Zu Besuch bei Emil Kolben, dem Mitarbeiter von Edison und Tesla aus Prag
Emil Kolben war ein Unternehmer und Pionier der Elektrifizierung in den böhmischen Ländern und in der Tschechoslowakei. In seiner Villa in Prag, die heute leer steht, will man künftig ein Museum und Bildungszentrum errichten. Radio Prag International hat das Haus besucht und dort unter anderem mit Kolbens Urgroßenkel gesprochen.
Emil Kolben war ein böhmischer Unternehmer in der Elektrotechnik. Er kam 1862 als Sohn einer jüdischen Familie in einer kleinen Gemeinde in Mittelböhmen zur Welt. Später studierte er an der deutschen Karl-Ferdinands-Universität, und 1887 ging er nach Zürich, Paris, London und blieb letztlich fünf Jahre in den USA. Dort arbeitete er als Assistent von Thomas Edison und war ein Freund von Nikola Tesla.
Industrieller und Pionier der Elektrifizierung
Im Jahr 1896 kehrte Kolben nach Böhmen zurück. Er ließ sich in Prag nieder und gründete mehrere Unternehmen. Im Prager Ortsteil Vysočany baute er seine Firma Kolben a spol. (1899 umbenannt in Elektrotechnická a. s.) auf. Deren erstes Produkt war ein 60-Kilowatt-Umrichter. Später baute Kolben Lokomotiven und andere Produkte. In der Zwischenkriegszeit fusionierte er mit anderen Firmen, woraus dann der berühmte Maschinenbaukonzern ČKD, also Českomoravská-Kolben-Daněk, entstand.
1916 ließ Emil Kolben für sich und seine Familie eine Villa in der Hradešínská-Straße im Prager Luxusviertel Vinohrady erbauen. Mirek Jiřík vertritt eine Vereinigung, die sich für die Instandsetzung und Öffnung des Hauses einsetzt:
„Die Kolben-Villa ist das einzige Gebäude, das in Prag heute noch steht und an Emil Kolben erinnert. Er lebte hier mit seiner Familie bis zu seinem tragischen Ende, als er von der Gestapo ins Ghetto Theresienstadt verschleppt wurde. Dort starb er später auch. Wir möchten das Haus für die Öffentlichkeit zugänglich machen und dort ein Bildungszentrum einrichten, das an Emil Kolben und seinen Beitrag für dieses Land erinnern sowie die junge Generation anregen soll.“
Villa Kolben als Bildungs- und Gedenkzentrum
Die Villa und ihr Turm sind heute gelb angestrichen. Ursprünglich bestand sie aber aus unverputztem Mauerwerk und wurde auch „Rote Villa“ genannt. Sie diente der Familie, die repräsentativen Räumlichkeiten wurden aber auch für Treffen mit Geschäftspartnern und gesellschaftliche Veranstaltungen genutzt. Im Inneren befinden sich heute kaum noch Elemente, die an die damalige Zeit oder an den berühmten Besitzer und die Bewohner der Villa erinnern würden. Ein Teil der Familie wurde während des Holocausts ermordet, andere Familienangehörige emigrierten 1968 aus der Tschechoslowakei. Das Haus wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in mehrere Wohnungen aufgeteilt, und heute steht es leer.
Die Idee, dort ein Bildungs- und Gedenkzentrum zu gründen, sei ganz spontan entstanden, sagt Jiřík:
„Wir sind eine Gruppe von Menschen, die sich für Emil Kolben interessieren. Wir haben unterschiedliche Berufe: Ein Mann betreibt ein Elektro-Museum mit vielen Kolben-Geräten, ein anderer hat sein Leben lang in dem Unternehmen ČKD gearbeitet. Ich selbst bin im Bildungsbereich tätig und mache Programme für Erwachsene und Kinder. Das Schicksal von Emil Kolben hat uns vereinigt und inspiriert.“
In der vergangenen Woche hat das Haus einen ganz besonderen Gast begrüßen dürfen: Martin Kolben, einen Urgroßenkel von Emil Kolben. Er lebt heute in München und arbeitet als Arzt. Zum großen Bedauern seines Vaters, der auch Ingenieur war, sei er einen komplett anderen Weg als seine Vorfahren gegangen, sagt der Mediziner. Auf Einladung der Vereinigung erhielt er die Gelegenheit, das ehemalige Zuhause seiner Familie zu besuchen. In einem der leeren Zimmer entstand das folgende Gespräch.
Herr Kolben, wir besichtigen gerade das Haus von Emil Kolben, die sogenannte „Rote Villa“. Sind Sie zum ersten Mal hier? Welche Beziehung haben Sie zu diesem Haus?
„Ich habe dieses Haus von außen gekannt. Ich wusste, dass dieses die Villa war, in der mein Vater groß geworden ist.“
„Ich habe dieses Haus von außen gekannt. Als ich 1966 in die Schule gegenüber aufgenommen wurde, wusste ich, dass dieses die Villa war, in der mein Vater groß geworden ist. 1968, als die Russen die Tschechoslowakei besetzten, sind wir über Österreich nach Deutschland emigriert. Dann bin ich wieder erst viele Jahre später, nämlich Ende der 1980er Jahre nach Prag gekommen und habe die Villa wieder von außen gesehen. Und nach der Samtenen Revolution bekam mein Vater dann die Möglichkeit, in dieser Villa unter dem Dach eine kleine Wohnung zu bauen. Ab diesem Zeitpunkt kamen wir regelmäßig in die Villa, allerdings nur in das Obergeschoss. Die Räumlichkeiten im Rest der Villa, die wir nun besichtigen, sehe ich heute das erste Mal. Es ist unglaublich eindrucksvoll zu sehen, wo mein Vater als kleines Kind großgeworden ist.“
Bis wann bewohnte eigentlich die Familie das Haus? Emil Kolben starb während des Zweiten Weltkriegs. Wie war es mit anderen Familienmitgliedern?
„Die Familie hat hier bis 1943 gelebt, als mein Urgroßvater, Großvater, Onkel und Vater in Konzentrationslager verschleppt wurden. Mein Vater ist am 21. Januar 1945 aus Auschwitz geflüchtet. Sein Großvater, der Emil, starb in Theresienstadt, und sein Vater und sein Bruder in Auschwitz. Mein Vater hatte das Glück, fliehen zu können. Als er nach dem Krieg nach Prag zurückkam, hatte er nichts mehr. Irgendwann übernahmen die Kommunisten alles. Dann war die Villa praktisch bis zur Samtenen Revolution verloren. Danach klagte mein Vater gegen den Staat und bemühte sich, sein Eigentum zurückzubekommen. So ging es dann los mit der kleinen Wohnung, die er sich hier baute.“
Die Villa befindet sich heute im Besitz des zehnten Prager Stadtbezirks. Es wurde eine Vereinigung gegründet, die anstrebt, hier ein Museum über Emil Kolben zu errichten. Hier sollen auch sein Archiv und seine Bibliothek untergebracht werden. Werden das Archiv und die Bibliothek derzeit von der Familie aufbewahrt?
„Wir selbst besitzen eigentlich nichts, außer ein paar Bildern, die wir vor vielen Jahren von Jüdischen Museum bekommen haben. Es sind Bilder von Familienangehörigen. Technische Unterlagen müssten in den Archiven in der ehemaligen ČKD zu finden sein.“
Ihre Familie hat sich Anfang des Jahres in München getroffen. Zu welchem Anlass?
„Der Anlass war, dass der zehnte Prager Stadtbezirk dem Emil posthum die Ehrenbürgerschaft verliehen hat. Dazu fand eine kleine Festivität statt, bei der wir mit ein paar Vertretern dieses Vereins zusammentrafen, der hier ein Begegnungszentrum und ein Museum errichten will. Es war eine unglaublich nette Runde, meine Mutter mit ihren damals 95 Jahren ist in diesem Kreise richtig aufgeblüht. Das war für mich ein unglaubliches Gefühl. Allerdings denke ich, dass ich hier zu Ehren komme, die ich gar nicht verdient habe – ich bin halt nur der Urgroßenkel.“
„Es war für mich als kleinen Jungen unglaublich, einen Urgroßvater zu haben, der mit dem Erfinder der Glühbirne zusammengearbeitet hat.“
Wurde in Ihrer Familie oft von Ihrem Urgroßvater erzählt?
„Ja natürlich. Es war für mich als kleinen Jungen unglaublich, einen Urgroßvater zu haben, der mit dem Erfinder der Glühbirne zusammengearbeitet hat – mit Thomas Alva Edison in den USA. Der Emil war allgegenwärtig. Und nach der Samtenen Revolution ging es dann richtig los mit diesem Thema. Mein Vater bekam Anfragen aus Prag für Interviews und Filmbeiträge, und dadurch wurde die Geschichte der Familie noch einmal richtig aufgearbeitet.“
Staatsauszeichnung für Emil Kolben
Die Emil-Kolben-Vereinigung habe in der Villa an der Adresse Hradešínská 1 im Prager Stadtteil Vinohrady schon einiges erreicht und schmiedeten auch weitere Pläne, sagt Projektleiter Mirek Jiřík:
„Im Herbst vergangenen Jahres gelang es uns, hier eine Ausstellung zum 160. Geburtstag Emil Kolbens zu veranstalten. In diesem Jahr möchten wir in Zusammenarbeit mit dem Senat Emil Kolben für die Staatsauszeichnung vorschlagen. Wir hoffen sehr, dass Emil Kolben am Staatsfeiertag, dem 28. Oktober, vom Präsidenten diese Anerkennung posthum bekommt, die er verdient hat.“