, die auch in der Edition erschienen ist. Pilátová ist in Tschechien bereits eine recht bekannte Prosaautorin, die aber auch für Kinder schreibt und zudem als Journalistin sowie als Tschechischlektorin in Lateinamerika gearbeitet hat. In ihren Prosawerken spannt sie häufig Brücken zwischen Tschechien und spanischsprachigen Ländern.“

Worum geht es in der Novelle, die Markéta Pilátová bei Ihnen in Berlin vorstellen wird?

„Um den Spanischen Bürgerkrieg. In dem hat der inzwischen ältere Herr František als junger Mann bei den Internationalen Brigaden gekämpft. Die spanische Studentin Carmen lernt ihn kennen und versucht herauszufinden, was ihn – den Tschechen – dazu bewogen hat, nach Spanien zu ziehen und dort gegen Franco zu kämpfen. In der erwähnten Reihe werden wir aber in den kommenden Monaten noch fortfahren. Der nächste Termin ist am 20. Februar. Da wird sich Michal Ajvaz vorstellen, mit der kurzen Prosa ‚Die Rückkehr des alten Warans‘. Ajvaz ist ein großer tschechischer Autor, der das realistische Schreiben hinter sich gelassen hat und mittlerweile surreale Welten erschafft.“

Wenn man den tschechischen Premier Andrej Babiš oder Präsident Miloš Zeman reden hört, dann müsste man glauben, in Tschechien gebe es überhaupt keine Flüchtlinge. Dass diese Annahme falsch ist, zeigt ein Dokumentarfilm von Saša Dlouhý. Diesen kann man am 4. Februar bei Ihnen sehen…

„Regisseur Dlouhý leistet etwas Wichtiges, weil er die Menschen und die Schicksale hinter dem Wort Asylsuchende vorstellt.“

„Das ist der Dokumentarfilm ‚Bohu žel‘. In diesem stellt Saša Dlouhý mehrere Asylsuchende in Tschechien vor, die aus unterschiedlichen Gründen schon verschieden lange auf eine Aufnahme in Tschechien warten. Dazu gehören unter anderem ein Georgier, ein Syrer und ein Russe. Sie sind alle unterschiedlich mit dem Land verbunden. Einige fühlen sich bereits heimisch, weil sie schon lange auf Asyl warten, andere spüren Ablehnung. Saša Dlouhý hat die Protagonisten mehrere Jahre lang mit der Kamera begleitet. Er leistet dabei etwas Wichtiges, weil er die Menschen und die Schicksale hinter dem Wort Asylsuchende vorstellt. Zudem lässt er auch Vertreterinnen und Vertreter von Hilfsorganisationen zu Wort kommen. Die erinnern zum Beispiel daran, dass Anfang der 1990er Jahre mehrere Tausend Bosnier und Kosovaren in der Tschechoslowakei und in Tschechien aufgenommen wurden. Das hat damals wunderbar funktioniert und kaum Proteste ausgelöst, was sehr interessant ist, wenn man die Situation heute sieht. Wir freuen uns daher, dass Regisseur Dlouhý zu uns nach Berlin kommt und über die Dreharbeiten sowie die Asylsuchenden aus seinem Film sprechen wird.“

‚Die Erfindung des Verderbens‘  (Foto: Filmstudio Barrandov)
Und auch bei unserem letzten Hinweis bleiben wir beim Film, gehen aber nach Düsseldorf. Dort wird ein Klassiker des Regisseurs Karel Zeman zu sehen sein…

„Am 15. Februar werden wir zusammen mit dem Kino Blackbox und genau eben dort ‚Die Erfindung des Verderbens‘ oder ‚Vynález zkázy‘ von Zeman zeigen. Es ist eine Verfilmung von Jules Vernes gleichnamigem Roman. Dieser Streifen von 1958 ist eines der bekanntesten Werke von Karel Zeman, einem wichtigen tschechischen Animationsfilmer. Der Regisseur hat einen Stil erfunden, bei dem er reale Schauspielszenen mit Tricktechnik kombiniert hat. Das hat ihn sehr bekannt gemacht. Im Film ‚Die Erfindung des Verderbens‘ nutzt Zeman Originalillustrationen aus den Büchern von Jules Verne und erweckt diese wie eine surrealistische Kulisse zum Leben. Der Film wurde 1958 auf der Weltausstellung in Brüssel mit dem Grand Prix ausgezeichnet. Bei der Expo 2015 in Mailand hat er eine Wiederauferstehung erlebt, dort wurde die digital restaurierte Fassung des Originals vorgestellt, bevor sie dann auch in den tschechischen Kinos wieder zu sehen war. Und wir freuen uns, dass wir diese Fassung nun auch in Deutschland zeigen können.“

Autor: Till Janzer
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